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MDR KULTUR | 11.08.2023Schabbat Schalom: Auf dem Weg bleiben, empfiehlt der Dresdner Kantor Elija Schwarz

11. August 2023, 12:00 Uhr

Auch wer ein wichtiges Ziel vor Augen hat, sollte darauf achten, dass er nicht vom Weg abkommt – und auf der Strecke alles niedertrampelt, empfiehlt Kantor Elija Schwarz in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Re'eh (Dewarim).

"Siehe, ich gebe heute vor euch hin: Segen und Fluch." Mit diesen eindringlichen Worten zeigt Mosche am Beginn unseres Wochenabschnittes dem Volk zum wiederholten Male die zwei Wege, die zu gehen ihm offenstehen. Es ist der mit Segen belohnte Weg des Gehorsams gegenüber den Geboten des Allmächtigen und der Weg der Ignoranz gegenüber den Mizwot, den Geboten, den der Ewige mit Fluch bestrafen wird.

Gesetze des Jüdischen Volkes im Heiligen Land

Dann folgen einzelne Gesetze, die das Leben des Jüdischen Volkes im Heiligen Land regeln sollen. Alle Orte des Götzendienstes sollen zerstört werden, und die Opfer dürfen nur noch auf einem von Gott erwählten Platz, dem Mikdasch, dem Heiligtum, dargebracht werden. Private Opferstätten und andere Orte kultischer Verehrung sind verboten. Die Opfer- und Abgabebestimmungen werden weiter präzisiert. Mosche warnt das Volk, Sitten der götzendienerischen Völker zu übernehmen, und sie sollen im Namen des Götzendienstes prophezeienden Weissagern widerstehen.

Die Trauersitten der umliegenden Völker werden verboten und damit das Einritzen und Verletzen der Haut sowie das Ausreißen von Haaren. Dem jüdischen Volk wird geboten, sich von anderen Völkern durch das Verbot des Genusses unreiner Tiere zu unterscheiden. Es folgt ein Abschnitt über den Zehnten, der für den Unterhalt der Lewi'im, der Lewiten, bestimmt ist. Vom Übriggebliebenen wird nochmal ein Zehntel abgesondert, das der Eigentümer nur im Zustand ritueller Reinheit im Mikdasch verzehren darf. In jedem siebten Jahr sollen die Schulden erlassen werden. In diesem Brachjahr, Schmitta, werden auch die jüdischen Knechte reich beschenkt in die Freiheit entlassen. Abschließend spricht Mosche über die drei Pilgerfeste Pessach, Schawu'ot und Sukkot und die entsprechenden Opfergesetze.

Rätselhafte Wegbeschreibung zu den Bergen, die Fluch oder Segen bringen

Der Beginn unseres Wochenabschnittes 11,26-32 ist eine abschließende Zusammenfassung der zweiten Rede Mosches und gleichzeitig die Einleitung zum eigentlichen Gesetzesteil. Was wir bisher lasen, war eine historische, gleichwohl auch religiöse Präambel, in der Mosche von der allgemeinen Notwendigkeit der Befolgung der Gebote des Ewigen sprach und dabei auf den Bund vom Sinai verwies. Nach der Einleitung teilt Mosche ab Kapitel 12 einzelne Gesetze und Vorschriften mit, die das Leben der Kinder Jissra‘els im verheißenen Land regeln sollen.

Andererseits liefert der Beginn unseres Wochenabschnittes auch eine Wegbeschreibung, die es in sich hat und einen ratlos zurücklassen kann. Es ist die Wegbeschreibung zum Tal zwischen den Bergen Grisim und Ejwal. Auf dem ersteren soll der Segen erteilt werden und auf dem zweiten der Fluch. Nach Kenntnis der Segnungen und der Flüche bleibt die Willensfreiheit des Volkes und auch des Einzelnen gewahrt, aber es wird ermahnt, den rechten der beiden ihm offen stehenden Wege zu nehmen. Denn von seiner Wahl der Wege hängt die Zukunft der Nation ab. Mosche kann nicht mehr tun, als allen die Alternative klarzumachen und deren Konsequenz.

Keine Daten für ein Navigationssystem

So präzise die Beschreibung der beiden dem Volk offenstehenden Wege in die Zukunft ist, so ungenau ist die Wegbeschreibung zum Platz der Verkündung von Segen und Fluch, den beiden Bergen Grisim und Ejwal ab Vers 11,29: "Und es wird geschehen, wenn dich der EWIGE, dein Gott, bringt in das Land, wohin du gehest es einzunehmen, so sollst du den Segen erteilen auf dem Berge Gerisim und den Fluch auf dem Berge Ebal. Siehe, sie sind jenseits des Jordan hinter dem Weg gen Untergang der Sonne im Lande des Kanaaniters, der in der Ebene wohnt, Gilgal gegenüber bei den Terebinthen Morehs." Alles klar? Kann die Wanderung beginnen? Da hilft auch keine Karte und es ist sinnlos ein Navigationssystem mit diesen Daten zu füttern.

Auf dem Weg bleiben

Im Mischna-Traktat Sota 33b gibt es eine Diskussion über diese Wegbeschreibung. Was meint "jenseits des Jordans" oder "Gilgal gegenüber"‘ und was ist mit dem "Weg gen Untergang der Sonne" gemeint? "Gegen Ende der Diskussion äußert sich Rabbi Elieser ben Jakow: "Die Schrift will ihnen damit nur den Weg für die zweite Wanderung zeigen, wie sie ihn bei der ersten (beim Auszug aus Mizrajim) gezeigt hat. W e g (bedeutet), geht den Weg, nicht über Felder und Weinberge; der w o h n t (bedeutet), geht durch bewohnte Gegenden, nicht durch Wüsten; in der E b e n e (bedeutet), geht durch die Ebene, nicht über Berge und Hügel. Rabbi Elieser meint also, dass mit  der Formulierung "auf dem Weg" nicht das Wohin gemeint ist, sondern das Wie der Wanderung – eben auf Wegen.

Das heißt, beim Eilen zur Erfüllung eines Gebotes müssen wir darauf achten, auf dem Wege zu bleiben und nicht rechts und links alles niederzutreten – keine Natur und auch keine Mitmenschen. Hier wird der ethische Weg, eine Mizwa, ein Gebot auszuführen, beschrieben. Wir sollen zu ihrer Erfüllung eilen, aber ohne Schäden zu hinterlassen.

Wer tatsächlich mit dem Navigationssystem die beiden Berge des Segens und des Fluches besuchen möchte, sollte ganz simpel den Ort Schechém eingeben.

Zur Person: Elija SchwarzElija Schwarz (*1969) arbeitet als Kantor für die Jüdische Gemeinde zu Dresden. Außerdem ist er als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen tätig und auch für das Jüdische Seniorenheim Hannover zuständig. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Darüber hinaus betreut er seit fast zwei Jahrzehnten die Jüdische Gemeinde Elmshorn in Schleswig-Holstein. Wenn er nicht dienstlich unterwegs ist, lebt Elija Schwarz in Bitterfeld.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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