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Deutsche Soldaten im Kampf um eine norwegische Stadt, vermutlich Mai 1940. Bildrechte: IMAGO / Reinhard Schultz

9. April 1940Weserübung – Der deutsche Überfall auf Norwegen und Dänemark

09. April 2023, 05:00 Uhr

Am 9. April 1940 überfällt die Wehrmacht die neutralen Staaten Norwegen und Dänemark. Mit dem Unternehmen "Weserübung" soll die deutsche Eisenerz-Zufuhr gesichert und der Zugang zum Atlantik erhalten werden. Am Ende ist es ein Wettlauf mit den Briten, den die Deutschen knapp gewinnen. Doch in der Schlacht um Narvik geraten ihre Truppen an den Rand einer Niederlage.

von Dr. Daniel Niemetz

Der Erzhafen Narvik im Norden Norweges um 1900. Bildrechte: IMAGO/piemags

Als mit dem deutschen Überfall auf Polen im September 1939 der Zweite Weltkrieg beginnt, bleiben die skandinavischen Länder Norwegen und Dänemark neutral. Doch vor allem Norwegen gerät schon bald in den strategischen Fokus der Feindmächte Deutschland und Großbritannien. Über das nordnorwegische Narvik wird Eisenerz aus dem schwedischen Kiruna nach Deutschland verschifft. Mehr als neun Millionen Tonnen importiert das Reich jährlich, um daraus Stahl für Geschütze, Panzer, U-Boote und Schlachtschiffe zu gewinnen. Die britische Seeblockade in der Nordsee kann das nicht verhindern, denn die deutschen Erzfrachter fahren unbehelligt durch norwegische und dänische Hoheitsgewässer bis in die heimische Ostsee.

Churchill will deutsche Erzzufuhr kappen

Der Royal Navy ist das ein Dorn im Auge. Am 12. September 1939 schlägt der Erste Lord der Admiralität (Marineminister), Winston Churchill, dem britischen Kabinett vor, die norwegischen Hoheitsgewässer zu verminen. Doch die Regierung in London lehnt aus Rücksicht auf die Neutralität der Norweger ab.

Der spätere britische Premier Churchill 1940 als Erster Lord der Admiralität. Bildrechte: IMAGO / Everett Collection

Eine neue Chance bietet sich mit dem Überfall der Sowjetunion auf das ebenfalls neutrale Finnland am 30. November. Churchill schlägt unter dem Vorwand der Finnland-Hilfe vor, Narvik, die Erzbahn nach Schweden und das Erzbergwerk Kiruna durch "Freiwilligen"-Verbände zu besetzen. Doch als der sowjetisch-finnische Winterkrieg am 13. März 1940 endet, ist auch dieser Plan Makulatur. Nach langem Hin und Her einigen sich Großbritannien und das verbündete Frankreich am 28. März darauf, die norwegischen Gewässer nun doch zu verminen. Die Deutschen sollen so zum Eingreifen provoziert werden, dem man durch das Anlanden eigener Truppen begegnen will.

Raeder überzeugt zögernden Hitler

Tatsächlich laufen auch in Deutschland längst konkrete Planungen zur Besetzung Norwegens. Auch hier kommt der Anstoß aus der Kriegsmarine. Ihr Oberbefehlshaber, Admiral Erich Raeder, will mit der Inbesitznahme des mehr als 1.700 Kilometer (Luftlinie) langen Nordsee- und Atlantik-Anrainers die Operationsbasis für die Seekriegführung gegen Großbritannien verbessern und die deutsche Erzzufuhr absichern.

Hitler und Marinechef Raeder bei einer Flottenparade Ende der 1930er-Jahre. Bildrechte: IMAGO / ZUMA Wire

Doch auch der deutsche Diktator Adolf Hitler zögert zunächst. Erst nachdem der von Raeder beim "Führer" eingeführte norwegische Nationalsozialist Vidkun Quisling versichert, dass das norwegische Volk eine deutsche Intervention gegen eine mögliche britische Besetzung begrüßen werde, befiehlt Hitler im Dezember 1939 seinen Militärs, die Inbesitznahme Norwegens zu untersuchen.

Altmark-Zwischenfall beschleunigt Invasionspläne

Im Oberkommando der Wehrmacht (OKW) wird Ende Januar 1940 ein Sonderstab gebildet, der das Norwegen-Unternehmen vorbereiten soll. Nachdem am 16. Februar ein britischer Zerstörer in norwegischen Hoheitsgewässern das deutsche Hilfsschiff Altmark angreift und britische Gefangene befreit (Altmark-Zwischenfall), fordert Hitler die Vorbereitungen für "Weserübung", so der Deckname der Norwegen-Besetzung, zu beschleunigen.

