UntersuchungsausschussHalles Oberbürgermeister Wiegand: Gefahr für Synagoge vor Anschlag nicht absehbar
Der U-Ausschuss zum Anschlag in Halle zeigt, dass die staatlichen Stellen nicht über den höchsten jüdischen Feiertag Bescheid wussten. Am Mittwoch war unter anderem Oberbürgermeister Wiegand geladen. Er sagte, dass keine Gefahr absehbar war. Innenminister Stahlknecht kündigte nach Kritik von Überlebenden zudem an, Polizistinnen und Polizisten besser im Opferschutz und in "interkultureller Kompetenz" auszubilden.
Der rechtsterroristische Anschlag im vergangenen Jahr auf die Synagoge in Halle ist nach Ansicht von Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) im Vorfeld nicht absehbar gewesen. Wiegand sagte am Mittwoch im Untersuchungsausschuss des Landtages, die Stadt habe keinerlei Anhaltspunkte für eine Gefahr für die Synagoge gehabt. Auch die Jüdische Gemeinde habe solche Hinweise nicht gegeben.
Feiertag nicht bekannt
Nach dem Anschlag am 9. Oktober 2020 hatte es unter anderem Kritik wegen des geringen Schutzes des Gotteshauses gegeben. So wurde die Synagoge unregelmäßig von der Polizei bestreift, aber nicht – wie in anderen Bundesländern üblich – dauerhaft bewacht.
Die Sitzung am Mittwoch zeigte, dass die staatlichen Stellen offenbar nicht wussten, dass die jüdische Gemeinde am Tag des Anschlags ihren höchsten Feiertag Jom Kippur zelebrierte. Oberbürgermeister Wiegand, der Sicherheitschef der Stadt Halle, Tobias Teschner, und auch die frühere Innenstaatssekretärin Tamara Zieschang sagten vor dem Ausschuss, dass sie von dem Feiertag nicht wussten.
Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) erklärte am Mittwoch, die Polizisten in Sachsen-Anhalt sollten besser im Opferschutz und in "interkultureller Kompetenz" ausgebildet werden. Damit reagiere das Land auf die Kritik von Überlebenden aus der Synagoge. Das Innenministerium nehme diese Kritik "sehr ernst", erklärte Stahlknecht. Überlebende hatten unter anderem im Prozess zu dem Anschlag unsensibles und teilweise respektloses Verhalten der Polizisten beklagt. Bei aller Anspannung und allem Stress, unter dem die Beamten kurz nach der Tat gestanden hätten, müssten die Polizisten trotzdem zu einem professionellen Handeln in der Lage sein, sagte Stahlknecht. "Das muss man trainieren." Dazu liefen bereits Gespräche.
Was ist Jom Kippur?
Jom Kippur ist der heiligste und feierlichste Tag des jüdischen Jahres und wird auch heute von einer Mehrheit der Juden, auch nicht religiösen, in mehr oder weniger strikter Form begangen. Für Frauen ab 12 und Männer ab 13 Jahren ist er ein Fastentag, an dem 25 Stunden gefastet wird. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, dauert der Gottesdienst in den jüdischen Gemeinden beinahe den ganzen Tag. In Israel sind an diesem Tag alle Restaurants und Cafés geschlossen, das gesamte öffentliche Leben steht still. Alle Grenzübergänge (auch der Flughafen) sind geschlossen. Dass Israel an diesem Tag quasi gelähmt und extrem verwundbar war, nutzten Syrien und Ägypten im Oktober 1973 aus und begannen den Jom-Kippur-Krieg.
U-Ausschuss arbeitet Geschehen politisch auf
Am 9. Oktober vergangenen Jahres hatte ein Attentäter versucht, schwer bewaffnet in das gut besuchte jüdische Gotteshaus einzudringen. Als dies nicht gelang, erschoss er zwei Menschen in der Nähe. Danach konnte der Attentäter flüchten. Die Polizei hatte ihn auf seiner Flucht mehr als eine Stunde lang aus den Augen verloren.
Nach dem Anschlag hatte es viel Kritik an der Polizei gegeben. Zudem kamen Fragen dazu auf, wie der Attentäter zunächst aus der Stadt flüchten und weitere Menschen verletzen konnte, ehe er festgenommen wurde. Ein U-Ausschuss des Landtags arbeitet das Geschehen seit Ende 2019 politisch auf und untersucht dabei besonders den Polizei-Einsatz und die Sicherheitsvorkehrungen.
Quelle: MDR,dpa/cw
Dieses Thema im Programm:MDR SACHSEN-ANHALT – Das Radio wie wir | 28. Oktober 2020 | 14:00 Uhr
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