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Schabbat Schalom: Wochenabschnitt WaetchananKatia Novominski: Den Austausch suchen

28. Juli 2023, 11:18 Uhr

"Not lehrt beten", heißt das Sprichwort. Doch gerade wenn es uns gut geht, sollten wir unsere Beziehungen pflegen, meint die Religionspädagogin Katia Novominski in ihrer Auslegung des Wochenabschnitts. Sie empfiehlt, jeden Tag den Austausch zu suchen – mit anderen Menschen und mit Gott.

Diese Woche lesen wir den zweiten Abschnitt aus dem letzten Buch der Tora, Dvarim, den Wochenabschnitt Waetchanan. In diesem Buch spricht Mosche zum jüdischen Volk und erinnert es an die wichtigsten Meilensteine und die wichtigsten Gesetze.

Gerade in unserem Wochenabschnitt haben wir zwei sehr wichtige Kernthemen: die zehn Gebote, die die Grundlage für die ethischen Normen aller abrahamitischen Religionen sind, und das "Schma Israel" – "Höre Israel" – eine Art Glaubensbekenntnis des Judentums. Über diese Themen kann man unendlich lang referieren. Dabei könnten aber weitere interessante Gedanken untergehen, die nicht weniger Relevanz für uns haben.

In guten Zeiten an G´tt denken

In Kapitel sechs spricht Mosche zum jüdischen Volk und sagt sinngemäß folgendes: ihr werdet jetzt in ein fruchtbares Land hineingeführt. Der Wohlstand, den ihr dort erleben werdet, ist erstmal nicht das Werk eurer Hände. Ihr sollt auch in guten Zeiten an G´tt denken! Das klingt zunächst plausibel, aber wozu verschwendet Mosche seine Zeit und die Tora so einiges an Buchstaben, um uns das mitzuteilen? Natürlich, um uns etwas bei zu bringen. Mosche kennt die Natur der Menschen nur zu gut, und diese hat sich bis heute kein bisschen verändert. Sobald es einem schlecht geht, dann denkt man sofort an den Ewigen und fängt mit Gebeten oder Klagen an. Wie heißt es in einem Spruch? In einem abstürzenden Flugzeug gibt es keine Atheisten.

Täglich Dankbarkeit zeigen

Was ist aber mit den Zeiten, wenn es uns gut geht? Wenn die Beziehungen gut sind, die Finanzen stimmen und die Gesundheit uns keine Sorgen macht. Denken wir dann an unsere Spiritualität? Bedanken wir uns dann beim Schöpfer? Weshalb muss uns erst etwas Schlechtes passieren, damit wir uns an Ihn wenden? Laut der Tora ist es nicht der richtige Weg. Wir sollen tagtäglich dankbar für alles Gute sein und für all das, was wir haben.

Gilt dieser Grundsatz nur für unsere Beziehung zu G´tt? Was ist, wenn ich keine Beziehung zu Ihm habe? Was geht mich dieses Thema dann an?

Wie so vieles in der Tora ist auch dieser Gedanke universell und auf viele Aspekte des Lebens übertragbar. Wie sieht es mit unseren Mitmenschen aus? Mit unseren Lehrern, Mentoren, Ärzten, Psychologen, Freunden, Partnern, die Liste ist beliebig erweiterbar. Melden wir uns bei ihnen nur dann, wenn wir etwas brauchen oder wenn es uns schlecht geht?

Wie oft bedanken wir uns bei ihnen einfach so? Wie oft berichten wir von positiven Erlebnissen in unserem Leben? Kann es sein, dass viele von ihnen nur dann etwas von uns hören, wenn wir etwas auszusetzen haben? Sollte dies der Fall sein, so sollten wir es schleunigst ändern!

Jetzt, heute, dieses Wochenende ist direkt eine gute Gelegenheit, sich zu melden und über Positives zu sprechen und sich zu bedanken – bei G´tt, bei unseren Nächsten, am Ende des Tages auch bei sich selbst. Für all das Gute, was uns passierte und passiert.

Und so mögen wir täglich einen Grund haben, dankbar zu sein und unsere Dankbarkeit auch zum Ausdruck zu bringen!

Schabbat Schalom!

Zur Person: Katia NovominskiKatia Bruria Novominski, geboren 1985 in Kiew, aufgewachsen in Dresden. Studierte Gymnasiallehrerin für Physik und Russisch. Vor 20 Jahren fing sie mit jüdischer Jugendarbeit in Sachsen an, später arbeitete sie sechs Jahre im Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Dresden und leitete Bildungsprojekte bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST). Geschäftsführerin der Jüdischen Kultusgemeinde Karlsruhe, anschließend Leiterin der Repräsentanz der Jewish Agency for Israel in Berlin, jetzt Geschäftsführerin des Bundes traditioneller Juden in Deutschland (BtJ), Rebbetzin der jüdischen Gemeinden in Halle und Dessau, Religionslehrerin in Sachsen-Anhalt und – das ist ihr am wichtigsten - Ehefrau von Rabbiner Portnoy und Mutter von drei Söhnen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 28. Juli 2023 | 15:45 Uhr