Angst vor "Brexit" Tusk will Briten Sozialkürzungen für EU-Bürger erlauben

19. Juli 2019, 13:46 Uhr

Die EU will Großbritannien weitere Ausnahmen und Sonderregelungen zugestehen, um einen Austritt des Landes aus der Europäischen Union zu verhindern. Wie EU-Gipfelchef Donald Tusk am Dienstag in Brüssel mitteilte, gehört dazu auch eine "Notbremse", die es den Briten bei besonders starker Zuwanderung erlaubt, bestimmte Sozialleistungen für EU-Bürger für bis zu vier Jahre zu beschränken, zum Beispiel den Anspruch auf Sozialwohnungen und Lohnaufstockungen.

Zudem wird London laut dem von Tusk vorgestellten Text in Aussicht gestellt, dass die Rechte von Nicht-Euro-Staaten geschützt sowie die Rolle nationaler Parlamente und die Wettbewerbsfähigkeit gestärkt werden sollen. In dem Papier wird auch klargestellt, dass Großbritannien nicht verpflichtet ist, sich politisch weiter in die EU zu integrieren.

Geplante Volksabstimmung über EU-Zugehörigkeit

Der EU-Ratspräsident reagierte damit nach wochenlangen Hinterzimmer-Verhandlungen offiziell auf Forderungen des britischen Premiers David Cameron. Der Konservative will seine Landsleute möglicherweise noch in diesem Jahr über den Verbleib in der EU abstimmen lassen, spätestens 2017. Falls die Abstimmung scheitern sollte, käme es zum gefürchteten "Brexit", dem Austritt Großbritanniens aus der EU. Vor der Volksabstimmung will Cameron eine Reform der EU durchsetzen.

Tusk sprach von einer "guten Grundlage für einen Kompromiss". Der Vorschlag an Großbritannien gehe "wirklich weit", um die Bedenken Camerons aufzugreifen. Prinzipien, auf denen das europäische Vorhaben errichtet sei, würden gleichzeitig aber nicht verletzt, erklärte der Pole.

EU-Staats- und Regierungschefs entscheiden später

Es handelt sich bisher aber nur um einen Vorschlag Tusks. Die EU-Staats- und Regierungschefs aller 28 EU-Staaten werden erst beim EU-Gipfel am 18. und 19. Februar in Brüssel über den Text verhandeln. Ob bei dem Spitzentreffen schon ein Kompromiss gelingt, ist offen.

Der EU-Ratspräsident, der den Vorschlag am Dienstag zur Prüfung an die anderen EU-Mitgliedstaaten schickte, sagte weiterhin anspruchsvolle Verhandlungen voraus: "Nichts ist vereinbart, bis alles vereinbart ist."

Graf Lambsdorff kritisiert Diskriminierung von Nicht-Briten in der EU

Der Vizepräsident des EU-Parlaments, Alexander Graf Lambsdorff, hält die vorgeschlagenen Sonderregeln für Großbritannien für falsch. Der FDP-Politiker sagte MDR INFO, durch die getroffenen Vereinbarungen würden EU-Bürger gegenüber Briten diskriminiert. So etwas gehe gar nicht. Die Arbeitnehmer-Freizügigkeit sei eine grundlegende Errungenschaft der Europäischen Union.

Zuvor hatte der britische Premier David Cameron den Vorschlag von Tusk gelobt, zugleich aber Nachbesserungen gefordert. Der Entwurf aus Brüssel bedeute einen "echten Fortschritt" in allen vier Bereichen, in denen Großbritannien Reformen verlange, schrieb Cameron im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Es muss aber noch mehr getan werden."

"Brexit"-Befürworter bezeichnen den Vorschlag als "leeres Versprechen"

Britische Befürworter eines EU-Austritts wiesen die Reformvorschläge als völlig ungenügend zurück. Der ehemalige Verteidigungsminister Liam Fox meinte, die ohnehin begrenzten britischen Forderungen seien "von der EU in jedem Bereich verwässert worden". Die Vorschläge würden den Willen der Briten bei weitem nicht widerspiegeln. Es handele sich um leere Versprechen." Die Briten wollen die Kontrolle zurück haben die Vorherrschaft des EU-Rechts über unsere Wirtschaft, unsere Grenzen und unser Parlament beenden."