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Eine Trennung muss von Kindern erst einmal verarbeitet werden. Die Eltern können mit der Wahl des richtigen Wohn-Modells helfen. Bildrechte: imago/PantherMedia / Ronalds Stikans

Verschiedene ModelleBei wem sollten Scheidungskinder wohnen?

06. September 2022, 11:21 Uhr

Wenn Eltern sich trennen, ist das für Kinder ein emotional schwieriges Erlebnis. Damit Kinder keinen seelischen Schaden nehmen, sollten Eltern Entfremdung und Loyalitätskonflikte vermeiden. Vor allem muss das passende Betreuungsmodell gefunden werden: Residenzmodell, Wechselmodell, Nestmodell oder Familien-WG? Erziehungsexpertin Nora Imlau weiß, wann welches Modell sinnvoll ist.

von Nora Imlau, Erziehungsexpertin

Wie finden Eltern für sich und ihr Kind das richtige Umgangsmodell?  

Nora Imlau, Erziehungsexpertin: Wichtig dafür ist, wie gut die Eltern nach der Scheidung miteinander kommunizieren. Denn je häufiger Kinder vom einen zum anderen wechseln, desto öfter müssen Mama und Papa miteinander reden. Wenn das nach der Scheidung schwierig ist, kann man den persönlichen Kontakt vermeiden und stattdessen schriftlich kommunizieren. Das geht über Messenger oder auch über ein Notizbuch, das immer zusammen mit dem Kind übergeben wird. Darin können Eltern festhalten, was in der Schule ansteht oder was es gesundheitlich zu beachten gilt. Bei den wichtigsten Erziehungsfragen sollte man sich einig sein. Denn es ist verwirrend, wenn die Elternteile sich unterschiedlich verhalten.

Auch Gerichte können über den Wohnort des Kindes entscheiden. Bildrechte: imago images/Panthermedia

Dass Eltern trotz Scheidung gemeinsam Entscheidungen treffen können, ist der Idealfall. Doch wenn ein Elternteil sich nicht kümmern kann oder will, können in Deutschland auch Familiengerichte bestimmen, bei wem der Nachwuchs lebt. Auch dann, wenn die Familie in eheähnlicher Gemeinschaft gelebt habt.

Ein wichtiger Punkt ist auch, wer bisher die Hauptbezugsperson gewesen ist. Kann das Scheidungskind damit leben, wenn dieses Elternteil nicht da ist? Wie autonom ist der Nachwuchs bereits? Entscheidend ist dabei das Alter. Ein Säugling beispielsweise, der gestillt wird, muss die meiste Zeit bei seiner Mutter sein. Nicht zuletzt spielt es auch eine Rolle, wie weit die Wohnungen von getrennten Paar auseinander liegen. Denn für Scheidungskinder ist Kontinuität wichtig. Sie sollten bei längeren Aufenthalten immer noch regelmäßig ihre Freunde treffen können und ihrem Vereinssport nachgehen.

Residenzmodell

Bei dieser klassischen Regelung lebt das Kind nur bei einem Elternteil und sieht das andere an Wochenenden. Das Modell ist in Deutschland am häufigsten und bietet sich besonders bei Säuglingen und Kleinkindern an. In dem Fall ist es auch möglich, dass das andere Elternteil – meist der Vater – für einige Stunden zu Besuch kommt. Je jünger Scheidungskinder sind, desto häufiger sollten die Besuche sein, damit auch zu diesem Elternteil eine Bindung entsteht. Die Feiertage können mit beiden Eltern zusammen verbracht oder aufgeteilt werden.

Wechselmodell

Hierbei verbringen Scheidungskinder etwa ein oder zwei Wochen bei der Mutter, dann beim Vater. Dafür müssen die Wohnungen so nah beieinander liegen, dass der Alltag außer Haus bei Kindern der gleiche bleiben kann. Etwa ab dem Grundschulalter eignet sich dieses Modell. Dafür ist es besonders wichtig, dass die Eltern gut miteinander kommunizieren können. Bisher ist das Wechselmodell in Deutschland noch selten. Es stellt beide Elternteile gleich und ermöglicht Kindern, zu beiden intensive Beziehungen aufzubauen oder zu halten. In diesem Fall teilen sich die Eltern das Sorgerecht und das ausgezahlte Kindergeld.

Nestmodell

Um zu vermeiden, dass Kinder immer vom einen zum anderen pendeln, bietet sich diese Umgangsregelung an. Der Nachwuchs wohnt immer in derselben Wohnung und die Elternteile kommen abwechselnd zu Besuch. Der Nachteil: Es braucht drei Wohnungen, das muss sich die Familie leisten können. Aus diesem Grund ist das Nestmodell nach der Scheidung in Deutschland selten. Schwieriger wird es, wenn ein Elternteil weitere Kinder bekommt. Auch dieses Modell ist nicht gut für Säuglinge und Kleinkinder geeignet.

Familien-WG

Zu guter Letzt kann die Wohnsituation auch so bleiben, wie sie ist. Das Paar ist getrennt, wohnt aber weiter zusammen. Dafür müssen sich die Ex-Partner gut verstehen. Weniger geeignet ist das Modell für eine Familie, in der ein Elternteil bereits eine neue Beziehung hat. Für die Scheidung muss man ein Jahr lang getrennt leben. Das geht auch unter einem Dach – allerdings gibt es dafür einige Regeln zu beachten. Es braucht etwa getrennte Räume.

Wie viel Zeit mit Mama, wie viel Zeit mit Papa ist gut für Trennungskinder?

Nora Imlau, Erziehungsexpertin: Wenn Eltern sich trennen, sollen sie zum Wohle des Kindes entscheiden, bei wem es wie viel Zeit verbringen soll. In der Praxis gelingt das nur selten, denn die Emotionen lassen sich nicht einfach ausschalten. Nicht selten müssen Jugendämter oder Familiengerichte Empfehlungen aussprechen oder gar Regelungen anordnen. Dabei ist das Maß, wie viel Zeit Kinder bei Mutter oder Vater verbringen sollen oder dürfen nicht gesetzlich festgelegt, sondern muss in jedem einzelnen Fall gesondert betrachtet werden. Ausschlaggebend dafür soll immer das Wohl des Kindes sein.

Unsere Expertin

Quelle: Nora Imlau, MDR um 4

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | MDR um 4 | 06. September 2022 | 17:00 Uhr