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Rabbiner Alexander Nachama Bildrechte: Paul-Philipp Braun

Schabbat Schalom | MDR Kultur | 02.02.2024Rabbiner Alexander Nachama: Was heißt Gottvertrauen?

02. Februar 2024, 12:00 Uhr

Das Volk Israel habe die Zehn Gebote angenommen, ohne ihren Inhalt genau zu kennen. So groß sei das Vertrauen in Gott gewesen, erklärt Rabbiner Alexander Nachama in seiner Auslegung des Wochenabschnitt Jitro – und wünscht sich, dass wir ebenso großes Vertrauen finden mögen.

Der Abschnitt dieser Woche, Jitro, erzählt uns von der Offenbarung der Zehn Gebote. Es ist ein großer Höhepunkt der Tora, es gibt sogar einen Feiertag, an dem wir die Offenbarung jedes Jahr feiern: Zu Schawuot, das immer sieben Wochen nach Pessach, dem Fest der ungesäuerten Brote, folgt und meist in den Mai oder Juni fällt. Wir feiern die Offenbarung jedes Jahr auf Neue, als wären auch wir am Berg Sinai gewesen.

Das geht auf das fünfte Buch der Tora, Kapitel 5, Vers 3 zurück: "Diesen Bund hat der Ewige nicht nur mit unseren Vätern geschlossen, sondern mit uns, die wir heute hier sind, mit allen, die jetzt leben." Das wird in der rabbinischen Auslegung auf alle Generationen angewandt.

In Kapitel 34,28 des zweiten Buchs der Tora lesen wir: "Der Ewige schrieb auf die Tafeln die Worte des Bundes, nämlich die zehn Worte."

10 Gebote: Pflichten gegenüber Gott und den Nächsten

Ein Midrasch erklärt, dass die Tafeln, auf die die Worte des Bundes geschrieben worden sind, bereits am Vorabend der Schöpfung, also noch bevor Himmel und Erde erschaffen wurden, von Gott vorbereitet worden sind. Die gängigste Erklärung besagt, dass jeweils fünf Gebote auf jeder Tafel standen.

Diese Einteilung hat auch eine inhaltliche Begründung: Die ersten fünf Gebote werden als Pflichten des Menschen gegenüber Gott bezeichnet (Bejn Adam Lemakom). Die folgenden fünf sind Gebote, die die Pflichten des Menschen gegenüber seinem Nächsten beschreiben (Bejn Adam lechawero).

Nicht nur die Israeliten am Berg Sinai, sondern die ganze Welt soll die Offenbarung der Zehn Gebote gehört haben. Beim Hören wurden sie demnach in die 70 Sprachen übersetzt, die damals auf der Erde gesprochen wurden. So konnten der Überlieferung zufolge alle Menschen die Zehn Gebote hören und verstehen.

Dazu passt, dass während der Offenbarung kein anderes Geräusch auf der Erde zu vernehmen gewesen sein soll. Es herrschte absolute Stille, wie ein Midrasch erzählt: Kein Vogel sang und kein Rind brüllte. Das Weltmeer brauste nicht, kein Geschöpf bewegte sich. Die gesamte Natur lauschte der göttlichen Stimme.

"Alles, was der Ewige geredet, wollen wir tun!"

Warum aber haben die anderen Völker die Zehn Gebote nicht angenommen? Ein weiterer Midrasch berichtet: Gott habe seine Lehre, die Tora, allen Völkern der Welt angeboten. Jedoch habe jede Nation sie aus einem anderen Grund abgewiesen. So fragten zum Beispiel die Edomiter, die Nachkommen Esaus, des Bruders von Jakob: "Was steht in der Tora?" Und als Gott sagte: "Du sollst nicht morden", antworteten sie sofort: "Das können wir nicht übernehmen!" Andere Völker erhoben Einwände gegen die Gebote "Du sollst nicht ehebrechen" oder "Du sollst nicht stehlen". So sagten alle Völker: "Wir tragen kein Verlangen danach, deine Tora zu befolgen."

Als sich Gott an Israel wandte, lautete die Antwort sofort: "Alles, was der Ewige geredet, wollen wir tun!"

Dieses Versprechen gaben die Israeliten, bevor sie überhaupt wussten, was in der Tora steht. So groß war ihr Vertrauen in Gott. Ich wünsche uns, dass auch wir so großes Vertrauen finden mögen.

Schabbat Schalom!

Zur Person: Alexander NachamaGeboren 1983 in Frankfurt am Main. 2005 erhielt er von Rabbiner Zalman Schachter-Shalomi, dem Gründer der Rabbiner- und Kantorenschule "Aleph", eine Urkunde als Kantor. 2008 erhielt er einen Bachelor in Judaistik (Freie Universität Berlin), 2013 einen Master (Universität Potsdam).

Ab 2007 absolvierte er eine Ausbildung am Abraham Geiger Kolleg mit Studienaufenthalten in Israel, die er 2013 mit der Ordination zum Rabbiner abschloss. 1998 - 2011 amtierte Alexander Nachama zunächst als ehrenamtlicher Vorbeter, später als Kantor in der Jüdischen Gemeinde zu Berlin.

In den Jahren 2012 - 2018 war er Gemeinderabbiner der Jüdischen Gemeinde zu Dresden. Bis August 2023 war er Landesrabbiner der Jüdischen Landesgemeinde Thüringen.

Schabbat Schalom bei MDR KULTURDie Sendung bezieht sich auf die jüdische Tradition, die fünf Bücher Moses im Gottesdienst der Synagoge innerhalb eines Jahres einmal vollständig vorzulesen. Dabei wird die Thora in Wochenabschnitte unterteilt. Zugleich ist es häufige Praxis, die jeweiligen Wochenabschnitte auszulegen.

Bei MDR KULTUR geben die Autorinnen und Autoren alltagstaugliche Antworten auf allgemeine Lebensfragen, mit denen sie auch zur persönlichen Auseinandersetzung anregen. Zugleich ist "Schabbat Schalom" eine Einführung in die jüdische Religion, Kultur und Geschichte.

"Schabbat Schalom" ist immer freitags um 15:45 Uhr bei MDR KULTUR zu hören sowie online abrufbar bei mdr.de/religion.

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Dieses Thema im Programm:MDR KULTUR - Das Radio | MDR KULTUR | 02. Februar 2024 | 15:45 Uhr