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Rechtsexperte Gilbert HäfnerWann verjährt eine Rechnung oder der Anspruch auf Schadensersatz?

14. Dezember 2023, 10:00 Uhr

Ob nach der mangelhaften Reparatur einer Waschmaschine, Mängeln beim Hausbau oder einer nicht gezahlten Mietkaution – wenn Sie noch Rechnungen mit anderen offen haben, müssen Sie Fristen beachten. Welche das sind? Wann die Verjährungsfrist überhaupt einsetzt und ob manche Ansprüche niemals auslaufen, klärt der ehemalige Präsident des Oberlandesgerichtes in Dresden, Gilbert Häfner.

Welche Bedeutung hat die Verjährung eines Rechtsanspruchs?

Nach Eintritt der Verjährung ist der Schuldner eines Rechtsanspruchs berechtigt, die Leistung zu verweigern. Wer allerdings einen bereits verjährten Anspruch noch erfüllt, kann das Geleistete nicht zurückfordern, und zwar auch dann nicht, wenn er in Unkenntnis der Verjährung geleistet hat (§ 214 BGB).

Welche Fristen gelten für die Verjährung im Zivilrecht und wann beginnen sie?

Die Verjährungsfrist endet bei Schadensersatzansprüchen unter bestimmten Voraussetzungen erst nach 30 Jahren. Bildrechte: IMAGO / Steinach

  • Die regelmäßige Verjährungsfrist im Zivilrecht beträgt drei Jahre und beginnt grundsätzlich mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§§ 195, 199 Abs. 1 BGB).
  • Ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis tritt die Verjährung spätestens zehn Jahre nach der Entstehung des Anspruchs ein (§ 199 Abs. 4 BGB).
  • Bei Schadensersatzansprüchen endet die Verjährungsfrist unter bestimmten Voraussetzungen erst nach 30 Jahren, gerechnet von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 199 Abs. 2 und 3 BGB).

Wollen Sie Ansprüche für Mängel an einem Bauwerk erheben, beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Bildrechte: IMAGO / serienlicht

  • Besonderheiten bestehen bei bestimmten Ansprüchen, wie etwa denjenigen auf Nacherfüllung, Schadensersatz und Ersatz vergeblicher Aufwendungen beim Kauf (§ 437 Nr. 1 und 3 BGB). Hier beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre bei bestimmten Rechtsmängeln, fünf Jahre bei Mängeln an einem Bauwerk und im Übrigen – also im Regelfall – zwei Jahre (§ 438 Abs. 1 BGB).

Wann beginnt die Verjährung?

Bildrechte: imago/Panthermedia

Die Verjährung beginnt bei Grundstücken mit der Übergabe, im Übrigen mit der Ablieferung der Sache (§ 438 Abs. 2 BGB).
Hat der Verkäufer den Mangel arglistig (vorsätzlich) verschwiegen, verjähren die vorbezeichneten Ansprüche – mit Ausnahme derjenigen wegen bestimmter Rechtsmängel – in der Regel frühestens in drei Jahren beginnend mit dem Schluss des Jahres, in dem sie entstanden sind und der Käufer Kenntnis von dem Mangel erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, und höchstens in 10 Jahren von ihrer Entstehung an (§§ 438 Abs. 3 und Abs. 1 Nr. 2 und 3, 195, 199 Abs. 1 und 3 Nr. 1, Abs. 4 BGB).

Worin besteht der Unterschied zwischen Verjährung und Verwirkung?

Während die Verjährung eines Anspruchs allein an den Ablauf einer bestimmten Frist anknüpft, setzt Verwirkung voraus, dass sich der Schuldner nach dem über einen gewissen Zeitraum an den Tag gelegten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte, dieser werde seinen Anspruch auch zukünftig nicht geltend machen.

Beispiel:Wer etwa nach Ausspruch einer Kündigung das Vertragsverhältnis dem äußeren Anschein nach unverändert fortsetzt, kann sich dem Einwand der Verwirkung aussetzen, wenn er sich erst nach längerer Zeit auf die Rechtsfolgen der Kündigung beruft.

Beispiele

Kann der Mieter die auf eine verspätet erstellte Betriebskostenabrechnung geleistete Zahlung vom Vermieter zurückverlangen, nachdem er bemerkt hat, dass die Abrechnung verspätet war?

Hat der Mieter eine Betriebskostenabrechnung versehentlich gezahlt, obwohl der Vermieter sie im nach Ablauf der Frist zugestellt hat, kann er die Zahlung zurückfordern. Bildrechte: imago images / Shotshop

Die verspätete Abrechnung von Betriebskosten durch den Vermieter führt nicht zur Verjährung, sondern zum Erlöschen des Anspruchs (§ 556 Abs. 3 Satz 3 BGB).

Eine Leistung auf einen tatsächlich nicht (mehr) bestehenden Anspruch kann nach den Grundsätzen der ungerechtfertigten Bereicherung zurückverlangt werden.

Hat also der Vermieter dem Mieter die Nebenkostenabrechnung später als zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraumes zukommen lassen, so kann der Mieter die hierauf versehentlich geleistete Zahlung vom Vermieter zurückfordern – es sei denn, dieser Rückforderungsanspruch wäre seinerseits bereits verjährt.

Ist ein Internet-Händler berechtigt, in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen für Mängelhaftungsansprüche des Käufers eine kürzere als die gesetzlich vorgesehene zweijährige Verjährungsfrist zu bestimmen?

Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit ist es den Parteien eines Kaufvertrages durchaus möglich, die gesetzlichen Verjährungsfristen abzukürzen.
Von vornherein ausgeschlossen ist diese Option allerdings, soweit es um die Haftung wegen Vorsatzes geht (§ 202 Abs. 1 BGB).

Ferner gibt es zum Schutze des Verbrauchers Einschränkungen beim Verbrauchsgüterkauf, also dem Kauf einer beweglichen Sache durch einen Verbraucher bei einem Unternehmer.

Insoweit darf vor Mitteilung eines Mangels keine Vereinbarung getroffen werden, die effektiv zu einer Verkürzung der gesetzlichen Verjährungsfrist auf weniger als zwei Jahre, bei gebrauchten Sachen auf weniger als ein Jahr führt (§§ 474, 476 Abs. 2 BGB). Eine Klausel, die damit nicht in Einklang steht, ist unwirksam.  

Kann eine gesetzliche Krankenkasse, die über vier Jahre hinweg infolge eines Rechenfehlers einen zu niedrigen Monatsbeitrag erhoben hat, vom Versicherten eine Nachzahlung in Höhe des Differenzbetrags verlangen?

Auch öffentlich-rechtliche Ansprüche unterliegen der Verjährung, wobei allerdings besondere Vorschriften gelten.

So verjähren Ansprüche auf Beiträge zur gesetzlichen Krankenkasse nach § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Der zu wenig entrichtete Betrag kann daher für diesen Zeitraum von der Krankenkasse nachverlangt werden.

Muss auf einen Bußgeldbescheid, der dem Betroffenen erst vier Monate nach Begehen der Ordnungswidrigkeit zugeht, noch Zahlung geleistet werden oder ist die Forderung verjährt?

Wenn kein Bußgeldbescheid ergangen ist, beträgt die Verjährung bei Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr 3 Monate. Bildrechte: IMAGO / Becker&Bredel

Die Verjährungsfrist für Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr – ausgenommen die Überschreitung der 0,5 Promille-Grenze – beträgt drei Monate, solange wegen des Verstoßes weder ein Bußgeldbescheid ergangen noch öffentliche Klage erhoben ist, danach sechs Monate (§ 26 Abs. 3 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG).

Auch insoweit kann sich die Verjährung jedoch durch Ruhen oder zur Unterbrechung verlängern. Beispielsweise beginnt mit der erstmaligen Versendung eines Anhörungsbogens an den Betroffenen die Verjährungsfrist von neuem zu laufen.

Eine rechtskräftig festgesetzte Geldbuße von mehr als 1.000 € darf nach fünf Jahren, eine solche bis zu 1.000 € nach drei Jahren nicht mehr vollstreckt werden. Die Vollstreckungsverjährung beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Verjährung ruhen, etwa wenn Ratenzahlung bewilligt ist (§ 34 OWiG).

Wie lange können rückständige Alimente eingefordert werden?

Für Unterhaltsansprüche gilt eine Verjährungsfrist von 3 Jahren. (Symbolbild) Bildrechte: picture alliance/dpa | Monika Skolimowska

Für Unterhaltsansprüche gilt die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.

Zu beachten ist allerdings, dass der Unterhaltsverpflichtete zunächst zur Zahlung oder zur Erteilung von Auskunft über seine Einkünfte und Vermögen aufgefordert worden sein muss. Anderenfalls kann für die Vergangenheit kein Unterhalt gefordert werden (§ 1613 BGB).

Mehr zu Ihrem Recht:

Gibt es Ansprüche, die niemals verjähren?

Zu den nicht verjährbaren Ansprüchen gehören solche aus familienrechtlichen Verhältnissen, soweit sie auf die Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustandes für die Zukunft gerichtet sind. Dazu gehören zum Beispiel Ansprüche auf Herausgabe eines Kindes an den sorgeberechtigten Elternteil bei widerrechtlicher Vorenthaltung oder der Anspruch auf Ehegattenunterhalt für die Zukunft.

Der Anspruch auf eine Berichtigung eines Grundbucheintrags verjährt nie. Bildrechte: imago/CHROMORANGE

Auch der Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung verjährt nicht. Darüber hinaus gibt es eine Reihe weiterer gesetzlicher Bestimmungen, welche die Verjährung von Ansprüchen ausdrücklich ausschließen, z. B. den Anspruch auf Grundbuchberichtigung (§ 898 BGB) oder einzelne nachbarrechtliche Ansprüche (§ 924 BGB).

Wie ist die Verjährung von Steuerschulden geregelt?

Das Steuerrecht unterscheidet zwischen der Verjährung der vom Finanzamt noch nicht festgesetzten Steuerschuld (Festsetzungsverjährung, §§ 169 ff. Abgabenordnung – AO) und der festgesetzten Steuerschuld (Zahlungsverjährung, §§ 228 ff. AO).

Bei der letztgenannten beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre; sie beginnt nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem eine Steuerfestsetzung oder Steueranmeldung wirksam geworden ist.

Die Frist für die Festsetzungsverjährung hingegen beträgt bei den meisten Steuerarten vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist. Bei Hinterziehung und leichtfertiger Verkürzung einer Steuer beträgt die Festsetzungsfrist allerdings zehn bzw. fünf Jahre.

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MDR (jba)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 14. Dezember 2023 | 17:00 Uhr