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MDR Kultur | 23.06.2023Schabbat Schalom: Rebellion gegen Moses

23. Juni 2023, 15:00 Uhr

Ohne Erzieherinnen mit großem Herzen würden Eltern von Kleinkindern nicht arbeiten können. Ohne Polizisten, Feuerwehrmänner und -frauen oder Ärztinnen wären wir Notfällen schutzlos ausgeliefert. Man kann diese Liste unendlich fortführen. Eine Welt, in der es keine Aufgabenteilung gäbe, bräche schnell zusammen. Wie eine Gesellschaft funktioniert, das ist das Thema der heutigen jüdischen Wochensendung am Beispiel der biblischen Geschichte einer Rebellion durch einen Mann namens Korach.

Diese Woche wird in den Synagogen außerhalb von Israel der Wochenabschnitt Korach gelesen. In diesem Abschnitt geht es um eine organisierte Rebellion gegen Moses, die von einem Mann namens Korach angeführt wird.

"Die ganze Gemeinschaft ist heilig!"

Korach, selbst ein Zugehöriger des Stammes Levi, beschuldigt Moses und Aaron der unrechtmäßigen Vergabe der wichtigen Ämter und Leitungsfunktionen unter sich. Sein Argument: "Die ganze Gemeinschaft ist heilig! Weshalb stellt ihr euch über den anderen." Wenn alle heilig sind, so sollen vielleicht alle führenden Funktionen haben. Jeder soll ein Priester sein können und jeder der Anführer des Volkes. Vielleicht sogar alle gleichzeitig?

Ist da nicht ein Korn der Wahrheit in Korachs Argumentation? Dieser haben sich ja anscheinend viele Juden (die Tora spricht von ungefähr 250-300 Personen) angeschlossen. Hauptsächlich erstgeborene Söhne von einigen Stämmen.

Hat die Tora ein Kastensystem zur Folge?

Ist es nicht wirklich unfair, dass nur einige wenige, also die Nachkommen Aarons das Priestertum erben können? Weshalb haben sie Privilegien und andere nicht? Hat die Tora und das Judentum dementsprechend nicht auch eine Art Kastensystem zur Folge, das Teile des Volkes diskriminiert? Sollten nicht in der perfekten Welt alle die gleichen Aufgaben und Möglichkeiten haben?

Nein, ist die Antwort unserer Weisen. Korachs Sprache ist schlicht und ergreifend demagogisch. Eine Welt, in der es keine Aufgabenteilung geben würde, würde schnell zusammenbrechen. Eine Gesellschaft kann ohne verschiedene Glieder und ganz verschiedene Menschen mit unterschiedlichen Berufen und unterschiedlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten nicht funktionieren. Ohne wunderbare hingebungsvolle Erzieherinnen würden Eltern von Kleinkindern nicht arbeiten können. Ohne Handwerker würde kein Haus stehen und kein Herd angeschlossen werden. Ohne Polizisten, Feuerwehrmänner und -frauen, Ärzte würden keine Notfälle in unseren Städten erfolgreich gelöst werden. Man kann diese Liste unendlich führen.

Beruf und Berufung

Jede und jeder einzelne ist sehr wichtig. Da hat Korach schon recht. Aber nie hat jemand – weder Moses noch Aaron etwas anderes behauptet. Es ist nur so, dass G´tt jedem Menschen besondere Vorlieben und Neigungen in die Wiege legt, die durch Erlernen von notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu ihren Berufungen und Berufen werden können.

So entsteht eine funktionierende und erfolgreiche Gesellschaft und eine Gesellschaft bedarf eben auch einer spirituellen und administrativen Führung von einigen wenigen fähigen Persönlichkeiten, denn zu viele und vor allem schlechte Köche verderben den Brei.

Und so möchte ich Lob und Anerkennung an alle aussprechen, die tagtäglich ihrer Berufung nachgehen und ihren Beitrag für ein erfolgreiches und glückliches Miteinander leisten.

In diesem Sinne Schabbat Schalom!

Zur Person: Katia NovominskiKatia Bruria Novominski, geboren 1985 in Kiew, aufgewachsen in Dresden. Studierte Gymnasiallehrerin für Physik und Russisch. Vor 20 Jahren fing sie mit jüdischer Jugendarbeit in Sachsen an, später arbeitete sie sechs Jahre im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Dresden und leitete Bildungsprojekte bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, anschließend Leiterin der Repräsentanz der Jewish Agency for Israel in Berlin, jetzt Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden in Deutschland (BtJ), Rebbetzin der jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau, Religionslehrerin in Sachsen-Anhalt und – das ist ihr am wichtigsten – Ehefrau von Rabbiner Portnoy und Mutter von drei Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 23. Juni 2023 | 15:45 Uhr