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Manche Kinder essen viel, andere wenig. Doch das muss noch keine Essstörung sein. Bildrechte: imago images / Panthermedia

Was Eltern wissen solltenEssstörungen bei Kindern erkennen und ihnen helfen

17. November 2022, 15:12 Uhr

Fettsucht, Magersucht, selektive Essstörung usw. – Krankheiten, die mit der Nahrungsaufnahme zu tun haben, gibt es viele. Davon sind auch Kinder und Jugendliche betroffen. Woran Eltern merken, dass etwas nicht stimmt, wie sie helfen können und wie sie selbst Hilfe finden.

Was ist überhaupt eine Essstörung?

Eine Essstörung ist eine ernsthafte Erkrankung in deren Mittelpunkt das Thema "Essen" steht. Es ist aber kein Ernährungsproblem. Gestört sind der Umgang mit dem Essen und das Verhältnis zum eigenen Körper.

Betroffene schränken ihre Nahrungsaufnahme stark ein, kontrollieren sie ausgeprägt oder verlieren völlig die Kontrolle darüber.

Eine Folge der PandemieDas Ergebnis einer Analyse aktueller Krankenhausdaten der DAK-Gesundheitskasse für den Kinder- und Jugendreport 2022 ergab, dass die Corona-Pandemie massive Folgen für die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland hinterlassen hat.

So stiegen 2021 Depressionen und Essstörungen bei Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren weiter an. Mädchen wurden mit psychischen Erkrankungen deutlich häufiger stationär behandelt als Jungen.

Essstörungen bei Kindern

Die Krankheitsformen:

Experten sprechen von drei hauptsächlichen Erkrankungsformen der Essstörung bei Kindern mit unterschiedlichen Störungsbildern:

  • Die Binge-Eating Störung: Betroffene erleiden immer wiederkehrende Essanfälle mit Kontrollverlust. Die Essanfälle erfolgen mindestens einmal pro Woche in drei Monaten. Die Betroffenen haben ein gestörtes Hunger- und Sättigungsgefühl, sind häufig übergewichtig oder fettleibig. Sie leiden unter den Essanfällen und ekeln sich vor sich selbst.

  • Bulimie (Bulimia nervosa): Betroffene haben auch hier Essanfälle. Große Portionen werden heimlich und hastig verschlungen, Betroffene können nicht kontrollieren, was und wie viel sie essen. Nach den Essanfällen kommt es zu Schuldgefühlen. Um die Kalorien wieder los zu werden, steuern Betroffene gegen – zum Beispiel mit Erbrechen, Fasten, Diäten, Medikamenten oder übermäßigem Sport. 

  • Magersucht (Anorexie): Untergewicht durch starken Gewichtsverlust ist hier das Hauptmerkmal. Betroffene haben hauptsächlich geringes Gewicht durch Hungern, aber auch durch Erbrechen, übermäßig viel Sport oder die Einnahme von Medikamenten wie Abführmittel. Ständig wird gewogen und es werden Kalorien gezählt, Betroffene haben panische Angst zuzunehmen und fühlen sich trotz Untergewicht zu dick. Häufig und insbesondere zu Beginn der Essstörung verstehen sie nicht, dass ihr Verhalten krankhaft geworden ist.

Weitere Essstörungen, an denen manche Kinder leiden:

Esssucht zeigt sich in erhöhtem Gewicht des Kindes. Bildrechte: imago images/Prazis

Manche Kinder leiden an selektiven Essstörungen, bei der die Lebensmittelauswahl, die Kinder zu sich nehmen, extrem eingeschränkt wird. Dabei kommt es zu Nährstoffmängeln, die Gesundheitsprobleme auf den Plan rufen können.

Die Esssucht ist das Gegenteil der Magersucht und zeichnet sich durch dauerhafte "Fressattacken" und erhöhtes Gewicht aus.

In welchem Alter Essstörungen beginnenEssstörungen beginnen meist in der Phase des Erwachsenwerdens. Am häufigsten sind Mädchen und junge Frauen betroffen. Auch Jungen und Männer können daran erkranken.

Symptome, die Eltern kennen sollten

Kinder und Jugendliche schaffen es oft und lange, die Symptome der Essstörung wie einer Magersucht so gut es geht zu verstecken.

Dieses Verhalten hat etwas mit der Kontrolle über die Störung und das damit einhergehende Aufwertungsgefühl zu tun: Je besser ich meine Essstörung verbergen kann, desto effektiver bin ich.

