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Vor allem junge Männer waren von den Entzündungen der Herzmuskeln nach einer Impfung gegen Corona betroffen. Bildrechte: IMAGO / Zoonar

Covid-19Forscher: Ursache für Myokarditis nach Corona-Impfung im Immunsystem von Jungen

08. Mai 2023, 09:49 Uhr

Myokarditis kann eine seltene, aber schwere Nebenwirkung einer Impfung gegen Corona sein. Betroffen sind vor allem junge Männer. Jetzt haben US-Forschende die Auslöser gefunden. Impfantikörper waren es nicht.

Sind die innerhalb eines Jahres entwickelten Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 wirklich sicher? Diese Frage haben sich Menschen in den vergangenen beiden Jahren gestellt. Spätestens nachdem bekannt wurde, dass sich bei einigen Geimpften eine Entzündung des Herzmuskels (Myokarditis) oder des Herzbeutels (Perikarditis) entwickelt hatte, gab es starke Zweifel daran, dass die Impfungen für alle Personengruppen unbedenklich ist. Denn besonders junge Männer im Alter von 13 bis 29 Jahren waren am häufigsten betroffen, wenngleich auch alle Fälle relativ mild verliefen, meist von selbst abheilten und niemand daran starb.

Jetzt haben US-Forschende in einer umfassenden Untersuchung die zugrundeliegenden Abläufe im Immunsystem der Betroffenen analysiert. Wichtigstes Ergebnis: Weder das Antigen des Impfstoffs – das Spikeprotein des Sars-Coronavirus-2 – noch die durch die Impfung gebildeten Antikörper sind ursächlich für die Entzündungsreaktion. Stattdessen handelt es sich um eine grundsätzliche Überreaktion von besonders starken Immunsystemen. Und die Gefahr einer solchen Überreaktion kann durch ein verändertes Impfschema deutlich gesenkt werden.

35,9 Fälle pro 100.000 Impfungen: Männliche Jugendliche tragen Hauptrisiko für Myokarditis

Eine Myokarditis nach einer Covid-19-Impfung ist relativ selten. In Deutschland beobachtete das zuständige Paul-Ehrlich-Institut 1,33 Fälle pro 100.000 Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Biontech und 1,46 Fälle pro 100.000 Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Moderna. In Israel, wo ausschließlich Biontech eingesetzt wurde, waren es 2,7 Fälle pro 100.000 Impfungen.

Doch das Risiko ist stark unterschiedlich verteilt. Daten der US-amerikanischen Behörde CDC zeigen, dass 12- bis 17-jährige Jungen das größte Risiko tragen, ganz besonders nach der zweiten Impfung. Hier wurden 35,9 Fälle pro 100.000 Impfungen beobachtet. Das ist deutlich mehr, als in früheren Studien berichtet wurde.

Zytokine waren Hauptauslöser der Entzündungen

Warum also zeigt sich die Nebenwirkung vor allem bei Jungen, wollte ein Team um die Immunologinnen Akiko Iwasaki und Carrie Lucas von der Yale-University in den USA wissen. Sie nahmen Blut- und teilweise auch Plasmaproben von insgesamt 20 Jungen und drei Mädchen im Alter von 13 bis 21 Jahren, die nach einer Corona-Impfung an Myokarditis erkrankt waren. Bei allen Betroffenen war die Nebenwirkung durch bildgebende Verfahren wie MRT oder Röntgen bestätigt und die Auswirkungen auf das Herz genau untersucht worden.

Gerade die Plasmaproben erwiesen sich als besonders wertvoll, denn mit ihrer Hilfe ließ sich die Immunreaktion auf die Impfung sehr genau rekonstruieren. Dabei zeigte sich, dass spezifische Botenstoffe, mit denen das Immunsystem Entzündungen auslöst, deutlich erhöht waren, im konkreten Fall die beiden Zytokine IL-15 und IL-1. Dadurch wurden verstärkt bestimmte Immunzellen gebildet, die zytotoxisch waren, also die Herzmuskelzellen angriffen. Zudem wurden auch bestimmte Makrophagen aktiviert, die ebenfalls zu den Immunzellen gehören und die angegriffenes Gewebe reparieren, verstärken und dadurch zur Bildung von Narben beitragen können.

Größerer Abstand zwischen Impfungen reduziert Myokarditis-Risiko

Beide Typen von Immunzellen seien laut der Analyse nicht durch ein spezifisches Antigen – etwa das Spikeprotein von Corona – aktiviert worden. Sondern es habe vielmehr ein breites Signal gegeben, durch die Zytokine, also die entzündungsauslösenden Botenstoffe. Die Reaktion sei also keine allergische Reaktion auf den Impfstoff gewesen und auch keine Folge von Antikörpern, deren Bildung durch die Impfung ausgelöst wurde, so die Autoren der Studie. Vielmehr handelte es sich um eine allgemeine Überreaktion der sehr starken, weil jungen Immunsystem der jungen Männer.

Daraus schließen die Mediziner, dass sich das Risiko für eine Myokarditis in der Risikogruppe deutlich senken lässt, wenn ein größerer Abstand zwischen der ersten und der zweiten Impfung gelassen wird. Schon bei acht, statt wie bisher empfohlen vier Wochen, könne die Rate deutlich gesenkt werden.

Vorhersage von Myokarditis-Risiko weiter nicht möglich

Ob es bestimmte Biomarker gibt, an denen sich bereits vor einer Impfung ein erhöhtes Risiko für Myokarditis ablesen lässt, können allerdings erst weitere Studien zeigen. Autorin Akiko Iwasaki betonte bei einer Pressekonferenz zudem: "Der beobachtete Effekt tritt nicht nur bei den mRNA-Impfstoffen auf. Es gibt eine gut erforschte, ähnliche Reaktion bei einem Windpocken-Impfstoff. Der hatte sich damals bei Angehörigen der Armee gezeigt." Dabei war ein sogenannter Proteinimpfstoff eingesetzt worden, der Eiweiße des Windpockenerregers Herpes enthielt.

Links/Studien

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | BRISANT | 29. November 2022 | 18:10 Uhr

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