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Der Hauhechel-Bläuling ist eine der fünf Arten, von denen es in Europa kontinuierlich immer weniger gibt. Bildrechte: IMAGO/imagebroker

UmweltforschungSchmetterlinge: 80 Prozent der Lebensräume kaputt

19. Mai 2023, 15:19 Uhr

Als Tagfalter durch den sonnigen Tag taumeln – sieht verlockend aus, ist es aber nicht. Denn 80 Prozent der Lebensräume von Schmetterlingen in der EU sind beschädigt, zeigen Daten aus ganz Europa.

Mehr als 80 Prozent der Lebensräume von Tagfaltern in der EU sind geschädigt. Das zeigt die jüngste Analyse der Naturschutzorganisation Butterfly Conservation Europe, die Daten zum Schmetterlingsvorkommen im Zeitraum 1990 bis 2020 analysiert hat. Beteiligt an der Datenerhebung waren Forschende und Freiwillige aus ganz Europa.

Wer hat mitgemacht?

Aus den skandinavischen und den Baltischen Ländern waren Schweden, Litauen, Estland, Lettland und Finnland beteiligt. Aus den östlichen Ländern Europas Ungarn, Rumänien, Griechenland, Bulgarien, Zypern. Aus dem mediterranen/atlantischen Raum Portugal, Spanien, Frankreich, aus dem zentraleuropäischen Gebiet Deutschland, Österreich, Polen, Slowakei, Tschechien, Niederlande, Belgien, Dänemark, Irland und Luxemburg, aus dem südlichen Bereich des Kontinents Italien, Kroatien, Malta und Slowenien.

Schmetterlinge wiegen schwer im Ökosystem

"Tagfalter sind ideale Bioindikatoren", sagt der Agrarökologe Prof. Dr. Josef Settele, Forscher am Helmholtz-Zentrum für Umweltschutz (UFZ) in Halle/Leipzig. Zum einen kommen Tagfalter in verschiedensten Lebensräumen vor und reagieren empfindlich auf Veränderungen in der Umwelt. Zum anderen decken sich ihre Ansprüche an die Umwelt mit denen von vielen anderen Insekten. Wenn es also um die Falter übel bestellt ist, gilt das auch für viele andere Insekten. Fatal, wenn man bedenkt, dass auch Tagfalter und andere Insekten neben Bienen, Wespen, Hummeln wichtig sind für die Blütenbestäubung der Pflanzen und damit auch für uns Menschen als Nutznießer der Natur.

Welche Falter wurden beobachtet?

