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LichtverschmutzungAuf der Erde gibt's keinen dunklen Ort mehr

31. März 2021, 14:30 Uhr

Die Antarktis, Namibia oder Brandenburg – eigentlich konnten wir uns sicher sein: Wenn uns das Licht auf die Nerven geht, irgendwo auf der Erde gibt es noch dunkle Ecken. Eine neue Studie legt nahe: Nein, so richtig dunkel wird es auf unserem Planeten nirgendwo mehr. Schuld sind aber nicht die Großstädte.

Licht von unten – und jetzt auch noch von oben: Orte mit ungestörtem Blick in den Weltraum werden seltener. Bildrechte: imago images/Cavan Images

Sind Sie eher der Typ lichtdichtes Schlafzimmer oder darf noch ein bisschen Straßenlaternenlicht in die Kammer schimmern? Sollten Sie ersterer Gruppe angehören und beim kleinsten Lichtstrahl kein Auge zudrücken können: Vielleicht brauchen Sie bald noch dickere Vorhänge oder zumindest eine dicke Decke überm Kopf. Daran ist zum Beispiel Elon Musk schuld. Der Technikpionier ist nicht nur einer der statistisch wohlhabendsten Menschen der Erde, sondern auch eine große Leuchte. Nicht nur in technischer Hinsicht. Aber der Reihe nach.

Aufmerksame MDR WISSEN-Mitlesende wissen: Lichtverschmutzung ist ein lästiges Übel der modernen Zivilisation und kann sich nicht nur auf unsere Schlafqualität auswirken, sondern auch auf die von Tieren. Trotzdem, es gibt sie ja noch, die richtig dunklen Ecken. Die dünn besiedelte Mongolei in Ostasien zum Beispiel, das fast genau so dünn besiedelte Namibia im südlichen Afrika oder eben Brandenburg. Im 160-Seelen-Dorf Gülpe im Havelland, unweit der Grenze zu Sachsen-Anhalt, schläft es sich wahrscheinlich besonders gut – der Ort gilt als der deutsche Ort mit der geringsten Lichtverschmutzung. Als Faustregel gilt: Dort, wo es Sternenguckerinnen und Sternengucker zum Sternegucken hinzieht, hält es sich mit menschlichem Licht in Grenzen.

Wenn's dunkel wird, sorgt auch die kleine Großstadt Jena für ordentlich Beleuchtung. Aber nicht nur menschliche Siedlungen tragen zur Lichtverschmutzung bei. Bildrechte: imago images/Christoph Worsch

Nicht die Megastädte sind das Problem

Doch genau solche Beobachtungen sind gestört – und zwar überall auf der Erde. Es gibt auf unserem Planeten keinen Ort mehr, der nicht durch Fremdlicht verschmutzt ist. Für uns ist das noch nicht so richtig wahrnehmbar, in der astronomischen Forschung sieht das aber anders aus. Der Grund ist nicht, dass die Groß- und Megastädte auf der Welt so viel Licht abgeben, dass es für den gesamten Globus reicht. Schuld ist das Sonnenlicht. Oder besser gesagt: Viele Satelliten und Weltraumschrott, die um unseren Planeten kreisen und das Sonnenlicht reflektieren. Es entsteht ein orbitales Streulicht, das die Nächte bis zu zehn Prozent heller macht.

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Diese Erkenntnisse – die schon vergangenes Jahr befürchtet wurden – hat ein internationales Forschungsteam jetzt im Fachblatt Monthly Notices of the Royal Astronomical Society veröffentlicht. Der Effekt trete auch dann auf, wenn die einzelnen Satelliten gar nicht sichtbar wären. Unsere Sicht auf ferne Galaxien würde so trotzdem eingeschränkt werden. Schade, wo wir doch immer besser im Weltraumweitgucken werden. "Da der Weltraum immer überfüllter wird, wird dieser Effekt mehr zunehmen und nicht weniger werden", sagt der Astronom John Barentine im Fachjournal Science. Die Erkenntnisse seien eine Art Augenöffner.

Es wird immer heller – durch Starlink und Co.

Barentine sagt das vor dem Hintergrund von tausenden künstlichen Himmelskörpern, die noch gar nicht in den Orbit gelangt sind, aber dort demnächst hin sollen. Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX plant bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrzehnts insgesamt mehr als zehntausend Starlink-Satelliten in die Umlaufbahn zu bringen. Sie sollen unter anderem den Internetempfang auf dem Land verbessern. Aber nicht nur SpaceX, auch die Unternehmen OneWeb und Amazon sind mit von der Partie. Zwar ist es mittlerweile gelungen, die hellen Lichtspuren der SpaceX-Satelliten – neben der Lichtreflexion das zweite große Problem – zu reduzieren. Fest steht aber: Dunkler wird's am Firmament wohl kaum.

So viel Weltraumschrott! In dieser stilisierten Darstellung von 2008 zeigt sich: Das Zeug schwirrt wie eine Wolke um unseren Planeten. Die Objekte sind in Wirklichkeit natürlich kleiner. Bildrechte: ESA

Die neue Studie legt nahe, dass die Standards, die bereits 1979 von der Internationalen Astronomischen Union für die Standortwahl von Observatorien festgelegt wurden, nirgendwo auf der Welt mehr erfüllt seien. Für die Forschung bedeutet das: Weltraumbeobachtung wird aufwändiger und damit teurer. Und für Mensch und Tier: Erstmal noch nichts. Sollte die Lichtverschmutzung aber weiter zunehmen – und davon ist auszugehen – könnte davon auch unsere innere Uhr gestört werden – und nicht nur der Blick in den Himmel.

flo

Link zur Studie

Die Studie The proliferation of space objects is a rapidly increasing source of artificial night sky brightness erschien am 29. März 2021 im Fachjournal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society.

DOI: 10.1093/mnrasl/slab030

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