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Die KI kann Mammografie-Bilder dank ihres "Wissens" besser bewerten. Bildrechte: PantherMedia / Arne Trautmann

KI in der MedizinKünstliche Intelligenz erkennt Brustkrebsrisiko besser als bisherige Verfahren

06. Juni 2023, 17:21 Uhr

Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz werden immer mehr Teil unseres Lebens. Vielen Menschen macht das Sorge, da sie die Technologie nicht genau verstehen und damit einschätzen können: Kann die KI uns schaden? Was dabei gern vernachlässigt wird: Sie kann uns ganz im Gegenteil auch sehr gut helfen – etwa im Bereich der Medizin. Eine aktuelle Untersuchung zeigt jetzt, dass Algorithmen das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, besser abschätzen können als bisherige Risikomodelle.

Je früher er erkannt wird, desto besser stehen die Heilungschancen: Deshalb haben Frauen im Alter zwischen 50 und 69 Jahren zur Früherkennung alle zwei Jahre Anspruch auf eine Mammographie-Untersuchung. Dieses bildgebende Verfahren hilft den Medizinerinnen und Medizinern bei der Risikobeurteilung – und in Zukunft werden sie wohl auch von einer Künstlichen Intelligenz auf Auffälligkeiten gescannt. Denn klar, so eine Maschine ist viel besser darin als wir Menschen, schon kleinste Muster zu erkennen. Und je mehr Bilder ein selbstlernender Algorithmus "sieht", desto besser wird er.

Zu wenige Daten in klassischen Risikomodellen

Tatsächlich schlagen Algorithmen der künstlichen Intelligenz schon jetzt das bisherige Standardverfahren – sogenannte klinische Risikomodelle – bei der Vorhersage des Fünf-Jahres-Risikos für Brustkrebs, meint ein US-Forschungsteam in einer aktuellen Publikation im Fachmagazin Radiology.

Wie hoch ist das individuelle Risiko, an Brustkrebs zu erkranken? Bildrechte: Getty Images

Bisher wird das Brustkrebsrisiko einer Frau den Forschenden zufolge in der Regel mithilfe dieser klinischen Modelle berechnet – so wie etwa dem des Breast Cancer Surveillance Consortium (BCSC). Diese statistischen Modelle berechnen das Risiko anhand verschiedener Daten wie unter anderem Selbstauskünfte der Patientinnen oder auch Alter, Familiengeschichte der Krankheit und ob sie Kinder geboren haben. Daraus berechnet sich einen Risiko-Score.

Klinische Risikomodelle basieren auf Informationen aus verschiedenen Quellen, die nicht immer verfügbar sind oder abgefragt werden.

Vignesh A. Arasu, Kaiser Permanente

Doch es gibt ein Problem mit diesen Daten, die das statistische Modell füttern, sagt Leitautor Vignesh Arasu, Forschungswissenschaftler und Radiologe vom Gesundheits-Unternehmen Kaiser Permanente Northern California. Das Unternehmen aus der Gesundheitsfürsorge bietet unter anderem auch Krankenversicherungen an. Arasu zufolge sind die klinischen Risikomodelle unvollständig, weil häufig gar nicht alle notwendigen Daten der Patientinnen erfasst würden.

Fünf KI-Algorithmen im Test

Die Anwendungen der Künstlichen Intelligenz bräuchten diese Daten dagegen nicht, erläutert der Radiologe: "Die jüngsten Fortschritte im KI-Deep-Learning geben uns die Möglichkeit, Hunderte bis Tausende zusätzlicher Mammographiemerkmale zu extrahieren." Dafür hat Radiologe Arasu eine KI mit Daten gefüttert: Das Team verwendete die Daten negativer Screening-2D-Mammographien, die im Jahr 2016 bei Kaiser Permanente durchgeführt wurden. Negativ heißt, dass die Bilder keine sichtbaren Anzeichen von Krebs zeigten.

