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Schabbat Schalom: WochenabschnittElija Schwarz: Alles Land gehört Gott

04. März 2022, 12:00 Uhr

Schon die Tora fordert dazu auf, Grundbesitz alle Jubeljahre neu zu verteilen. Generell sollte sich Eigentum nicht in den Händen einiger weniger konzentrieren, meint Kantor Elija Schwarz. Seine Auslegung des Wochenabschnitts ist diesmal ein kleines, antikapitalistisches Manifest.

Nun, gegen Ende des 3. Buches Mosche lesen wir, dass die Kinder Jissra’el, wenn sie in ihr eigenes Land hineinkommen, jedes siebente Jahr als Schabbatjahr feiern sollen. Nicht nur die Menschen, auch die Weinberge und Felder sollen ein Ruhejahr haben. Jede landwirtschaftliche Tätigkeit soll ruhen und das Land brachliegen.

Im sechsten Jahr wird der Ewige eine solche Ernte geben, dass der Ertrag für drei Jahre reicht. Auch im siebenten Jahr wird man dadurch genug zu essen haben.

Jedes siebente Schabbatjahr wird begangen als Joweljahr, auf Deutsch Jubeljahr. Nach siebenmal sieben, also neunundvierzig Jahren wird am Zehnten des siebten Monats das Widderhorn Schofar geblasen, an Jom Kippur. Alle in Schuldknechtschaft befindlichen Juden werden mit ihren Familien frei.

Das Land, so lesen wir weiter, kann nicht auf ewig verkauft werden. Denn das Land gehört dem Ewigen, und die Jissra‘eliten haben es nur als ein Lehen. Im Joweljahr kehrt, mit Ausnahme des Hausbesitzes, aller Grundbesitz zu seinem ursprünglichen Besitzer bzw. dessen Erben zurück. Der Wert des Landes bei einem Verkauf bemisst sich deshalb an den noch bis zum Joweljahr verbleibenden Jahren und somit der Anzahl der auf diesem Boden noch zu erzielenden Ernten.

An den Wochenabschnitt BeHar Ssinai ist in diesem Jahr der Wochenabschnitt BeChukotaj gekoppelt und mit ihm beenden wir auch das 3. Buch Mose.

Darin verspricht der Ewige dem Volk Regen, reiche Ernte, Friede und Wohlstand – solange es sich an seine Gebote hält.
Wenn es seine Gebote aber nicht hält, wird Er sich gegen sein Volk wenden. Es wird von furchtbaren Krankheiten heimgesucht werden, Hunger wird herrschen, Feinde werden es schlagen und unter die Völker wird es verstreut werden in die Galut, das ist das hebräische Wort für die Diaspora.

Wenn das Volk dann seine Schuld bekennt, Reue und Besserung zeigt, wird der Ewige des alten, unlösbaren Bundes mit Ja‘akow, Jizchak und Awraham gedenken.

Spielen wir doch mal das beliebte Spiel "Was wäre wenn...?" Was wäre denn aus den Geschlechtern der Geldmagnaten, Tycoonen, Oligarchen, den Fuggers und anderen Finanzaristokraten geworden, hätte die Gesetzgebung der Tora unseres heutigen Wochenabschnittes weltweite Geltung erlangt?

Rückübertragung im Jowel-Jahr

In Kapitel 25, Vers 25 beginnen die Gesetze für denjenigen, der seinen Grundbesitz verkaufen muss, da er verarmte: "So dein Bruder verarmt und von seinem Besitztum verkauft..." Nach verschiedenen finanziellen Auslöseoptionen kommt die finale Rückübertragung des verkauften Grundbesitzes im Jowel-Jahr, also nach sieben mal sieben Jahren, dann in Vers 28: "Wenn der Verkäufer aber nicht erworben, so viel zur Erstattung hinreicht, so bleibt das Verkaufte in der Hand seines Käufers bis zum Jowel-Jahre; und im Jowel wird es frei und der Verkäufer gelangt zurück zu seinem Besitztum."

Die Akkumulation von Boden als wichtigstem Produktionsmittel der damaligen Zeit in den Händen einiger weniger wäre nach der Tora-Gesetzgebung nicht möglich gewesen. Karl Marx spricht als Nationalökonom von der schon frühkapitalistischen Trennung von Produzent und Produktionsmittel, der sogenannten ursprünglichen Akkumulation.

Der Tora-Gedanke des Joweljahres, der hinter dieser Akkumulationsverhinderung steckt, ist natürlich der, dass alles Land Gott gehört, und er es den Menschen lediglich zur Verfügung stellt. Es ist die frühe Form von "Wir haben unsere Erde nur geliehen", um nicht zu sagen, es ist das Original. Jeder dauerhafte Wohlstand ist auf den Schöpfer und unseren positiven Umgang mit seiner Schöpfung zurückzuführen.

Eigentum begründet Herrschaftsverhältnisse und hier wird Gott, als König aller Könige, als Eigentümer benannt. Er ist der Eigentümer von Land, Luft, Wasser, Wissen und Energie. Niemand, kein Mensch, darf darüber Herrschaft erlangen. Und so können wir aus unserem Wochenabschnitt lernen: Damit es hienieden unter den Menschen nicht zu Herrschaftsverhältnissen kommt, bei denen über Generationen angesammeltes Eigentum in die Hände weniger gelangt, muss der Reichtum in regelmäßigen Zeitabständen neu verteilt werden

Schabbat Schalom!

Zur Person: Elija SchwarzElija Schwarz (*1969) arbeitet als Kantor und Religionslehrer für den Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen und betreut auch das Jüdische Seniorenheim Hannover. Zuvor war er fünf Jahre lang Kantor der Etz-Chaim-Synagoge in Hannover. Parallel dazu leitet seit er 2003 Gottesdienste im Landesverband der Jüdischen Gemeinden von Schleswig-Holstein. Wenn er nicht dienstlich unterwegs ist, lebt Elija Schwarz in Halle an der Saale.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 12. Mai 2023 | 15:45 Uhr