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Die Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt grundlegend verändern. Bildrechte: IMAGO / Westend61

ChatGPT und Co.Nehmen uns Roboter und KI jetzt den Job weg? Tipps für Berufseinsteiger

05. Februar 2023, 09:10 Uhr

Der aktuelle Hype um Programme wie ChatGPT sorgt bei vielen, die jetzt ins Berufsleben starten, auch für Verunsicherung. Werden wir bald alle durch Computer ersetzt? Und welche Jobs lohnen sich jetzt noch? Gemeinsam mit der Arbeitsmarktforscherin Britta Matthes vom IAB geben wir sechs Tipps für die Berufswahl im digitalen Zeitalter.

von Inka Zimmermann

ChatGPT ist eine KI, die seit knapp zwei Monaten offen zugänglich ist und für einen internationalen Hype sorgt, denn: Der Bot schreibt Texte, denen man nicht anmerkt, dass ein Computerprogramm sie verfasst hat. Dabei ist er schneller, oft präziser und preiswerter als ein echter Mensch – aktuell ist das Programm nämlich kostenlos verfügbar. Das Medienunternehmen Buzzfeed kündigte bereits an, ChatGPT zumindest als Assistenzprogramm für die Erstellung seiner Inhalte verwenden zu wollen.

Verlieren wir in ein paar Jahren dann fast alle unsere Jobs? 2013 prophezeite die Frey/Osborne-Studie in den USA genau das: Knapp jeder zweite Job fällt in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren weg – so damals die Aussage der Forschenden. Mittlerweile sieht man das ein wenig differenzierter.

Jobfresser Digitalisierung?

Dennoch dürften gerade Menschen, die aktuell einen Beruf wählen, darüber nachdenken, wie zukunftsträchtig dieser Beruf ist und ob es sich nicht vielleicht um eine Arbeit handelt, die künftig automatisiert – sprich: von Maschinen und Computern übernommen werden könnte. Denn: Obwohl Politiker und Arbeitgeber oftmals betonen, niemand müsse wegen der Digitalisierung um seinen Job fürchten, zeigt sich statistisch zumindest ein belegbarer Zusammenhang zwischen dem Automatisierungsgrad eines Berufes und der Entwicklung der neuen Stellen in diesem Beruf: Bis auf wenige Ausnahmen sinkt bereits jetzt die Anzahl der neuen Stellen in den entsprechenden Jobs.

Bedeutet ein hoher Automatisierungsgrad in einem Beruf also, dass man ihn besser nicht anstreben sollte, weil dort ohnehin KI und Maschinen übernehmen? "Nein, das ist Quatsch!", sagt Britta Matthes. Sie forscht am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung IAB zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf unsere Jobs. Sie spricht grundsätzlich weniger von wegfallenden Berufen als vielmehr von der teilweisen Automatisierung dieser Jobs. Fast alle Berufe bestehen nämlich aus sehr unterschiedlichen Tätigkeiten – manche von ihnen sind automatisierbar und andere nicht. Welche Teilbereiche das konkret für diverse Jobs sind, haben Matthes und ihr Team im Online-Tool "Job-Futuromat" aufgeschlüsselt. Der Beruf der Journalistin ist beispielsweise laut dem Tool zu 20 Prozent automatisierbar, der Beruf der Finanz-Controllerin sogar zu 75 Prozent.

Worauf sollten Berufseinsteiger und -einsteigerinnen also achten, wenn sie trotz Digitalisierung einen sicheren Job haben wollen? Diese sechs Tipps dürften teilweise überraschen.

Kenne deine Stärken

Britta Matthes hat selbst eine 23-jährige Tochter – der sie allerdings niemals geraten hätte, allein aufgrund des Automatisierungsgrades eines potenziellen Berufs zu entscheiden, wo und wie sie in ihrem Leben arbeiten möchte. Man solle nicht immer nur darüber nachdenken, was nun der Zukunftsberuf sei, findet Matthes: "Ich denke, wir brauchen Menschen, die wissen, was ihre Interessen sind und wo ihre Leistungsfähigkeiten liegen. Dann kann man gucken, was auf dem Markt die Optionen sind – der eigentliche Erfolg kommt aber eher aus dem Gerne-betätigen."

Sei neugierig!

Die wichtigste Qualifikation für eine erfolgreiche berufliche Zukunft in der Digitalisierung ist laut Arbeitsmarktforscherin Matthes keineswegs eine konkrete Ausbildung oder ein konkretes Studium – entscheidender sei Flexibilität, um auf Veränderungen des Arbeitsmarktes auch in 30 Jahren noch reagieren zu können. Außerdem sei Aufgeschlossenheit gegenüber der Zukunft ganz wichtig, betont Britta Matthes. "Die Bereitschaft, mal über den Tellerrand zu gucken ist ganz wichtig, nicht nur immer im Alltag arbeiten, sondern auch mal über die Zukunft nachdenken: Wie könnten Technologien meine Arbeit verändern?"

Studiere – oder verzichte darauf

Wer einen Uni- oder FH-Abschluss hat, muss sich um seinen Job keine Sorgen mehr machen – das glaubte man zumindest eine ganze Weile. Laut einer Studie der Ökonomin Christina Boll von 2014 arbeiten jedoch immerhin zehn bis zwanzig Prozent der Akademiker in einem Beruf, für den sie mit ihrem Bildungsabschluss eigentlich überqualifiziert sind – bei Frauen liegt der Anteil sogar noch etwas höher.

