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Waldbrände durch Hitze: El Niño könnte neue Temperaturrekorde bringen. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

KlimawandelEl Niño: Erde steuert 2023 oder 2024 auf neuen Hitzerekord zu

21. April 2023, 16:46 Uhr

Die acht Jahre seit 2015 waren die wärmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Dieses oder kommendes Jahr drohten die Temperaturen wegen des El Niño-Phänomens einen neuen Rekord zu erreichen.

Es ist die Woche der schlechten Klimanachrichten: Am Montag hat der Klima-Expertenrat der Bundesregierung festgestellt, dass Deutschland seinen Klimazielen in den wichtigen Sektoren Gebäude und Verkehr mächtig hinterherhinkt. Bei Autos, Lkw und Flugreisen ist nicht mal eine Minderung der Emissionen in Sicht. Am Donnerstag hat der europäische Satellitendienst Copernicus dann festgestellt, wie katastrophal warm und trocken 2022 in Europa war.

Und jetzt am Freitag folgt die UN Weltorganisation für Meteorologie (WMO) mit ihrem Klimazustandsbericht. Dessen wichtigste Botschaft: Alle acht Jahre seit 2015 waren die wärmsten Jahre der Aufzeichnungen. 2022 hat zwar keinen neuen Temperaturrekord aufgestellt. Doch nie zuvor sind die Meereisflächen in der Arktis derart geschrumpft. Auch die Alpen, der Himalaya und alle anderen Hochgebirge verlieren ihre Gletscher im Rekordtempo, genau wie das Eis in Grönland und am Nordpol langsam schwindet. In den kommenden Jahren aber könnte die globale Erwärmung nun einen neuen gewaltigen Sprung nach oben machen. Klimaexperten sind sich einig: Ein "El Niño" steht bevor. Das Strömungsmuster steht für heiße Phasen.

80 Prozent Chance, dass El-Niño dieses Jahr beginnt

In den vergangenen drei Jahren hätte das Strömungsmuster "La-Niña" eigentlich vergleichsweise kühlere Temperaturen bringen sollen. Doch das blieb weitgehend aus, beobachtete unter anderem Karsten Friedrich vom Deutschen Wetterdienst: "Trotz einer nun schon drei Jahre andauernden La-Niña-Phase bewegen sich die globalen Mitteltemperaturen auf einem sehr hohen Niveau", sagt der Klimaforscher. Nun ändern sich die Strömungsmuster und El Niño kündigt sich an.

Davor warnt auch Helge Goessling, Klimawissenschaftler vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung. "Gemäß aktueller Vorhersagen ist es mit über 80 Prozent recht wahrscheinlich, dass sich im Laufe des Jahres El-Niño-Bedingungen einstellen", sagt er. "El Niño geht mit warmen Meeresoberflächentemperaturen in weiten Teilen des tropischen Pazifiks einher und hat so unmittelbar deutlichen Einfluss auf die global gemittelte Temperatur. Es könnte daher gut sein, dass 2023 oder 2024 neue globale Rekorde erreicht werden."

Ohne Vulkanausbruch droht 2024 die 1,5 Grad-Grenze zu überschreiten

Karsten Haustein, Wissenschaftler am Leipziger Institut für Meteorologie, glaubt, dass El Niño schon in diesem Jahr erstmals seit 2015/2016 wieder auftreten kann. "Das bedeutet, dass 2023 theoretisch das wärmste Jahr werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass 2024 mit Abstand neues wärmstes Jahr wird, ist jedoch um ein Vielfaches gestiegen."

Haustein schätzt, dass nur noch ein starker Vulkanausbruch in tropischen Breiten genug Staub in die Atmosphäre befördern könnte, um genug Sonnenenergie abzublocken, so dass neue Rekordtemperaturen abgewendet werden. Ansonsten sei "durchaus denkbar, dass 2024 nicht nur wärmstes Jahr wird, sondern auch die 1,5-Grad-Grenze zum ersten Mal auf Jahresbasis global überschritten wird."

Eisfreie Alpen bis 2100 möglich – Folgen für Trinkwasser in Norditalien dramatisch

Da es der Menschheit bislang nicht gelingt, auch nur das Wachstum der Emissionen zu bremsen, sieht Haustein dramatische Konsequenzen auf Europa zukommen. "Je nach Emissionsszenario – das heißt, wie viele Treibhausgase wir in den kommenden Jahrzehnten noch in die Atmosphäre blasen – werden die europäischen Alpen spätestens 2100 weitgehend gletscherfrei sein."

Eisfreie Alpen aber bedeuten, dass die bisherige Trinkwasserversorgung in Norditalien versiegt und mit enormem Aufwand technisch sichergestellt werden muss. Ökosysteme in dieser Region hingegen drohen zu vertrocknen. Auch in Deutschland werden die Folgen deutlich sein. So könnte die Schifffahrt auf dem Rhein, der sich zum Großteil aus Schmelzwasser aus den Alpen speist, langfristig sehr schwierig werden.

In den Tropen wird El Niño die deutlichsten Folgen haben

"Im letzten Winter gab es bei den alpinen Gletschern einen Verlust von bis zu sechs Metern Eisdicke. Wenig Neuschnee im Winter, Saharastaub im Frühjahr und hohe Temperaturen im Sommerhalbjahr waren dafür verantwortlich", sagt DWD-Klimatologe Friedrich. "Viele große europäische Flüsse wie Po, Rhein und Rhone sind auf das Schmelzwasser der Alpen angewiesen. Die Wasserarmut des Pos hat in Norditalien eine extreme Dürre verursacht, in deren Folge die Landwirtschaft starke Einbußen verzeichnen musste."

Wann genau El-Niño beginnt, ob dieses oder kommendes Jahr, können Forschende derzeit nicht genau sagen. Auch nicht, wie die Auswirkungen auf Europa sein werden. "El Niño erzeugt je nach Jahreszeit typische Fernwirkungsmuster in Temperatur und Niederschlag. Diese sind am robustesten in den Regionen, die an den tropischen und subtropischen Pazifik angrenzen", schätzt Andreas Fink ein. Er ist Professor für Meteorologie am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Das bedeutet, dass vor allem die Auswirkungen auf Gletscher in den Anden und den Rocky Mountains am deutlichsten sein könnten.

Links/Studien

(mit Material des Science Media Centers Deutschland)

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | 21. April 2023 | 15:30 Uhr

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