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Bild von einer Galaxie, rechts daneben ein heller weißer Punkt, der einen in einer Supernova explodierenden Stern zeigt (Symbolbild). Bildrechte: NASA/STSCI/J. Depasquale; Las Cumbres Observatory

Weltraumforschung in MitteldeutschlandSupernova-Reste auf der Erde finden mit Dresdner Spezial-Anlage

17. April 2024, 16:30 Uhr

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) entwickelt extrem empfindliche Anlagen, die Überreste explodierender, massereicher Sterne oder anderer stellarer Objekte auf der Erde nachweisen können. So eine neue Anlage wird in Sachsen gebaut.

von Patrick Klapetz

Gemeinsam mit der University of Illinois in Urbana arbeitet das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) an einer neuen hochsensiblen Anlage: der Beschleuniger-Massenspektrometrie-Anlage Hamster (Helmholtz Accelerator Mass Spectrometer Tracing Environmental Radionuclides). Die Forschenden wollen einen Überblick über erdnahe kosmische Explosionen erhalten, die sich vor drei bis sieben Millionen Jahren ereigneten. Es geht um die Suche nach Überresten von Supernovae. 

"Zum Glück waren diese Ereignisse noch weit genug entfernt, sodass sie wohl keinen signifikanten Einfluss auf das Erdklima oder größere Auswirkungen auf die Biosphäre hatten", erklärt Anton Wallner, Leiter Beschleuniger-Massenspektrometrie und Isotopenforschung am HZDR in einer Pressemitteilung. "Richtig ungemütlich wird es bei kosmischen Explosionen in einer Entfernung von bis zu 30 Lichtjahren."

Anton Wallner vom HZDR fahndet nach Überresten von Supernova-Explosionen an der Anlage für Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS) der Australian National University (ANU) in Canberra. Bildrechte: Stuart Hay, ANU

Wie ereignet sich eine Supernova?

Sobald massereiche Sterne ihren gesamten Brennstoff verfeuert haben, kollabiert ihr Kern zu einem extrem kompakten Neutronenstern oder zu einem schwarzen Loch. Gleichzeitig wird heißes Gas mit hoher Geschwindigkeit nach außen geschleudert. Eine Schockwelle dehnt sich aus, die einen großen Teil des zwischen den Sternen fein verteilten Gases und Staubs einsammelt. 

Der Lebenszyklus von vier verschiedenen Größenklassen von Sternen. Bildrechte: ESA

Auch bereits vorhandenes Material aus dem Weltraum wird dabei aufgesammelt. Es dauert viele tausend Jahre, bis sich die Reste einer Supernova auf einen Durchmesser von mehreren zehn Parsec (1 Parsec entspricht 3,26 Lichtjahren oder ungefähr 31 Billionen Kilometer) ausgedehnt haben. Allmählich kommt es dann zum Erliegen der Ausdehnung.

Eine Supernova tritt allerdings selten auf. Nur ein sehr schwerer Stern mit der acht- bis zehnfacher Masse unserer Sonne kann in einer solchen galaktischen Explosion enden. Beteigeuze im Sternbild Orion ist ein naher Kandidat und befindet sich dennoch in einer Entfernung von nahezu 150 Parsec. Für unser Sonnensystem wäre seine Explosion somit keine Gefahr.

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Eine erdnahe Supernova hätte dagegen verheerende Auswirkungen für unseren Planeten. Sie kann die Biosphäre der Erde verändern und ein Massensterben verursachen. "Betrachtet man den Zeitraum seit Bildung des Sonnensystems, der sich über Milliarden Jahre erstreckt, können sehr nahe kosmische Explosionen nicht ausgeschlossen werden", betont Wallner.

Die Suche nach den Isotopen Fe-60 und Pu-244

Bei einer Supernova werden auch radioaktive Atome frisch gebildet. Für die Forscher aus Dresden und Urbana sind primär das radioaktive Eisen-Isotop Fe-60 und das Plutonium-Isotop Pu-24 interessant. 

