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Kanzlerkandidatin im PorträtAnnalena Baerbock – Fehlstart statt Aufbruch

23. August 2021, 10:00 Uhr

Nach sechzehn Jahren Angela Merkel wirkte die Kandidatur von Annalena Baerbock zunächst wie ein Aufbruch. Zum ersten Mal wagt eine Grüne eine Kandidatur für das Kanzleramt. Die 40 Jahre junge Vertreterin einer neuen politischen Generation, Mutter von zwei Kindern, Parteivorsitzende und Bundestagsabgeordnete greift nach der Macht. Natürlich fragte die Berliner Presse gleich, was man bei einem Mann nie gefragt hätte: Könnte sie das überhaupt? Ohne Regierungserfahrung?

Mittlerweile scheint die Frage durchaus berechtigt. Denn Baerbock hat durch eigene Schuld ihren Vertrauensvorschuss und damit wahrscheinlich auch die Chance der Grünen auf das mächtigste Amt im Staat verspielt. Da wurden Weihnachtsgeld und Bonuszahlungen der Bundestagsverwaltung verschwiegen, weil man das altruistische Bild der grünen Parteivorsitzenden ohne Gehalt aufrechterhalten wollte. Da schönte Baerbock ihren Lebenslauf. Aus dem Trainee am "British Institute of Comparative und Public International Law" wurde eine Mitarbeiterin, obwohl sie dort nicht mehr als ein Praktikum absolviert hatte.

Immer wieder änderte sie ihre Angaben zu Studium und Studienabschluss an der Universität Hamburg. Außerdem mussten Informationen zu Mitgliedschaften in Organisationen korrigiert werden, bei denen man gar nicht Mitglied sein kann, wie dem Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Nun muss sie sich auch noch mit Plagiatsvorwürfen zu ihrem Buch "Jetzt" auseinandersetzen. Wie andere vor ihr hat sie wohl manche passende Formulierung anderswo abgeschrieben oder ohne Kennzeichnung übernommen.

Steckbrief Annalena Baerbock

  • Geboren: 15.12.1980 in Hannover
  • Abitur in Hannover und Studium zur Politikwissenschaft in Hamburg (Vordiplom), Masterstudium in Public International Law in London (Abschluss Master of Laws)
  • Privates: Baerbock ist evangelisch, verheiratet und hat zwei Kinder
  • 2000 – 2003: Freie Mitarbeiterin der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung
  • 2008 – 2013: Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Europa für die Grünen
  • 2009 – 2012: Vorstandsmitglied der Europäischen Grünen Partei
  • 2009 – 2013 Grünen-Ko-Parteivorsitzende in Brandenburg
  • 2012 – 2015: Mitglied des Grünen-Parteirats
  • seit 2018: Ko-Bundesvorsitzende der Grünen mit Robert Habeck


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Allgemein

Wer hält an fossilen Brennstoffen oder Atomkraft fest? Welche erneuerbaren Energien favorisieren die Parteien? Der Klimaschutz spielt im Bundestagswahlkampf eine wichtige Rolle. Lesen Sie hier, welche Ideen CDU/CSU, SPD, AfD, FDP, Linke und die Grünen verfolgen.

CDU/CSU

Die Union will Deutschland bis 2045 zu einem "klimaneutralem Industrieland" umbauen. Sie bekennt sich zum Pariser Klimaschutzabkommen und will das 1,5-Grad-Ziel erreichen. Das werde nur gelingen, wenn sich "Investitionen und Projekte in die Dekarbonisierung sich letztlich als wirtschaftlich erweisen". Dabei will sie auf "innovative Technologien und wirtschaftliche Investitionen" setzen. Bis 2030 sollen die Treibhausemissionen im Vergleich zum Jahr 1990 um 65 Prozent gesenkt worden sein. Die Union setzt auf den Emissionshandel und will diesen zu einem europäischen ausbauen. Die Union will Klimaneutralität zu einem Wettbewerbsvorteil der hiesigen Wirtschaft machen. Investitionen in Klimatechnologien und Energieeffizienz sollen steuerlich besser absetzbar gemacht werden. CDU und CSU wollen den Ausbau der erneuerbaren Energien entscheidend voranbringen und schneller ausbauen. Zum Energiemix sollen die Energiegewinnung aus Sonne und Wind genauso wie nachhaltige Biomasse, Wasserkraft und Geothermie im ländlichen Raum gehören. Die Forschung in der Energieentwicklung soll gefördert werden, um das Land von Stromimporten unabhängig zu machen.

