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Was für eine Diskrepanz! Kindern etwas beibringen und dabei zusehen müssen, wie sie schneller begreifen als man selbst. Bildrechte: imago/Westend61

NeurologieKinder lernen schneller als Erwachsene – jetzt wirklich!

15. November 2022, 17:00 Uhr

Kindern ist eine größere Auffassungsgabe vergönnt als Erwachsenen, sie begreifen besser, lernen schneller – das war bis jetzt eher eine gefühlte Wahrheit. Forschende haben aber einen Botenstoff entdeckt, der wirklich etwas mit der Annahme zu tun haben könnte und Kindern zumindest das visuelle Lernen erleichtert.

Mit der Bratsche in den Fünfzigern anfangen, Portugiesisch lernen in den Sechzigern – oder sich einfach mal in diese ganze smarte Technik reinknien, eben auch mit siebzig. Die Binse, wir würden ein Leben lang lernen, wird gern mit der Annahme verknüpft, dass das für Erwachsene eine größere Herausforderung sei als für ihre Zöglinge. Mit wenig wissenschaftlichem Rückhalt. Schließlich genügt schon die stets gegenwärtige Annahme, für das Lernen einer neuen Sprache zu alt zu sein, damit es sich möglicherweise wirklich mühsamer anfühlt.

Das Diagramm zeigt, wie nach den Lernintervallen der GABA-Spiegel bei Kindern schnell ansteigt, während sich der Spiegel bei Erwachsenen nur sehr langsam erhöht. Bildrechte: Current Biology/Frank et al., MDR WISSEN

Sollten Sie diesbezüglich anfällig sein, hören Sie auf, hier zu lesen und lernen Sie lieber weiter. Andernfalls sei gesagt, für die wissenschaftliche Rückendeckung ist jetzt gesorgt. Forschende der renommierten Brown-Universität im US-amerikanischen Providence haben sich dazu einen Botenstoff im Gehirn näher angesehen, den lautmalerischen GABA, auch γ-Aminobuttersäure genannt – ein geläufiger Neurotransmitter bei Lebewesen.

Die Forschenden im Bundesstaat Rhode Island wollten herausfinden, wie sich der GABA-Spiegel vor, während und nach dem Lernen verändert. Außerdem wollten sie erkunden, wie sich dies bei Kindern und Erwachsenen unterscheidet. Die Forschenden unterzogen Alt und Jung zunächst dem gleichen visuellen Training und stellten fest, dass während der Lernphase bei den Kids der GABA-Spiegel anstieg, während sich bei den Erwachsenen nichts tat. Der Anstieg passierte im visuellen Kortex, dem Gehirnbereich, der visuelle Informationen verarbeitet, und hielt auch nach dem Training an.

Kids stabilisieren schneller

"In anschließenden Verhaltensexperimenten fanden wir heraus, dass Kinder das Gelernte tatsächlich viel schneller stabilisieren als Erwachsene, was mit der weit verbreiteten Annahme übereinstimmt, dass Kinder in ihrer Lernfähigkeit besser sind als Erwachsene", sagt Sebastian M. Frank, jetzt an der Universität Regensburg. "Unsere Ergebnisse deuten daher darauf hin, dass GABA eine Schlüsselrolle dabei spielt, dass Kinder effizient lernen können."

"Obwohl die Gehirne von Kindern noch nicht vollständig ausgereift sind und viele ihrer Verhaltens- und kognitiven Funktionen nicht so effizient sind wie bei Erwachsenen, sind Kinder im Allgemeinen nicht in ihren Fähigkeiten von Erwachsenen übertroffen", so Takeo Watanabe von der Brown-Universität. "Im Gegenteil, Kinder sind, zumindest in einigen Bereichen wie dem visuellen Lernen in ihren Fähigkeiten den Erwachsenen überlegen".

Damit ist es wahrscheinlich, dass Kinder einfach schneller lernen als Erwachsene. Die sollten – Eltern wie Lehrkräfte –, statt neidisch auf die Nachkommen zu blicken, ihnen am besten den Raum geben, möglichst viel Neues zu erkunden, "sei es beim Lernen des Einmaleins oder beim Fahrradfahren", so die Forschenden. Details sollen in Zukunft weiter untersucht werden – auch, wie es sich bei anderen Formen des Lernens verhält. Zum Beispiel bei einem echten Klassiker, dem Lesen und Schreiben.

flo

Links/Studien

Die Studie Efficient learning in children with rapid GABA boosting during and after training erschien am 15. November 2022 im Fachjournal Current Biology.

DOI: 10.1016/j.cub.2022.10.021

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