Auf folgende Symptome sollten Eltern achten:

  • Vermehrtes Sporttreiben und damit einhergehender starker Gewichtsverlust
  • Auffällig häufiges Wiegen und Unzufriedenheit mit dem Gewicht
  • Auffälliges Essverhalten wie Reduzierung der Mahlzeiten oder sogar die Verweigerung
  • Einnahme von Medikamenten wie Appetitzügler, entwässernde Medikamente oder Abführmittel
  • Heißhungerattacken oder andere Hungersignale (besonders bei Bulimie)
  • Erbrechen und lange Toilettenaufenthalte, besonders auffällig nach dem Essen
  • Allgemeine plötzliche Stimmungsschwankungen
  • Ekel gegenüber bestimmten Nahrungsmitteln oder Essensgerüchen
  • Ausbleiben der Menstruation durch extreme Gewichtsabnahme

Wie Eltern ihrem Kind helfen können, bis eine Therapie beginnt

Eltern sollten den körperlichen Zustand des Kindes im Blick behalten.

Das Gewicht sollte beim Kinderarzt regelmäßig kontrolliert werden. Bildrechte: imago images/jhandersen

Regelmäßige Termine beim Kinderarzt zur Gewichtskontrolle sind zu empfehlen. Stellt dieser ein gefährliches Untergewicht oder körperliche Folgeerscheinungen fest, kann er in ein Krankenhaus einweisen (je nach körperlicher Verfassung Kinderheilkunde oder Kinder- und Jugendpsychiatrie). Der Arzt im Krankenhaus entscheidet dann, ob die Behandlung zunächst noch weiter ambulant erfolgen kann und eine geplante stationäre Aufnahme über die Warteliste erfolgt oder ob eine sofortige Aufnahme erforderlich ist.

Generelle Diskussionen um Gewicht, Kalorien, Körpermaße oder das Essen sollten möglichst vermieden werden.

Eltern sollten nicht auf das Aussehen der Betroffenen eingehen. Auch Loben für Zu- oder Abnehmen sollte vermieden werden.

Das leicht über die Lippen gehende "Na, du siehst ja wieder besser aus, beim letzten Mal warst du so dünn", kann bei Betroffenen zu Selbstvorwürfen führen und die Krankheit verstärken.

Hilfen für Betroffene und Angehörige

Sehr wichtig: Nicht die Augen verschließen und nicht tatenlos zusehen. Essstörungen sind keine Phasen oder Schlankheitsticks, die irgendwie vorübergehen. Essstörungen sind Krankheiten, die nicht nur das essgestörte Kind, sondern meistens die ganze Familie extrem belasten.

Wenn Eltern und/oder Angehörige den Verdacht haben, dass eine Essstörung vorliegt, sollten sie sich informieren. Was kennzeichnet die Krankheit? Wie verläuft sie? Wie wirkt sie sich auf Körper, Seele und soziale Beziehungen aus? Über die Krankheit Bescheid zu wissen, ist eine gute und wichtige Voraussetzung, um sie zu verstehen und um helfen zu können.

Ausführliches Informationsmaterial bietet die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Auch ein persönliches Gespräch mit dem Kinder- oder Jugendarzt oder einer Beratungsstelle für Essstörungen ist hilfreich.

Das Beste ist, mit dem Arzt nach geeigneten Psychotherapeuten zu suchen. Als Therapieformen unterscheidet man u.a. Einzeltherapie, Gruppentherapie, ambulante Therapie, tagesklinische Therapie und stationäre Therapie.

Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) stellt jedem Kassenarzt, aber auch jedem Laien, kostenlos Adressen von zugelassenen und approbierten Psychotherapeuten zur Verfügung. Es gibt je eine Kassenärztliche Vereinigung in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie eine Bundeskassenärztliche Vereinigung in Berlin.

In den KVs kann man u.a. erfragen, welche Therapeuten zu dem Zeitpunkt, zu dem eine Therapie gesucht wird, einen Therapieplatz frei haben.

Bildrechte: privat

Unsere ExpertinAnnick Martin arbeitet als Ärztin in der Eltern-Kind-Einheit der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik des Kindes- und Jugendalters in Leipzig. Sie ist Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde sowie Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie -psychotherapie.

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Quelle: MDR um 4

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 17. November 2022 | 17:00 Uhr