Tagfalter in Not

Der rostfarbige Dickkopffalter nährt sich vom Nektar des Gemeinen Wirbeldosts, Deutschem Ziest, Ross-Minze, Wiesen-Salbei, Oregano oder der Echten Betonie. Die Raupen nähren sich von verschiedenen Gräsern. Bildrechte: IMAGO / Zoonar
Als Raupe braucht der Himmelblaue Bläuling Hufeisenklee und Bunte Kronwicke. Er verpuppt sich unter Moos, Laub und Steinen und gern in der Nähe von Ameisennestern. Den Schmetterling trifft man auf sonnigen, mageren Wiesen zwischen Mai und September. Nur die Männchen sind so blau. Bildrechte: imago images/blickwinkel
Der Mauerfuchs ist auf Waldlichtungen, an Waldrändern oder auf Wiesen mit vielen Wildblumen zwischen Ende Mai und Ende Oktober anzutreffen. Bildrechte: IMAGO / Zoonar
Den seltenen Roten Würfel-Dickkopffalter findet man der Studie zufolge immer seltener, obwohl er sich theoretisch an vielen Orten wohlfühlt: auf Trockenrasen, in Schottergruben oder Steinbrüchen, aber auch an Waldlichtungen und in Gebüschen. Bildrechte: IMAGO / imagebroker/begsteiger
Kleine Wiesenvögelchen - im Sinklflug, der jüngsten Studie nach findet man sie immer seltener. Sie fliegen von Februar bis November, hohe Temperaturen machen ihnen nichts aus. Sie leben auf Wiesen, Weiden, Magerrasen mit Lücken. Bildrechte: IMAGO / McPHOTO
Auch hier gilt: Nur die ausgewachsenen Männchen des Hauhechel-Bläulings sind blau. Was den Lebensraum angeht, sind sie eher anspruchslos, am günstigsten sind offene Landschaften. Allerdings werden sie auch auf ungedüngten, blütenreichen Wiesen, an Böschungen, Dämmen und in der offenen Feldflur sehen. Allerdings gibt es von ihnen laut Studie auch immer weniger. Bildrechte: IMAGO/imagebroker
Wie es um sein Vorkommen steht, ist unklar. der Rotkleebläuling bevorzugt feuchtes mageres Grünland und extensiv genutzte Weiden mit Rotklee. Auch an Böschungen, Deichen und Grabenrändern, sowie an Wegrainen und Waldsäumen könnte man den Rotkleebläuling antreffen. Bildrechte: IMAGO / INSADCO
Cupido Minimus, der Zwerg-Bläuling, ist auf Magerwiesen mit Wundklee anzutreffen. Bildrechte: IMAGO/imagebroker
Ein großer schwarzer Augenfleck auf orangem Grund: Das ist das große Ochsenauge. Sein Bestand gilt als stabil, es lebt auf Wiesen und Trockenrasen, an Waldrändern und -lichtungen, bisweilen auch in Parks und Gärten. Bildrechte: imago images/Shotshop
Allein der Aurorafalter ist der Schmetterlingsstudie zufolge im Aufwind. Seine Bestände scheinen sich zu erholen. Man findet ihn auf Lichtungen, an Waldrändern, auf Brachen, in Wohngebieten, Parks und Gärten. Die Raupen mögen Blüten und Früchte wild wachsender Kreuzblütler wie Knoblauchrauke, Schaumkraut, Meerettich und Echtes Barbarakraut. Erwachsene Tiere nähren sich vom Nektar des Wiesen-Schaumkrauts und der Knoblauchs-Rauke, aber auch der Zaunwicke, Roten Lichtnelke, Sternmiere oder Weißdorn. Bildrechte: Ulrike Schäfer

Wie wurde das konkret gemacht?

In Deutschland zum Beispiel gibt es seit 2005 das Tagfalter-Monitoring, ein Citizen-Science-Projekt, das vom UFZ und der Gesellschaft für Schmetterlingsschutz (GfS) ins Leben gerufen wurde. Dabei laufen bundesweit Falter-Fans im Sommerhalbjahr regelmäßig festgelegte Strecken ab, zwischen 0.5 bis 3 Kilometer Länge, und zählen die dabei beobachteten Schmetterlinge: 2,5 Meter rechts und links von ihnen, bis 5 Meter vor und über ihnen.

In den Niederlanden sieht man den Thymian-Ameisenbläuling gar nicht mehr. Bildrechte: IMAGO / Zoonar

Ähnliche Monitoring-Programme gibt es inzwischen auch in den meisten anderen Ländern Europas. UFZ-Forscher Josef Settele zufolge sind inzwischen europaweit etwa 5.000 Freiwillige für solche Projekte im Einsatz. Alle arbeiten nach der gleichen Methode. Die so gewonnenen Daten werden in die zentrale Datenbank "European Butterfly Monitoring Scheme" (eBMS) eingespeist und dann ausgewertet. Dabei kam zum Beispiel heraus, dass in den Niederlanden der Thymian Ameisenbläuling inzwischen komplett verschwunden ist.

Was bringt die Studie?

Tatsächlich machen die fehlenden Falter Wind und zwar in Form einer EU-Biodiversitätsstrategie für 2030. Zwei Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung müssen die EU-Mitgliedstaaten einen Plan vorlegen, wie sie Ökosysteme renaturieren und später dann auch nachweisen, wie sich die Maßnahmen auf das Vorkommen der gefährdeten Arten ausgewirkt hat.

Links/Studien

Den kompletten Monitoring-Bericht finden Sie hier als PDF.

lfw

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR UM 4 | 04. April 2023 | 16:00 Uhr

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