Das deutsche Hilfsschiff Altmark nach dem Angriff durch den britischen Zerstörer Cossack im südnorwegischen Jøssingfjord. Bildrechte: IMAGO / United Archives International

An die Spitze des Sonderstabes stellt Hitler Nikolaus von Falkenhorst. Der General und seine Stabsoffiziere beziehen auch Dänemark in ihre Pläne ein. Sie halten das Land, das einen Nichtangriffspakt mit Deutschland hat, als Nachschubweg für unverzichtbar. Der deutsche Operationsplan sieht vor, mit Schiffen und Flugzeugen gleichzeitig an jeweils sieben Orten in Norwegen und Dänemark zu landen. Das Unternehmen soll im Schutz der Nacht ablaufen, um die Feindaufklärung zu erschweren. Für die Besetzung Norwegens (Weserübung Nord) sind eine Gebirgs- und fünf Infanteriedivisionen, für die Besetzung Dänemarks (Weserübung Süd) zwei Infanteriedivisionen und eine Schützenbrigade vorgesehen.

Wettlauf mit der Royal Navy

Die Kämpfe um Norwegen und den Nord-Ostsee-Raum aus britischer Sicht bis zum 13. April 1940. Bildrechte: IMAGO / United Archives International

Am 2. April befiehlt Hitler die Durchführung von "Weserübung" für den 9. April, 5:30 Uhr. Einen Tag später laufen die ersten Versorgungsschiffe, ab dem 6. April auch Truppentransporter und tags darauf die sichernden Kriegsschiffe aus. Trotz schlechten Wetters wird eine Transportstaffel am 7. April durch die englische Luftaufklärung entdeckt. Am selben Abend laufen die ersten Kriegsschiffe der Royal Navy in Richtung Norwegen aus.

Einen Tag später sorgt ein Zwischenfall im Skagerrak dafür, dass auch die Norweger von der bevorstehenden Invasion erfahren. Als norwegische Fischer die Überlebenden eines von einem polnisch-britischen U-Boot torpedierten vermeintlichen deutschen "Erzfrachters" bergen, tragen die Geretteten Wehrmachtuniformen. In Dänemark meldet der Heeresnachrichtendienst am 8. April, dass motorisierte deutsche Marschkolonnen nur 1,5 Kilometer vor der Grenze aufmarschiert sind.

Deutsche Noten an Norwegen und Dänemark

Eine halbe Stunde vor der geplanten Landung der deutschen Truppen am Morgen des 9. April überreichen die Gesandten des Deutschen Reiches gegen 5 Uhr den Regierungen in Oslo und Kopenhagen gleichlautende Noten. Darin wird erklärt, dass durch die Invasion die Neutralität der beiden Länder vor einem unmittelbar bevorstehenden Angriff der Westalliierten geschützt werden soll. Die deutschen Truppen kämen "nicht in feindseliger Gesinnung". Die beiden Regierungen werden aufgefordert, keinen Widerstand zu leisten.

Deutsche Truppen fahren am 9. April 1940 durch das jütländische Aabenraa. Bildrechte: IMAGO / Ritzau Scanpix

Zumindest die Besetzung Dänemarks geht ohne größere Schwierigkeiten vonstatten. Nur vereinzelt kommt es zu Schusswechseln. In Gedser auf Falster kommen die Deutschen sogar mit der regulären Fähre aus Warnemünde angefahren. Die dänische Regierung beugt sich nach kurzer Zeit – wenn auch unter Protest – den deutschen Forderungen und befiehlt um 7:20 Uhr die Einstellung des Widerstandes.

Kämpfe in Bergen und Kristiansand

Ganz anders sieht es in Norwegen aus. Dort hat die Regierung noch vor der Anlandung der deutschen Truppen die Mobilmachung in Gang gesetzt. Parlament und Regierung sind aufs Land geflohen. Relativ unproblematisch verläuft nur die Besetzung von Trondheim, Egersund und Arendal.

Deutsche Sturzkampfbomber Junkers Ju 87 über einem norwegischem Fjord. Bildrechte: IMAGO / Gemini Collection

In Bergen wird der einlaufende deutsche Schiffsverband hingegen von norwegischen Küstenbatterien beschossen. Bei Treffern auf drei Schiffen werden mehrere Heeressoldaten getötet. Nach dem Einsatz deutscher Kampfflugzeuge werden die Batterien ausgeschaltet. In Kristiansand gelingt die Anlandung erst im dritten Anlauf. Auch hier stellen die Küstenbatterien das Feuer erst nach einem Luftangriff ein.

Kreuzer Blücher im Oslofjord versenkt

Alles andere als glücklich verläuft die Landung in der Hauptstadt Oslo. Beim Anmarsch durch den 100 Kilometer langen Oslofjord wird der Schwere Kreuzer Blücher an der engsten Stelle durch Artillerie- und Torpedotreffer versenkt. 800 deutsche Soldaten sterben. Auch das Panzerschiff Lützow wird getroffen. Der deutsche Schiffsverband kann erst am nächsten Morgen weiterfahren, nachdem die Sperrfestung Oskarsborg mit Luftwaffenhilfe ausgeschaltet ist.