SPD

Die SPD will Klimaneutralität in Deutschland bis spätestens 2045. Der Strom soll bis 2040 komplett regenerativ erzeugt werden. Eine Reform der Erneuerbare-Energien-Umlage soll Stromkosten senken. Einen CO2-Preis fürs Heizen sollen Vermieter zahlen. Alle öffentlichen Gebäude und gewerblichen Neubauten sollen Solarstrom erzeugen. SPD-Ziel ist eine Solaranlage auf jedem Supermarkt, jeder Schule und jedem Rathaus. Deutschland soll bis 2030 Leitmarkt für Wasserstofftechnologien werden – für die klimaneutrale Erzeugung von Stahl, für CO2-arme Pkw, Lkw und den Schiffs- und Flugverkehr.

AfD

Die AfD lehnt die Senkung der CO2-Emissionen in Deutschland auf null und den Umbau der Industrie ab. Die AfD bezweifelt, dass die jüngste globale Erwärmung nur negative Folgen haben werde. Sie hält den Kampf gegen den Wandel indes für aussichtslos und sieht es als nicht belegt an, dass der Klimawandel menschengemacht ist. Die Partei will das Pariser Klimaschutzabkommen aufkündigen und lehnt den europäischen "Green Deal" zur CO2-Reduktion ab. Sie will die Förderung von verschiedenen erneuerbaren Energien und Antrieben einstellen. Sie will weiter Braun- und Steinkohle verstromen. Zudem tritt sie für eine Rückkehr zur Atomkraft, d.h. den Neubau von Kernkraftwerken, ein.

FDP

Die FDP will Klimaschutz und Ökonomie besser verbinden. Die Energiewende soll über den Wettbewerb am Markt und Innovationen funktionieren. Gesetzlich vorgegebene Technologien und die Förderung nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) will sie stoppen. Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe sieht die FDP neben Strom als zweite Säule des künftigen Energiesystems. Statt einem Verbot von herkömmlichen Verbrennungsmotoren, will die FDP auf klimafreundliche synthetische Kraftstoffe umstellen. Auch seien Kunststoffe vielfältig einsetzbar und günstig, durch ihr geringes Gewicht werde CO2 eingespart und sie seien gut recycelbar. Zum Schutz natürlicher Lebensgrundlagen setzt die FDP auf "Bioökonomie". Als Beispiele nennt sie Klebstoffe aus Pflanzen, Smartphone-Displays aus Zucker oder T-Shirts aus Kaffeesatz. Die Liberalen bekennen sich zum Pariser Abkommen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen und zur Klimaneutralität bis 2050. Als Hauptinstrument favorisiert die FDP den CO2-Emissionshandel. Klimaschutz-Projekte in anderen Staaten etwa zur Waldaufforstung sollten auf die eigene CO2-Bilanz angerechnet werden können.

DIE LINKE

Die Linke fordert einen Kohleausstieg bis spätestens 2030. Auch ein Ausstieg aus der Verbrennung von Erdgas soll folgen. Mit einem staatlichen Transformationsfonds über 20 Milliarden Euro pro Jahr will die Linke den ökologischen Umbau, insbesondere der Autozuliefererindustrie, unterstützen. Von diesem Fonds sollen Betriebe profitieren, die Arbeitsplätze erhalten und flächendeckende Tarifverträge haben. Bis 2025 will die Partei eine Million Arbeitsplätze schaffen, die helfen sollen, Wirtschaft und Infrastruktur bis 2035 komplett klimaneutral zu machen. Den Emissionshandel lehnt die Partei ab. Umwelt- und Klimaschutz sollen als Grundrechte ins Grundgesetz aufgenommen werden. Die Linke will, dass sich der Staat aus Finanzanlagen, Investitionen und Subventionen zurückzieht, die dem Klima schaden. Die Energieversorgung soll sich am Gemeinwohl ausrichten und in Stadtwerken und Genossenschaften organisiert werden. Strom- und Wärmenetze sollen in die öffentliche Hand überführt werden. Kommunen sollen beim klimaneutralen Umbau unterstützt werden.

