Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio

Religion & Gesellschaft

KalenderGottesdiensteJüdisches LebenKontakt

Schabbat Schalom mit Rabbinerin Esther Jonas-MärtinLech Lecha - Taten sagen mehr als Worte!

26. Oktober 2023, 11:02 Uhr

Recht und Gerechtigkeit fallen nicht einfach vom Himmel. Ein gerechtes Leben zu führen bedeutet Arbeit und muss eingeübt werden, meint die Leipziger Rabbinerin Esther Jonas-Märtin in ihrer Auslegung des Wochenabschnitts "Lech Lecha".

Die dritte Paraschah des neuen Jahres 5784 trägt den Namen Lech Lecha "Geh für dich selbst". 

Lech Lecha beschreibt die Entwicklung Abrams hin zu Abraham, hinein in die Rolle, die G‘tt für ihn vorgesehen hat: ein Samenkorn zu sein für ein neues Volk, dessen Werte tief verwurzelt sind in Recht und Gerechtigkeit (Genesis 18:19).

"Und Gott sprach zu Abram: Ziehe aus von Deinem Lande, von deiner Verwandtschaft und aus dem Hause deines Vaters in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich will dich zu einem großen Volke machen, dich segnen und deinen Namen groß werden lassen; und du selbst sollst ein Segen sein. Ich will segnen, die dich segnen, wer dir flucht, dem will ich fluchen, und du sollst ein Segen für alle Völker der Erde sein." (Gen.12:1-3).

"Und du sollst ein Segen für alle Völker sein" - eine kryptische Aussage für den werdenden Anführer und für uns. Was genau meint das, "ein Segen sein"?

So wie sich die Paraschah entfaltet, so erfahren wir mehr über die Entwicklung Abrams  hin zu seiner künftigen Rolle. Seine Entwicklung zeigt uns, was es meint, für Recht und Gerechtigkeit zu stehen, "ein Segen zu sein". Seine Entwicklung zeigt uns, dass Recht und Gerechtigkeit nicht einfach vom Himmel fallen, sondern erarbeitet und eingeübt werden müssen.

Abram verändert sich

Es gibt eine entscheidende Veränderung im Tora-Teil, wenn wir sehen, dass Abram beginnt, sowohl innerlich als auch äußerlich Recht und Gerechtigkeit zu verkörpern. Öffentlich wird dies durch seinen mutigen und rechtschaffenen Umgang mit ausländischen Königen in Kriegszeiten.

Abraham handelt völlig selbstlos, wenn er Truppen organisiert, um seinen Neffen Lot aus der Gefangenschaft zu befreien und gestohlene Reichtümer an benachbarte Könige zurückzugeben. König Malki-Zedek bietet ihm eine große Belohnung für die militärische Leistung an, doch Abram lehnt das Geschenk ab (14:21-24). Seine Absicht war es, Gerechtigkeit zu üben, nicht Profit zu machen – ein krasser Gegensatz zu seinem Verhalten in Ägypten.

Abrams öffentliche und persönliche Reife wird sehr poetisch am Ende der Paraschah bestätigt. G‘tt ergänzt einen Buchstaben, einen Buchstaben, der für G’tt selbst steht: aus Abram wird Abraham. Nach dem Upgrade des Namens wird durch die Beschneidung auch noch der  intimste Teil des Körpers verändert. Diese zweifache Transformation, öffentlich und privat, spiegelt sein Wachsen hinein die Führungsrolle und auch als Ehemann.

Ein gerechtes Leben zu führen bedeutet Arbeit

Entsprechend unserem Text Lech Lecha gehören öffentlich und privat unabdingbar zusammen. Nur wenn wir sowohl in unserem persönlichen Bereich als auch im öffentlichen Kontext Recht und Gerechtigkeit kultivieren, wenn wir privat und politisch gerecht handeln, dann setzen wir die Bühne dafür, dass wir ein gerechtes Leben leben. All unsere Aktionen, alles Handeln gehören zusammen, sind Teil dessen, was wir in der Welt sein sollten. Alle unsere Aktionen, alles Handeln kann uns - wie uns die Entwicklung von Abram zu Abraham lehrt - zum Segen für andere werden lassen.

Taten sagen mehr als Worte!

Schabbat Schalom!

Zur Person: Rabbinerin Esther Jonas-MärtinEsther Jonas-Märtin studierte Jüdische Studien, Literaturwissenschaft, Moderne Geschichte und Religionswissenschaften in Leipzig und Potsdam und erwarb 2006 den Master of Arts.

2017 schloss sie ihr Studium zur Rabbinerin mit dem Master of Arts in Rabbinics und der Rabbinischen Ordination in Los Angeles ab.

Sie ist Initiatorin und Gründerin des Lehrhauses Beth Etz Chaim in Leipzig (2018) sowie Referentin und Autorin einer Vielzahl von Artikeln und Beiträgen in den Themenbereichen: moderne jüdische Geschichte, Gender, Jiddische Poesie, Jüdische Ethik und Judentum.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

Mehr über Schabbat Schalom im MDR

Mehr zum Judentum und Gemeinden in Mitteldeutschland

Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | 27. Oktober 2023 | 15:45 Uhr

Mehr aus Religion und Gesellschaft im MDR