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Schabbat Schalom | MDR Kultur | 02.06.2023Wochenabschnitt Nasso: Die schönen Momente würdigen

02. Juni 2023, 09:55 Uhr

Die schönen Momente im Leben zu entdecken und zu genießen – dazu ermutigt Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitts. Ganz gleich, ob sie uns überraschen oder ob sie sich regelmäßig ereignen.

Im Wochenabschnitt "Nasso" geht es um die Geschenke, die von den zwölf Stammesfürsten zur Einweihung des Heiligtums gemacht wurden. Eines ist dabei auffällig: Die Geschenke unterscheiden sich nicht. Wir lesen von silbernen Schüsseln und Schalen, goldenen Löffeln, einem Stier, einem Rind, einem Widder, einem Lamm und noch viel mehr…Das wird zwölf Mal wiederholt.

Vor Gott zählen alle gleich

Wieso sind die Geschenke alle gleich? Nicht nur, dass sich alle Stämme scheinbar gut untereinander abgesprochen haben, und sich alle an diese Absprache halten! Es drückt auch aus, dass kein Stamm angesehener oder reicher ist: Vor Gott zählen alle gleich.

Trotzdem stellt sich die Frage, wieso bei jedem Stamm die Geschenke genannt werden müssen. In vielen biblischen Geschichten werden Details gerne ausgespart, häufig wird wirklich nur das Wesentliche berichtet, weitere Hinweise erfahren wir oft nur, wenn wir die rabbinischen Auslegungen und Geschichten, die Midraschim, befragen.

Bei dieser Geschichte würde es doch gar nicht auffallen, wenn es heißen würde: "Dies sind die Geschenke, die von den Stammesfürsten jeweils zur Einweihung des Heiligtums gemacht wurden." Dann könnten einmalig alle Geschenke genannt werden, etwa siebzig Verse der Tora könnten eingespart werden.

Wieso also die zwölfmalige Wiederholung der Geschenke? Schauen wir auf den Kontext in der Tora:  Die Geschichte schließt – auch wenn wir uns bereits im vierten Buch der Tora (Bemidbar) befinden – an das zweite Buch (Schmot) an. Dort lesen wir die Anweisungen zum Bau des Heiligtums, das schließlich errichtet wird.

Das Heiligtum wird geweiht

Das Bringen der Geschenke in das Heiligtum markiert einen der positiven Höhepunkte der Tora. Denn schauen wir noch etwas weiter zurück, so stoßen wir auf einen negativen Höhepunkt: Die Geschichte um das goldene Kalb, als Mosche aus Wut die beiden Bundestafeln zerstört.

Gott war böse und enttäuscht von den Israeliten, verstand schließlich aber ihr Verlangen, ein Heiligtum zu haben: Einen Ort, an dem sie sich Gott nähern können. Daher gab Gott Mosche die Anweisungen zum Bau des Heiligtums. Dieses Heiligtum konnte nun endlich eingeweiht werden.

Es ist ein unglaublich schöner Moment, der uns hier geschildert wird. In meinem Empfinden verpassen wir es oft, diese schönen Momente zu würdigen. Unsere Gedanken sind häufig schon bei anderen Dingen, die mit dem, was gerade passiert, vielleicht gar nichts zu tun haben.

Um dem entgegenzuwirken, wiederholt die Tora die identischen Geschenke von jedem Stamm. Jede Gabe markiert einen schönen Moment – egal ob am ersten oder am zwölften Tag.

Die auf den ersten Blick monotone Erzählung drückt so unfassbar große Freude aus, eine zwölfmalige Freude. Ich wünsche uns, dass wir stets daran denken mögen, die schönen Momente in unserem Leben zu genießen – egal, ob sie einmalig sind, oder ob sie sich regelmäßig wiederholen. 

Schabbat Schalom!

Zur Person: Alexander NachamaGeboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).

Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Seit 2018 ist er Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 02. Juni 2023 | 15:45 Uhr