Das Forschungsteam hat eine repräsentative Stichprobe von 13.628 Frauen ausgewählt. Zusätzlich wurden auch alle 4.584 Patientinnen untersucht, bei denen innerhalb der folgenden fünf Jahre Brustkrebs diagnostiziert wurde. Alle Frauen wurden über den fünfjährigen Untersuchungszeitraum bis 2021 begleitet.

Insgesamt fünf verschiedene KI-Algorithmen haben anhand der Screening-Mammographien von 2016 Risico-Scores für eine Brustkrebserkrankung über den Fünfjahreszeitraum berechnet. Zwei davon waren von Forschenden genutzte akademische Algorithmen und drei stammten von kommerziellen Anbietern.

Die berechneten Risiko-Scores hat das Forschungsteam anschließend miteinander und mit den Ergebnissen des klinischen BCSC-Risikomodells verglichen. Das Ergebnis: Alle fünf KI-Algorithmen schnitten bei der Vorhersage des Brustkrebsrisikos nach 0 bis 5 Jahren besser ab als das BCSC-Risikomodell, sagte Erstautor Arasu.

Diese starke Vorhersageleistung legt nahe, dass KI sowohl übersehene Krebserkrankungen als auch Brustgewebemerkmale identifiziert, die dabei helfen, die zukünftige Krebsentwicklung vorherzusagen.

Vignesh A. Arasu, Kaiser Permanente

Dem Forschungsteam zufolge waren einige der KI-Algorithmen sogar hervorragend darin, Patientinnen mit einem hohen Risiko für Intervallkrebs zu erkennen. Das sind Karzinome, die nach dem negativem Screening und vor der nächsten regulären Untersuchung diagnostiziert werden. Sie seien oft aggressiv, groß und weiter fortgeschritten. Deshalb brauche es bei einem hohen Risiko für Intervallkrebs zusätzliche Screenings oder eine Nachuntersuchung in kurzen Abständen, so die Forschenden.

Bei Frauen die zu den zehn Prozent mit dem höchsten Risiko gehörten, prognostizierte die KI beispielsweise bis zu 28 Prozent der Krebserkrankungen, bei der Prognose des klinischen Risikomodells waren es dagegen 21 Prozent.

Die KI braucht nur die Bilder aus dem Mammographie-Screening für ihre Risikobewertung. Bildrechte: IMAGO / Shotshop

KI-basierte Risikomodelle für personalisierte Versorgung

Besonders überraschend für die Forschenden war, dass sogar die KI-Algorithmen, die nur für die kurze Zeit von drei Monaten trainiert wurden, trotzdem in der Lage waren, das zukünftige Krebsrisiko bis zu fünf Jahre besser vorherzusagen als das bisherige Verfahren. Sie bilanzieren deshalb, dass eine Kombination mit Künstlicher Intelligenz diese Risikomodelle in jedem Fall verbessern würde.

Mammographiebasierte KI-Risikomodelle bieten praktische Vorteile gegenüber herkömmlichen klinischen Risikomodellen, da sie eine einzige Datenquelle nutzen: die Mammographie selbst.

Vignesh A. Arasu, Kaiser Permanente

Schon jetzt setzen deshalb einige Gesundheitseinrichtungen auf KI, um den Krebs bei Mammographien besser zu erkennen, erläutert Radiologe Arasu. Künftig könnte auch der individuelle Risiko-Score einer Person binnen Sekunden von einem KI-Algorithmus berechnet sowie Patientin und Arzt mitgeteilt werden. "KI zur Vorhersage des Krebsrisikos bietet uns die Möglichkeit, die Betreuung jeder Frau individuell zu gestalten", so der Mediziner. Es sei ein gutes Werkzeug, um personalisierte Präzisionsmedizin anzubieten.

Link zur Studie

Arasu, Vignesh A. et. al.: Comparison of Mammography AI Algorithms with a Clinical Risk Model for 5-year Breast Cancer Risk Prediction: An Observational Study. Radiology.

(kie)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | 05. Juni 2023 | 18:35 Uhr

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