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MOSAiC-ExpeditionNordostpassage eisfrei: Das Arktiseis schmilzt immer schneller

29. Juli 2020, 09:30 Uhr

Das dünne Eis wird immer dünner: Noch nie haben Forschende einen so schnellen Rückgang von Meereis in der Arktis beobachtet. Ein Effekt, der einen weiteren nach sich zieht.

Das Team auf der Polarstern erlebt die Eisschmelze in der Arktis hautnah mit. Bildrechte: Alfred-Wegener-Institut

Möglicherweise hat sich das Gefühl eingeschlichen, nach zwei glühend heißen Sommern sei das Thema Klimawandel in diesen gemäßigten Hundstagen wieder vom Tisch. Dass es das nicht ist, würden Sie bemerken, wenn Sie mit dem Schiff von Europa über Russland nach Amerika reisen wollen würden: Das geht über die Nordostpassage durch das Nordpolarmeer, eine Route, die sich wachsender Beliebtheit erfreut. Wenn Sie dort entlangschippern wollen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Nummer eins – Sie wählen einen Eisbrecher und können den Weg zeitlich flexibel das ganze Jahr nehmen. Oder Möglichkeit zwei: Sie nehmen ein gewöhnliches Schiff und warten bis zum August, denn dann ist die Nordostpassage eisfrei.

Nordostpassage jetzt schon eisfrei

Im schlimmsten Fall wird es künftig eine dritte Möglichkeit geben: Sie nehmen das gewöhnliche Schiff und fahren damit wann Sie wollen, denn dann ist die Nordostpassage das ganze Jahr über eisfrei. So weit ist es noch nicht, trotzdem schlägt das Alfred-Wegener-Institut in Bremen Alarm: Das Eis auf dem nördlichen Seeweg hat sich dieses Jahr bereits Mitte Juli zurückgezogen, so dass die Passage jetzt schon geöffnet ist. Verantwortlich dafür im großen Ganzen ist der Klimawandel und im kleinen Speziellen ein besonders warmer Frühling an der ostsibirischen Küste. Im Mai und Juni waren die Temperaturen dort sechs Grad wärmer als im langjährigen Mittel, frühe Schneeschmelze und tauende Permafrostböden waren die Folge. Auch in der Laptewsee – so auf halber Strecke der Nordostpassage – und der ostsibirischen See ist das Eis schneller zurückgegangen. Derzeit ist es in der zentralen Arktis zehn Grad wärmer als der Mittelwert.

Bildrechte: MDR (Montage), Alfred-Wegener-Institut/Unveristät Bremen (Karte, Daten)

In der gesamten Arktis ist die Ausdehnung des Meereises derzeit 16 Prozent unter dem Mittelwert. Nein, nicht dem langjährigen Mittel, sondern dem der Jahre 2013 bis 2019. Das Meereisminimum ist aber erfahrungsgemäß erst im September erreicht. Damit stellt sich ein verheerender Rekord ein. Seit Beginn der Satellitenbeobachtungen war die Meereisausdehnung im Juli noch nie so dünn.

Fehlende Reflexion macht's noch wärmer

Forschende sehen die Entwicklung dieses Jahr zudem so detailliert wie nie zuvor. Grund dafür ist die internationale MOSAiC-Expedition, die vom Alfred-Wegener-Institut angeleitet wird und die größte Arktisexpedition aller Zeiten ist. Der Eisbrecher Polarstern lässt sich dazu ein Jahr lang mit dem Meereis treiben, u.a. um Daten über die Auswirkungen des Klimawandels zu erhalten. Auch die Auswirkungen des zeitigen Meereisrückgangs können auf diese Weise detailliert beobachtet werden. Zum Beispiel die Auswirkungen der geringen Albedo. Damit bezeichnet man die Reflexion der Sonnenstrahlen. Die Reflexion, also die Albedo, ist bei einem mit Eis bedeckten Meer normalerweise hoch. Die warmen Strahlen werden also zurückgeschickt – Sie kennen den Effekt bei weißer und schwarzer Kleidung an sonnigen Tagen. Das dunkle, eisfreie Meer reflektiert demnach viel weniger warmes Sonnenlicht (und nimmt es stattdessen auf), was die ohnehin warme Phase weiter begünstigt.

"Es wird sehr spannend sein, unsere umfangreichen Messungen vor Ort dementsprechend auszuwerten. Aktuell ist es höchst interessant zu beobachten, wie die MOSAiC-Scholle nahe der Eisrandzone schmilzt. Eine derartig konsequente Verfolgung des Schmelzens des Eises bis zum völligen Verschwinden gab es bislang noch nicht", erklärt Marcel Nicolaus vom Alfred-Wegener-Institut, der sich gerade auf den letzten Fahrtabschnitt der Expedition vorbereitet. In dieser wird das Schiff die Forschungsscholle bis zum Zerfall begleiten und dann den Prozess des Frierens in der Arktis beobachten. Noch ist aber Hochsommer im hohen Norden:

Heute haben wir bereits in 300 Meter über der Scholle Temperaturen von sage und schreibe 14 Grad Celsius gemessen und das Schmelzen ist im vollen Gange.

Marcel Nicolaus, AWI

flo

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