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Tag des BaumesSchützt die Alten: 400 Jungbäume ersetzen einen alten Baum

27. April 2023, 16:29 Uhr

Hunderte Jahre alte Bäume mit ihren massiven Stämmen und ihren riesigen Baumkronen sind nicht nur toll anzusehen, sie müssen auch besonders gut geschützt werden. Das ist das Ergebnis von Forschungen an der Technischen Universität Dresden zu sogenannten "Methusalembäumen". Denn Untersuchungen zeigten: Um die Umweltleistungen von nur einem solchen alten Baum zu ersetzen, sind etwa 400 Jungbäume notwendig. Altbäume müssten deshalb unbedingt unter besonderem Schutz stehen.

Der Tag des Baumes am 25. April soll darauf aufmerksam machen, wie wertvoll Bäume und Wälder für Mensch und Umwelt sind. Er wurde 1952 von der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald ins Leben gerufen, nachdem im Zweiten Weltkrieg sehr viel Wald verloren gegangen war. Dabei sind alte Bäume, die alle Kriege und Generationen überstanden haben, besonders wichtig für uns. Der Dresdner Forstwissenschaftler Prof. Andreas Roloff will diese alten "Methusalembäume" deshalb in diesem Jahr besonders ins Rampenlicht rücken.

400 Jungbäume für einen Senior

Der Forstauskenner mit einer großen Expertise für sehr alte Bäume, hat nämlich ein Forschungsergebnis errechnet, das ihn zunächst skeptisch machte, ob da nicht ein Rechenfehler vorliegt, zu gewaltig schien ihm die Summe. Doch auch nach mehrmaligem Nachrechnen mit unterschiedlichen Methoden blieb das Ergebnis gleich: Es braucht Roloff zufolge etwa 400 junge Bäume, um die Umweltleistungen eines Altbaums mit einem Kronendurchmesser von etwa 20 Metern zu ersetzen – konkret also um genauso viel Luft zu filtern, Schatten zu werfen, zu kühlen und CO2 zu speichern.

Die Zahl hat Roloff selbst überrascht, sagt er: "Auch mir war das Verhältnis in diesem Ausmaß so nicht bewusst." Das Forschungsergebnis mache aber umso deutlicher, wie viel mehr Altbäume in unserer Umgebung geachtet und gepflegt werden müssten. Sie dürften insbesondere nicht leichtfertig gefällt werden, um etwa Baufreiheit zu schaffen, betont der Forstwissenschaftler. Denn die derzeit bei Fällungen angeordneten Ersatzpflanzungen von ein bis drei Jungbäumen hätten allenfalls eine Alibifunktion.

Wie wird ein Baum 1.000 Jahre alt?

Forstwissenschaftler Roloff ist eher per Zufall auf diese Alt-Jungbaum-Gleichung gekommen. Der ehemalige Direktor des Direktor des Instituts für Forstbotanik und Forstzoologie sowie des Forstbotanischen Gartens in Tharandt forscht bereit seit vielen Jahren unter anderem auch zum Thema Baumalterung. Für die Dresdner StadtBaumtage – eine jährlichen Tagung – suchte Roloff für seinen Vortrag in diesem Jahr nach den Bedingungen und Faktoren, die Bäume 1.000 Jahre alt werden lassen. Wie werden alte Bäume also zu sogenannten "Mehtusalembäumen"?

Doch dabei entdeckte er nicht nur die beeindruckende Gleichung quasi als "Nebenprodukt", sondern konnte auch elf baumbiologische Eigenschaften definieren, welche die Lebenserwartung eines Baumes beeinflussen, erklärt Roloff. "Je mehr eine Baumart davon in sich vereinen kann, desto älter kann ein er theoretisch werden – wenn Bedingungen, Standort und Baumpflege stimmen und der Baum vor allem nicht vor seiner Zeit gefällt wird."

Rettungsaktion für Nationalerbe-Baum

Tatsächlich spielt die Pflege der Bäume insbesondere in Siedlungsräumen und Parks eine sehr große Rolle. Deshalb kann die fachgerechte Ausführung in Kursen vom Deutschen Baum-Institut auch die Baumkontrolle und Baumpflege von der Pike auf gelernt werden. Angesichts der enormen Umweltleistungen alter Bäume lohne sich die Pflege auch finanziell im Gegensatz zu Neupflanzungen, so Roloff.

