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MDR KULTUR | 29.12.2023 | Wochenabschnitt WaJechiSchabbat Schalom: Von der endgültigen Aussöhnung Josefs mit seinen Brüdern

11. August 2023, 12:00 Uhr

Wie gelingt Versöhnung? Wenn die Worte, die den Streit beenden sollen, nicht nur den Verstand, sondern auch das Herz und die Seele erreichen. Das zeigt die Erzählung von Josef und seinen Brüdern, sagt Kantor Elija Schwarz in seiner Auslegung des Wochenabschnitts WaJechi.

Ja'akow lebt 17 Jahre in Ägypten. Als er sein Ende nahen fühlt, lässt er seinen Sohn Josef rufen. Josef muss ihm schwören, dass er ihn aus Ägypten hinausführen und in Kena'an in der Höhle Machpela bei seinen Großeltern, Eltern und seiner Frau Lea beerdigen wird.

Kurze Zeit später wird Ja'akow krank und segnet Josefs Söhne, seine Enkel Menasche und Efrajim. Er gibt Efrajim, dem Jüngeren von beiden, den ersten Segen. Anschließend lässt er seine anderen Söhne ans Sterbebett treten, segnet jeden einzelnen und gibt ihnen Empfehlungen, Warnungen, Belehrungen und visionäre Worte für die Zukunft mit.

Die Furcht vor Vergeltung

Ja'akow stirbt im Alter von 147 Jahren und wird in einem großen Trauerzug nach Kena'an gebracht. Josef trauert dort sieben Tage und kehrt dann nach Ägypten zurück. Seine Brüder fürchten jetzt nach des Vaters Tod die Vergeltung Josefs für das, was sie ihm vor Jahren antaten. Josef beruhigt sie und versöhnt sich endgültig mit ihnen. Josefs Vertrauen in sie ist wieder so groß, dass er wagt, sie zu bitten, auch ihn in Kena'an zu Grabe zu tragen. Mit 110 Jahren stirbt Josef und wird einbalsamiert und in einem Sarg bis zum Auszug aus Ägypten vorübergehend aufbewahrt.

Mit unserem heutigen Wochenabschnitt endet Bereschit, das erste Buch Mosche. Es erzählt, wer unsere Vormütter und Vorväter sind, und woher wir stammen. Wir erfahren damit etwas über den nationalen wie auch religiösen Werdegang. Dabei lernen wir, wie die Voraussetzungen geschaffen wurden, dass aus den Bnej Jissra'el, einem größeren Familienverband, Am Jissra'el, das Jüdische Volk werden konnte. Ein Volk, das stark genug war, die Tora zu erhalten und über die Generationen hinweg zu bewahren. Ein Volk, das stark genug war, das versprochene Land einzunehmen, damals wie heute.

Die vollständige Aussöhnung der Brüder

Das, was in Bereschit keine Selbstverständlichkeit ist, geschwisterliche Harmonie und Treue, stellt sich hier gegen Ende des Buches dann doch ein. Die Voraussetzung dafür war die vollständige Aussöhnung zwischen den Brüdern. Schon im Wochenabschnitt WaJigasch (45,4-8) versucht Josef seinen Brüdern zu vermitteln: "Und nun betrübt euch nicht und lasst es in euren Augen nichts Bekümmerndes sein, dass ihr mich hierher verkauft habt; denn zur Erhaltung eures Lebens hat Gott mich vor euch her gesandt."

Aber offenbar fürchten sich die Brüder auch nach siebzehn Jahren noch vor der Rache Josefs. Denn in Vers 50,15 erfahren wir: „Die Brüder Josefs sahen, dass ihr Vater gestorben war und sagten: wenn Josef doch einen stillen Groll gegen uns in sich bergen sollte! Er könnte jetzt uns all das Böse zurückgeben, das wir an ihm vollbracht.“

Danach bedienen sie sich der Notlüge, dass es ihres Vaters Ja'akow Wunsch vorm Tode war, dass Josef ihnen verzeihen möge. Und hier in Vers 50,21, kurz vor Ende des Buches, hören wir von Josef: "Und nun fürchtet nichts! Vielmehr versorgen werde ich euch und eure Kinder! Er tröstete sie und sprach ihnen ans Herz.“ Jetzt hatten seine Worte nicht nur ihren Verstand, sondern auch ihr Herz und ihre Seele erreicht, und das brachte die Einigkeit unter den Brüdern.

Nicht umsonst sprechen wir von Geschwistern, die "ein Herz und eine Seel"“ sind. So soll es mit unserem Willen und Gottes Hilfe sein im Jüdischen Volk - Am Jissra'el. Denn dann werden die Worte in Erfüllung gehen, die wir an diesem Schabbat, wie am Ende eines jeden Buches der Tora, stehend zusammen laut im Gottesdienst sagen werden. Chasak, Chasak, WeNitchasek – Sei stark, sei stark, lass uns stark sein!

Zur Person: Elija SchwarzElija Schwarz (*1969) arbeitet als Kantor für die Jüdische Gemeinde zu Dresden. Außerdem ist er als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen tätig und auch für das Jüdische Seniorenheim Hannover zuständig. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Darüber hinaus betreut er seit fast zwei Jahrzehnten die Jüdische Gemeinde Elmshorn in Schleswig-Holstein. Wenn er nicht dienstlich unterwegs ist, lebt Elija Schwarz in Bitterfeld.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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