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Uff, das ist zu eng. Bildrechte: IMAGO / photothek

VerkehrspsychologieAuto und Fahrrad: Beim Überholen oft zu dicht dran

06. August 2022, 12:00 Uhr

Einskommafünf Meter – so viel Abstand müssen Autofahrende beim Überholen von Fahrrädern halten. Überwiegend passiert das nicht, zeigt eine neue Studie. Und auch, dass die gefühlte Sicherheit so manchmal trügerisch ist.

Leipzig-Schleußig, Kö: Die Vorzeige-Chaussee und Pulsschlagader im inneren Südwesten der Stadt überzeugt nicht nur mit geschlossener Gründerzeitbebauung, sondern auch mit einem mittlerweile geschlossenen Radstreifen. Und einer Geschwindigkeitsbegrenzung von dreißig Stundenkilometern, zumindest so im Großen und Ganzen. Im Kiez dürfte das behagen, der Besitz an Drahteseln könnte den von Personenkraftwagen deutlich übertreffen.

Denn immerhin tragen Geschwindigkeitsbegrenzungen und abgetrennte Radwege zu einem gesteigerten Sicherheitsgefühl bei Fahrradfahrenden bei. Das ist nicht nur eine berechtigte Annahme, sondern auch das Ergebnis von Forschenden aus Freiburg im Breisgau, die das gefühlte Sicherheitsgefühl im Sattel mit der tatsächlich gegebenen Sicherheit verglichen haben.

Trügerische Sicherheit, trügerischer Abstand

Genau die lässt sich mit Hilfe von Sensoren belegen, die die Abstände zwischen Auto- und Radfahrenden bei Überholvorgängen messen. Ergebnis: Diese Abstände sind bei 30 km/h nicht größer als an Orten mit höherer zulässiger Geschwindigkeit und ohne Radweg – an denen subjektiv ein eher geringeres Sicherheitsempfinden herrscht. Im Gegenteil: In den mutmaßlich sicheren Straßenzügen sind die Abstände teilweise sogar geringer.

Falls es mal jemand vergessen sollte: Dieses Radschild in Tübingen weist schon mal vorsorglich drauf hin. Bildrechte: IMAGO / ULMER Pressebildagentur

"Vor allem in verkehrsberuhigten Straßen und auf Fahrradstreifen werden Radler*innen dichter überholt, als sie das selbst erwarten", so Studienautor Rul von Stülpnagel. Insgesamt hielten sich nicht mal ganz ein Drittel der Autos an den gesetzlichen Mindestabstand von 1,5 Metern. "Unsere Ergebnisse sprechen nicht gegen Geschwindigkeitsbegrenzungen und Radstreifen", betont von Stülpnagel. Niedrigere Geschwindigkeiten würden die Folgen von Unfällen verringern und Radstreifen die Sichtbarkeit der Zweiräder erhöhen. Gerade die müssten aber wann immer möglich so breit gebaut werden, dass Kfz-Führende automatisch den Sicherheitsabstand einhielten.

Ergebnisse, die höchstwahrscheinlich nicht nur für den Verkehr im Südwesten der Republik Anwendung finden. Konkrete Zahlen zu Mitteldeutschland sind zumindest schon in der Pipeline: Das im vergangenen Jahr gestartete Forschungsprojekt Space2Ride (dt. etwa: Platz zum Radeln), an dem u.a. die TU Dresden und die Stadt Leipzig beteiligt sind, sucht ebenfalls nach Engpässen im Straßenverkehr. Auch hier mit Technik am Drahtesel – eine von einem mitteldeutschen Startup entwickelte Dashcam soll Überholvorgänge aufzeichnen.

Wohlweislich trägt unterm Strich das Fahrverhalten aller Verkehrsteilnehmenden zu einem berechtigten oder unberechtigten Sicherheitsgefühl bei. Im Falle eines Falles sind die Motorisierten aber die Stärkeren. Die neuen Studien könnten dazu beitragen, dass nicht nur auf Gründerzeit-Magistralen seltener David mit Goliath konfrontiert wird.

flo

Links/Studien

Für die Studie Cars overtaking cyclists on different urban road types–Expectations about passing safety are not aligned with observed passing distances wurden insgesamt 385 Radfahrerende befragt, es wurden 632 Überholvorgänge an 73 Orten in Freiburg gemessen.

DOI: 10.1016/j.trf.2022.07.005