Nach etwa 2,6 Millionen Jahren haben sich etwa die Hälfte aller Fe-60-Atome in ein stabiles Nickel-Isotop verwandelt. "Fe-60 ist auf der Erde extrem selten, da es auf natürliche Weise nicht signifikant produziert wird. Es wird aber in großen Mengen direkt vor einer Supernova-Explosion erzeugt", erklärt Wallner. 

Alles Fe-60, das vor etwa 4,5 Milliarden Jahren bei der Entstehung der Erde vorhanden war, ist längst verschwunden. Wenn heute ein Sediment dieses Isotops in der Tiefsee oder im Oberflächenmaterial des Mondes auftaucht, stammt es vermutlich von einer Supernova, die "erst vor einigen Millionen Jahren in der Nähe der Erde stattgefunden haben sollte".

Der leuchtende, heiße Stern Wolf-Rayet 124 (WR 124) ist im Zentrum des zusammengesetzten Bildes des James Webb Weltraumteleskops zu sehen, das Licht aus dem nahen und mittleren Infrarot kombiniert. Hintergrundsterne und Hintergrundgalaxien bevölkern das Sichtfeld und blicken durch den Gas- und Staubnebel, der von dem alternden massereichen Stern ausgestoßen wurde und sich über 10 Lichtjahre im Weltraum erstreckt. An der Struktur des Nebels lässt sich die Geschichte der vergangenen Massenauswürfe des Sterns ablesen. Der Nebel besteht nicht aus glatten Schalen, sondern aus zufälligen, asymmetrischen Auswürfen. Helle Gas- und Staubklumpen erscheinen wie Kaulquappen, die auf den Stern zuschwimmen, mit Schwänzen, die hinter ihnen herausströmen und vom Sternwind zurückgeblasen werden. Bildrechte: NASA, ESA, CSA, STScI, Webb ERO Production Team

Ähnlich verhält es sich mit Pu-244. Nach 80 Millionen Jahren hat sich ungefähr die Hälfte dieses Isotops in andere Elemente verwandelt. Es entsteht vermutlich eher beim Zusammenstoß von Neutronensternen und nicht bei Supernovae. "Plutonium-244 benötigt ebenfalls explosive Ereignisse und entsteht laut Theorie ähnlich wie die seit jeher natürlich auf der Erde vorkommenden Elemente Gold oder Platin, die nun aus stabilen Atomen bestehen", erörtert der Wissenschaftler.

Per Staubkorn durch die Galaxis

Bei kosmischen Explosionen in zehn bis 150 Parsec Entfernung schützt unser Sonnensystem das Eindringen von radioaktiven Isotopen auf der Erde – laut gängigen Theorien hauptsächlich der Sonnenwind und das Magnetfeld der Heliosphäre. 

Die Ferromangan-Kruste aus dem Pazifischen Ozean enthält interstellare Atome aus einem Zeitraum von mer als 20 Millionen Jahren. Die Münze als Maßstab hat einen Durchmesser von 3,2 Zentimeter. Bildrechte: Dominik Koll, HZDR

Da sich die Isotope gerne in Staubkörnern ansammeln, können Fe-60- und Pu-244-Atome dennoch auf der Erde gelangen. Aber nur äußerst wenige Atome erreichen in einem Jahr die Erdoberfläche. Zudem erfassen selbst die empfindlichsten Instrumente nur etwa jedes 5000. Teilchen. Gerade einmal etwa tausend Fe-60-Atome wurden in den vergangenen 20 Jahren gemessen. Bei Pu-244 sind es noch weniger. 

Da Fe-60-Atome in den meisten Proben mit anderem Material vermischt sind, durchlaufen die Proben eine sehr aufwendige chemische Aufbereitung. Diese geringe Konzentration kann dennoch nur von Beschleuniger-Massenspektrometrie-Anlagen erfasst werden. Mit Dreams (Dresden Accelerator Mass Spectrometry facility) befindet sich bereits einer dieser Anlagen am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf. Hamster soll die nächste Anlage dieser Art sein. 

Links/Studien

Die Studie wurde im September im Fachmagazin Annual Review of Nuclear and Particle Science veröffentlicht: Deep-Sea and Lunar Radioisotopes from Nearby Astrophysical Explosions (Tiefsee- und Mondradioisotope aus nahe gelegenen astrophysikalischen Explosionen).  

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