Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio

Religion & Gesellschaft

KalenderGottesdiensteJüdisches LebenKontakt
Daniel Fabian, Landesrabbiner Sachsen-Anhalt, trägt die Torarolle in die im Oktober 2023 geweihte neue Dessauer Synagoge. Bildrechte: picture alliance/dpa | Hendrik Schmidt

Schabbat Schalom | MDR Kultur | 10.11.2023Sachsen-Anhalts Landesrabbiner: "Aufrichtig sein in einer Welt voller Zweideutigkeiten"

10. November 2023, 11:46 Uhr

Uns sollte stets bewusst sein, was uns antreibt, was wir uns insgeheim wünschen, und welche Motive wirklich unser Handeln prägen. Das empfiehlt der Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt, Daniel Fabian, in seiner Auslegung des Wochenabschnitts Chaye Sara. In einer Welt voller Zweideutigkeiten könnten wir unser Umfeld durch Aufrichtigkeit prägen.

Der Wochenabschnitt, den Juden diesen Schabbat in den Synagogen lesen, heißt Chaye Sara. Die biblische Erzählung beschreibt das Leben von Abraham und Isaak, kurz nachdem Abrahams Frau Sarah verstorben war. Nachdem Abraham der traurigen Pflicht nachgekommen ist, einen geeigneten Begräbnisplatz für seine Frau zu erwerben, kümmert er sich um eine weitere, wichtige Angelegenheit: eine geeignete Frau für seinen Sohn und spirituellen Nachfolger Isaak zu finden. Besonders muss sie sein, gewillt, ihr elterliches Haus zu verlassen, außerdem noch voller Güte und Großzügigkeit. Abraham betraut seinen Knecht, den der Talmud als seinen treuen Diener Eliezer identifiziert, mit dieser Aufgabe.  Doch zuvor lässt er ihn feierlich schwören, die ihm übertragene Aufgabe gemäß seinen, Abrahams Instruktionen zu erfüllen. Eliezer fragt daraufhin, wie er verfahren soll, wenn die Zukünftige ihn nicht begleiten will und stattdessen darauf besteht, in der Nähe ihrer Heimat zu bleiben.

Wahre Motive

Warum diese Unsicherheit Abrahams? Warum lässt er den Knecht schwören? Woher das Misstrauen? War es gerechtfertigt?

Der Midrash, also eine mündliche Überlieferung, offenbart Eliezers wahre Motive. Er selbst hatte nämlich eine Tochter im heiratsfähigen Alter und wünschte sich nichts sehnlicher als die Verbindung der beiden Familien durch eine Ehe. Dies war nach dem Midrash auch der Hintergrund der Frage Eliezers, was zu tun sei, wenn die Zukünftige sich weigere, ihn zu begleiten. Abraham besaß die Sensibilität, sich in seinen Knecht hineinversetzen zu können, und die Weitsicht, dafür Sorge zu tragen, dass Isaak eine Frau  heiratet, die in die großen Fußstapfen von Sarah treten kann.

Besonders interessant ist dieses Zwischenspiel, wenn man annimmt, dass Eliezer sich beim Stellen dieser Frage nicht einmal bewusst war, was er mit ihr erreichen wollte. Sein Wunsch nach Verbindung mit der Familie Abrahams war unterbewusst, prägte jedoch sein Handeln. 

"Uns sollte stets bewusst sein, was uns antreibt"

Seien wir ehrlich. Wir alle haben unsere Gedanken, Absichten, Motivationen, Agenden. Manchmal sind sie uns bewusst, manchmal nicht. Wichtig ist aber: Uns sollte stets bewusst sein, was uns antreibt. Seien wir grundehrlich mit uns selbst; vergegenwärtigen wir uns, was wir uns insgeheim wünschen, und welche wahre Motivation unser Handeln prägt. Diese Ehrlichkeit uns selbst gegenüber schulden wir uns. Sie macht uns authentischer. Geradliniger. Und sie kann auch unsere Waffe in einer Welt voller Zweideutigkeit und unterschwelliger Absichten sein.

Indem wir nämlich integer und aufrichtig sind, prägen wir auch unser Umfeld zum Besseren.

Zur Person Daniel FabianDer Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt wurde 1974 in Israel geboren und wuchs in Deutschland auf. Ein Studium der Biologie schloss er mit einem Diplom an der Humboldt-Universität zu Berlin ab. Von 2007 an war Daniel Fabian einer der ersten Studenten am Rabbinerseminar zu Berlin. Die feierliche Ordination zum orthodoxen Rabbiner erfolgte 2011. Bereits während seines Studiums hatte Fabian in jüdischen Bildungseinrichtungen unterrichtet, ab 2011 übernahm er verschiedene Leitungsfunktionen in der Stiftung Lauder Yeshurun. 2021 wurde Fabian Landesrabbiner von Sachsen-Anhalt, seit 2022 nimmt er dort auch die Aufgabe des Polizeirabbiners wahr. Daniel Fabian ist verheiratet und hat fünf Kinder.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Alle Sendungen

Das könnte Sie auch interessieren

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | Schabbat Schalom | 10. November 2023 | 15:45 Uhr

Mehr aus Religion & Gesellschaft im MDR