Forstwissenschaftler Roloff und das Rettungsteam an der Collmer Linde. Bildrechte: Matthias Goede

Erst Ende März konnten die Fachleute sogar einen ganz besonderen Baum retten: Die Collmer Linde in Nordsachsen drohte nämlich mit dem Austreiben der Blätter im Frühjahr auseinanderzubrechen. Der Baum wird auf ein Alter von 800 Jahren geschätzt und gilt als der wohl älteste Baum in ganz Sachsen. Seit vergangenem Jahr ist er auch als Nationalerbe-Baum gelistet.

Insgesamt acht Baumpflegerinnen und Baumpfleger eilten zur Rettung und kürzten mit Handsägen sorgsam Ast für Ast, um den alten Baum zu sichern. Für Roloff war die Baumrettung ein bewegendes Erlebnis, sagt er. "Damit ist die Collmer Linde nun für weitere Lebensjahrzehnte gesichert und gerüstet." Die Dresdner Fachleute haben hier gern geholfen, denn die Kommunen könnten das allein gar nicht leisten.

Ausgezeichnet: Bäume als Nationalerbe

600 Jahre alt ist die Eiche, die in Berlin zum Nationalerbe-Baum erklärt wurde. "Dicke Marie" wurde sie angeblich von den Brüdern Alexander und Wilhelm von Humboldt genannt, nach einer Köchin im Schloss am Tegeler See, wo der Baum steht. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Diese Eibe steht im schleswig-holsteinischen Flintbek nahe eines Kirchhofs und ist mit mehr als 800 Jahren um einiges älter als die "Dicke Marie" in Berlin. Woher weiß man, wie alt diese Eibe ist? Umhauen und Jahresringe zählen geht ja schlecht? In der Flintbeker Kirche wurde sie bereits 1223 als altes Exemplar erwähnt. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Dieses Gingko-Prachtexemplar steht in Jahnishausen, in der Nähe von Riesa. In 80 Zentimetern Höhe hat der Baum schon einen Unfang von 5,15 Meter. Er steht in einem Schlosspark. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Die Winterlinde von Großpörthen zählt zu den ältesten Bäumen Sachsen-Anhalts: Man schätzt sie auf 700 bis 900 Jahre. in etwa 1,50 Höhe hat sie einen Umfang von 9,85 Meter. Im Volksmund heißt sie auch Prangerlinde. Dass die Linde als Pranger benutzt worden sein könnte, darauf weist ein am Baum befestigter Eisenring hin. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Dieser gewaltige Berg-Ahorn steht im Hirschpark Hamburg. 5,55 Meter Stammumfang und gerade erst mal 270 Jahre alt. Auch für ihn sind Schutz und Pflege durch den Titel National-Erbe-Baum für die Zukunft gesichert. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Diese Sommerlinde in Hochmössingen in Baden-Württemberg ist faszinierend: Sie ist innen hohl, 20 Schulkinder passen in die 1,50 Meter hohe "Lindenhöhle", durch mehrere Löcher im Stamm kann man rausgucken. Nach oben hin ist die Linde offen, so dass man in den Himmel und ins Geäst schaut. Derzeit beträgt ihr Umfang 7,90 m in 1,4 m Höhe. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Sie heißt "Dicke Linde" und steht in Heede im Emsland. Ihr Alter wird auf 600 bis 800 Jahre geschätzt, ihr Umfang beträgt etwa 17 Meter. Der Baumriese ist im Dorfwappen verewigt und eng mit der Dorfgeschichte verwoben. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff
Diese 500 bis 600 Jahre alte Eiche findet sich beim oberfränkischen Kronach am Außenzaun von Schloss Nagel. Das Besondere an diesem Baum: Sein hoher, unverzweigter, gerader Stamm. Am Fuß Wurzelausläufer, die sich wie gewaltige Finger in den Boden graben. Sein Umfang ist durch seine Lage am Hang schwer zu messen. Bildrechte: Prof. Dr. Andreas Roloff

Link zum Buch-Download

Nationalerbe-Bäume – Konzeption und Ziele, Umsetzung und Realisierung zum Schutz alter Bäume in Deutschland: die ersten 16 Kandidaten in allen Bundesländern. Verlag Forstbotanik TU Dresden, Tharandt 2022 (ISBN 978-3-86780-704-3). Hier gibt es das Buch zum kostenlosen Download.

(kie)

Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | 25. April 2023 | 08:42 Uhr

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