"Man kann aber trotzdem sagen, dass hoch qualifizierte Jobs oft weniger stark durch die Automatisierung getroffen werden, denn der Anteil der kreativen und Wissensarbeit ist bei diesen Berufen oft höher", sagt Britta Matthes vom IAB. Diese Arbeit ist vergleichsweise schwerer durch Automatisierung zu ersetzen. Aber alleine darauf zu setzten und deswegen studieren zu gehen, obwohl man es eigentlich nicht wolle, sehe sie kritisch, betont die Forscherin. Man dürfe nicht vergessen, dass junge Menschen mit einem Faible für IT auch in traditionellen Ausbildungsberufen wertvoll seien – gerade wenn diese immer mehr von der Digitalisierung durchdrungen werden.  

Gerade in eher traditionell geprägten Berufen, wie beispielsweise im Handwerk, sei die Digitalisierung bisher noch viel zu wenig angekommen, so Matthes. Wer aber nach vorne schaue und bereit sei, in neue Technologien zu investieren, werde gut mit den Veränderungen der Arbeitswelt klarkommen. 

Sei ein Mann.  

Ein weiterer Tipp für berufliche Sicherheit trotz Digitalisierung könnte außerdem lauten: Sei ein Mann. Diese Aussage kommt jetzt nicht von Britta Matthes, aber sie erklärt: "Wenn wir hochrechnen, stellen wir fest, dass Männer häufiger als Frauen Tätigkeiten erledigen, die eigentlich von Maschinen erledigt werden können; sei es jetzt Arbeit, die von Robotern in Fabriken erledigt wird oder in der Landwirtschaft." Bei den klassischen Frauenberufen in der Pflege oder im Servicebereich setze die Automatisierung erst nach und nach ein. Dennoch lasse sich eine interessante Tatsache beobachten: "Wenn es eine durch Maschinen ersetzbare Tätigkeit ist, wird sie tendenziell eher ersetzt, wenn sie von Frauen erledigt wird. Bei Männer-Tätigkeiten wird tendenziell weniger schnell substituiert", sagt Matthes.  

Eine mögliche Ursache für dieses Ungleichgewicht sei, dass Frauen im Schnitt seltener gewerkschaftlich organisiert seien, erwähnt Britta Matthes. Man beobachte aber auch, dass Männer verstärkt auf zukunftsträchtige Arbeitsplätze wechseln, während das bei Frauen nicht so sehr der Fall sei. Außerdem seien Frauen im Durchschnitt immer noch etwas weniger digital-affin als Männer. Damit gehe mitunter auch die Erwartung einher, Frauen könnten gar nicht mit IT umgehen. "Dabei muss man sehen: Nerds, das können auch Frauen sein!", fordert Matthes.

Nur die Ruhe

Hatten die oben erwähnten Ergebnisse der Studie von Frey und Osborne 2013 noch für Furore gesorgt, sieht es mittlerweile nicht so aus, als würden im Zuge der Digitalisierung massenweise Jobs wegfallen. 2015 stellte eine ähnliche Analyse in Deutschland fest, dass nicht die Hälfte der Jobs wegfallen, sondern voraussichtlich um die 12 Prozent. Das klingt immer noch nach Schwund, der ist laut Britta Matthes vom IAB aber sogar nötig, denn: Der demografische Wandel sorge aktuell eher für einen Mangel an Arbeitnehmern. "Eigentlich kann die Automatisierung sogar dazu beitragen, den demografischen Wandel auszugleichen", sagt Matthes. Aktuell fürchte man eher Fachkräftemangel als Arbeitslosigkeit.

Denk ans Klima

Die Ökobilanz der Digitalisierung ist ein Punkt, der mitunter in Debatten übergangen wird. Wenn wir allerdings davon ausgehen, dass wir künftig noch mehr CO2 einsparen müssen, könnten die Klimaauswirkungen sogar darüber entscheiden, ob ein Job von einer Maschine übernommen wird oder eben nicht. Britta Matthes sagt dazu: "Technisch rutscht aktuell Vieles in den Bereich des Möglichen, aber wir müssen uns auch klarmachen: Automatisierung erfordert mitunter eine hohe Rechenleistung und viel Energie". Unser Gehirn funktioniere in dieser Hinsicht weitaus effizienter, unter anderem weil wir neue Informationen auch unbewusst mit alten Erfahrungen verknüpfen können, um aus dem Bauch heraus gute Entscheidungen treffen zu können. Es kann also passieren, dass künftig ein Job, der eigentlich von einer Maschine übernommen werden könnte, doch von einer menschlichen Arbeitskraft verrichtet wird, weil diese einfach weniger Strom und Rechenleistung verbraucht.

Einblicke in verschiedene Jobs gibt's bei alpha Uni

Noch mehr Tipps für die Berufswahl gibt es auf dem YouTube-Kanal von ARD alpha Uni - einem Kanal, an dem auch MDR WISSEN sich mitunter beteiligt. Auf dem Kanal stellen Berufsanfänger und Studierende ihre Jobs vor und geben so einen Einblick für alle, die noch überlegen, was sie in ihrem Leben arbeiten wollen. Ergänzend gibt es auf der Website von ARD alpha Uni viele weitere Informationen zu verschiedenen Berufen.

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Wie beispielsweise der Beruf der Verkehrslogistikerin bei der DHL aussieht, erklärt Jessica, die im Logistikstandort Ottendorf-Okrilla bei Dresden arbeitet, im Video.

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Studien zum Thema

  • The future of employment: How susceptible are jobs to computerisation? - Studie von Frey und Osborne, 2013
  • Der IAB JOB-Futuromat gibt Auskunft über den potenziellen Automatisierungsgrad diverser Jobs und ist hier zu finden. Er wird im drei-Jahresrhytmus aktualisiert.
  • Die Studie zu Überqualifikation in Ost und West von Christina Boll und Julian Leppin ist hier zu finden (aber leider nicht kostenlos verfügbar)
  • Die Studie zur Übertragung von Osborne/Frey auf Deutschland gibt es hier zum Nachlesen.

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