Nach Artillerie- und Torpedotreffern sinkt der Schwere Kreuzer Blücher im Oslofjord. Bildrechte: IMAGO / NTB

Die Luftlandungen auf dem Flughafen Oslo-Fornebu laufen ebenfalls nicht wie geplant. Beim ersten Anflug stoßen zwei Ju 52-Maschinen im dichten Nebel zusammen und stürzen ab. Die anderen Maschinen werden zunächst zurückgerufen. Nur zwei Flugzeugen mit 68 Soldaten gelingt die Landung. Die Infanteristen und Fallschirmjäger besetzen den Flughafen, woraufhin weitere deutsche Flugzeuge landen und starten können. Acht Kompanien Infanterie werden so eingeflogen, die bis zum Abend Oslo besetzen. Norwegens König Haakon VII., seine Familie sowie die Goldreserven des Landes sind da längst über alle Berge.

Die Schlacht um Narvik beginnt

Brennende Schiffswracks nach den Seegefechten im Ofotfjord vor Narvik. Bildrechte: IMAGO / Reinhard Schultz

Am nördlichsten Landeplatz Narvik verläuft die Invasion hingegen zunächst problemlos. Zehn deutsche Zerstörer mit 2.000 Gebirgsjägern an Bord laufen am frühen Morgen des 9. April in den fast 80 Kilometer langen Ofotfjord ein, an dessen Ende Narvik liegt. Dabei werden zwei norwegische Küstenpanzerschiffe versenkt, die die Übergabe verweigern. Bei der anschließenden Besetzung von Stadt und Hafen Narvik fällt hingegen kein einziger Schuss. Doch der schnelle Erfolg ist trügerisch. Beim Angriff zweier britischer Schiffsgruppen am 10. und 13. April werden alle deutschen Zerstörer vernichtet. 2.000 Gebirgsjäger und 2.500 Mann Zerstörer-Besatzungen unter Generalleutnant Eduard Dietl verschanzen sich – weitgehend ohne schwere Waffen – in und um Narvik.

Deutsche Truppen werden eingekesselt

Obwohl die überlegene Schiffsartillerie der Briten die deutschen Stellungen pausenlos eindeckt, bleibt ein direkter Angriff auf die Stadt zunächst aus. Stattdessen ziehen die Alliierten ab dem 17. April nördlich, östlich und südlich von Narvik 24.500 britische, französische, polnische und norwegische Soldaten zusammen.

Deutsche Fallschirmjäger landen im Mai 1940 bei Narvik. Bildrechte: IMAGO / Gemini Collection

Ab dem 24. April beginnt der Angriff auf die deutsche Narvik-Gruppe. Die Alliierten gehen extrem langsam vor, um unnötige Verluste zu vermeiden. Entsatz ist für die Deutschen ohnehin nicht zu erwarten. Etwas Entlastung kommt allenfalls aus der Luft. Am 17. und 18. Mai greifen Sturzkampfbomber Schiffe und Stellungen der Alliierten an. Zudem landen 100 deutsche Fallschirmjäger. Doch an der hoffnungslosen Lage der eingeschlossenen Narvik-Gruppe ändert das nichts. Am 28. Mai müssen die letzten deutschen Soldaten Narvik räumen. Das Ende von Dietls Kampfgruppe ist nur noch eine Frage von Tagen.

Alliierte ziehen aus Norwegen ab

Doch am 8. Juni ziehen sich die alliierten Truppen plötzlich aus Narvik zurück. Im Mai hatten die Alliierten bereits die von ihnen besetzten Städte Andalsnes, Namsos und Bodo den von Süden vorstoßenden Wehrmacht-Verbänden überlassen müssen.

Britische Truppen erreichen nach der Evakuierung aus Norwegen den Kriegshafen Scapa Flow. Bildrechte: IMAGO / piemags

Der Grund für den Abzug aus Narvik liegt mehr als 2.000 Kilometer weiter südlich. Dort hat die Wehrmacht am 10. Mai den Westfeldzug gegen Frankreich begonnen und am 20. Mai in Flandern 1,2 Millionen Briten, Franzosen und Belgier eingeschlossen. Frankreich steht kurz vor dem Fall. Die norwegischen Truppen kapitulieren nach dem Abzug der Alliierten am 9. Juni 1940. Die Königsfamilie flüchtet ins Londoner Exil. Hitler und die Wehrmacht haben den Kampf ums Eisenerz und den Zugang zum Nordatlantik gewonnen. Doch den Zweiten Weltkrieg, der am 9. April 1940 mit dem Unternehmen "Weserübung" auch auf den Norden Europas ausgreift, werden sie am Ende katastrophal verlieren.

Literaturhinweise

  • Hubatsch, Walter: Weserübung. Die deutsche Besetzung von Dänemark und Norwegen 1940. Aachen 2011.
  • Maier, Klaus A. und Bernd Stegemann: Die Sicherung der europäischen Nordflanke. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 2. Die Errichtung der Hegemonie auf dem europäischen Kontinent. Hrsg. vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt, Stuttgart 1979, S. 189-234.