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MDR KULTUR | 13.10 2023Schabbat Schalom mit Michal Natovich - Wochenabschnitt Bereschit: "Es werde Licht"

06. September 2023, 15:24 Uhr

An diesem Schabbat beginnen Juden auf der ganzen Welt den neuen Zyklus der Toralesung. Mit dem ersten Wochenabschnitt der Tora - "Bereschit" auf Deutsch "am Anfang“ kommt eine verstärkte spirituelle Erleuchtung in die Welt, erklärt Michal Natovich.

Wir tauchen ein in die Beschreibung der Erschaffung der Welt in sechs Tagen und der Erschaffung des Menschen. Gott macht seinen ersten Schritt mit wenigen Worten: "Es werde Licht". seine Worte schaffen Licht. Nacheinander nennt Gott die Dinge beim Namen: Tag, Nacht, Wasser, Himmel und so weiter. Und sie entstehen. So wurde die Welt durch Worte erschaffen. Reine Magie, "Abrakadabra" - die berühmten Zauberworte, die übersetzt "Ich erschaffe, was ich sage" bedeuten.

In verschiedenen religiösen und mythologischen Traditionen ist die Macht der Worte oder der Sprache, die Realität zu erschaffen oder zu formen ein gemeinsames Thema. Aber warum Worte?  Die Worte, die Sprache selbst, ist unser Bote zwischen dem Reich der unendlichen abstrakten Ideen, Wünsche, Sehnsüchte, Phantasie und dem Reich der harten Materie, der Realität, der Physik. Es ist eine Brücke aus dünner Luft und einer Stimme, die selbst nicht ganz greifbar ist, die die Möglichkeiten mit der Manifestation verbindet.

Das Erste, was jemals erschaffen wurde, war das Licht. Von allen Dingen ausgerechnet war das Licht der erste Schritt der Schöpfung. Warum? Licht ist eine kraftvolle Metapher für den kreativen Prozess. So wie das Licht die Dinge offenbart und sichtbar macht, beinhaltet der Akt der Schöpfung die Enthüllung und das Hervorbringen der Elemente des Universums aus einem Zustand verborgenen Potenzials.  Die Qualitäten des Lichts ähneln auch den Qualitäten der Worte, es ist ebenfalls nicht greifbar und befindet sich in einem Zwischenzustand zwischen Materie und Geist.

Auch in der Kabbala, dem mystischen Bereich des jüdischen Denkens, ist der Begriff des göttlichen Lichts von zentraler Bedeutung. Rabi Issak Luria lehrt, dass das göttliche Licht die erste Emanation (Ausstrahlung) aus der Unendlichkeit ist und das Potential der gesamten Schöpfung in sich trägt. Es enthält zehn "Sefirot" oder Emanationen, die wie Gefäße die göttliche Energie kanalisieren und enthalten.

Luria führte die Idee einer kosmischen Katastrophe ein, die als "Zerbrechen der Gefäße" bekannt ist. Die Gefäße waren nicht in der Lage, die Intensität dieses Lichts zu halten und zerbrachen, wodurch eine zersplitterte und unvollkommene Welt entstand. Durch diesen Bruch wurden Funken des göttlichen Lichtes in die ganze Schöpfung gestreut.

Es wird angenommen, dass menschliche Handlungen, insbesondere gute und spirituelle Handlungen, dazu beitragen, diese verstreuten Funken zu sammeln und zu reparieren, was zur kosmischen Erlösung und zur Wiederherstellung der göttlichen Harmonie führt.

Die Erschaffung der Welt mit Worten war nach sechs Tagen abgeschlossen. Der siebte Tag, der Sabbat, ist ein Ruhetag. Die chassidische und kabbalistische Lehre besagt, dass der Akt der Ruhe am Schabbat und der Verzicht auf bestimmte Tätigkeiten, den Empfang des göttlichen Lichtes ermöglicht. Das Anzünden der Schabbatkerzen, das Segnen von Wein und Challah gelten als Handlungen, die das göttliche Licht ins Haus und in die Seelen einladen.

Der Schabbat ist eine besondere Zeit, in der ein verstärktes göttliches Licht oder eine spirituelle Erleuchtung in die Welt kommt. Während des Schabbats dringt eine zusätzliche, erhöhte Ebene der göttlichen Gegenwart in unsere Seele ein, sodass wir unser eigenes Licht und das Licht des Göttlichen stärker spüren und uns miteinander verbinden können. So können wir am Schabbat einen Vorgeschmack davon bekommen, wie die Welt sein könnte, wenn wir nicht die Sorgen des Alltags hätten.

Und in diesem Sinne wünsche ich uns allen einen Schabbat voller Licht und Frieden. Schabbat Schalom!

Zur Person: Michal NatovichMichal Natovich wurde 1979 in Israel geboren und wuchs in einer modernen orthodox-jüdischen Familie auf. Sie studierte Literatur auf Lehramt und arbeitete nach ihrem Diplom-Abschluss mehrere Jahre als Lehrerin für Hebräische Sprache und Literatur an einer israelischen Schule.

Seit 2012 wohnt sie mit ihrer Familie in Leipzig. Dort war sie als Hebräisch-Dozentin in verschiedenen Institutionen tätig.

Seit 2020 arbeitet sie als Lehrerin für Jüdische Religion in Leipzig und Dresden.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 13. Oktober 2023 | 15:45 Uhr