GRÜNE

Der Klimaschutz zieht sich bei den Grünen durch das gesamte Programm. Die Partei strebt Klimaneutralität und einen klimagerechten Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft an. In 20 Jahren soll Deutschland dem Grünen-Programm zufolge klimaneutral sein. Mit einem Klimaschutz-Sofortprogramm soll das Land wieder auf den 1,5-Grad-Pfad des Pariser Klimaschutzabkommens gebracht werden. Bis 2030 sollen in Deutschland 70 Prozent CO2 eingespart werden. Erreichen will man das auch mit einem schnelleren Kohleausstieg ebenfalls bis 2030. Zudem plant die Partei eine "CO2-Bremse" für alle Gesetze – Gesetzesvorhaben sollen also auf ihren CO2-Ausstoß hin geprüft werden. Die Vorgaben des Pariser Klimaschutzvertrages und den Atomausstieg wollen die Grünen im Grundgesetz verankern. Der nationale CO2-Preis soll angehoben werden und ab 2023 60 Euro betragen. Das Europäische Emissionshandelssystem wollen die Grünen reformieren, sodass es weniger Zertifikate auf dem Markt gibt und sich der CO2-Preis für die Industrie ebenfalls erhöht. Um die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu entlasten und die Einnahmen aus dem CO2-Preis zurückzugeben, wollen die Grünen die EEG-Umlage senken und ein "Energiegeld" einführen. Auch mit dem Arten- und Waldsterben befasst sich das grüne Wahlprogramm. Beim Bau von Siedlungs- und Industriegebieten soll der Naturschutz grundsätzlich beachtet werden. Für Landschaftsschutzgebiete soll es einen Entwaldungsstopp geben. Wälder wollen die Grünen naturnah bewirtschaften. Fünf Prozent der Waldfläche soll gar nicht bewirtschaftet werden, um die "Urwälder von morgen" zu schaffen. Wo möglich, sollen Wälder, Flüsse, Auen und Moore renaturiert werden. Strengere Vorgaben für Tierhaltung und Pestizideinsatz sollen für sauberes Wasser sorgen. Außerdem strebt die Partei eine Reform der Abwasserabgabe und einen Verursacherfonds an, in den Wasserverschmutzer einzahlen sollen. Um die Meere zu schützen, streben die Grünen ein Ende der Öl- und Gasbohrungen in Nord- und Ostsee, sowie einen Ausstieg aus Kies- und Sandabbau an. Zur Müllvermeidung setzt die Partei auf eine "Zero Waste Strategie", ein Kreislaufwirtschaftsgesetz, ein vereinfachtes Pfandsystem sowie Pfand auf Handys, Tablets und Akkus.

Kanzlerkandidatin ist ehrlich beim Klimaschutz

Zugutehalten muss man Annalena Baerbock, dass sie, anders als ihre beiden Mitbewerber Laschet und Scholz den Menschen reinen Wein einschenkt, dass mehr Klimaschutz nicht zum Nulltarif zu haben ist und uns wahrscheinlich an vielen Stellen eine Veränderung unserer derzeitigen Lebensweise abverlangen wird. So wird die Erhöhung des CO-2-Preises natürlich an der Zapfsäule vor allem die Pendler treffen.

Kurzstreckentrips per Flugzeug von Berlin nach München oder Köln werden auf Dauer bei einer Besteuerung des Kerosins kaum noch sinnvoll sein, weil sie dann deutlich mehr kosten als bisher, und die Schiene die klimafreundlichere Alternative ist. Außenpolitisch fährt Baerbock einen deutlich radikaleren Kurs gegenüber Russland und China als die bisherige Regierung und könnte da schnell bei der Wirtschaft auf Widerstand stoßen.

Landet Annalena Baerbock auf der Regierungs- oder Oppositionsbank?

Auf einen Sieg kann Baerbock nach den derzeitigen Umfragewerten kaum noch hoffen. Grün-Rot-Rot ist weit von einer Mehrheit entfernt. Jetzt muss es ihr wenigstens gelingen, den Rückstand zur Union wieder so zu verringern, dass es für eine schwarz-grüne Zweierkoalition reicht oder die Union gegen die Grünen keine Regierung bilden kann.

Für Baerbocks Partei wäre es eine große Enttäuschung, wenn man wieder nur auf den Oppositionsbänken landet, obwohl man in den vergangenen Jahren schon so fürs Regieren im Bund geübt hat. Immerhin ist man in vielen Landesregierungen vertreten. In der Corona-Pandemie stand man oft an der Seite der Großen Koalition. Noch könnte es für die Plätze auf der Regierungsbank im Bundestag nicht zu spät sein.

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