Nachrichten & Themen
Mediathek & TV
Audio & Radio

Leben

GesundheitRezepteGartenFamilienlebenLifestyleRechtFinanzenDigitalesMobilität
Der aktuelle THC-Grenzwert im Straßenverkehr stößt bei Experten auf Kritik. Bildrechte: IMAGO / Rupert Oberhäuser

Cannabis im StraßenverkehrPositiver Test, ohne gekifft zu haben?

24. April 2024, 18:32 Uhr

Bei regelmäßigem Konsum kann Cannabis länger im Blut nachweisbar sein – auch wenn die letzte Einnahme schon einige Zeit zurückliegt. Ein Test kann also positiv sein, auch wenn die Person nicht mehr bekifft ist. Sollte der Grenzwert im Straßenverkehr also erhöht werden? Wir sprechen mit einem Rechtsmediziner und einem Rechtsanwalt darüber.

von Redaktion Wirtschaft und Ratgeber

Die Polizei hat derzeit eine klare Vorgabe: Wer den Grenzwert von einem Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum überschreitet, wird bestraft. Das gilt auch unabhängig davon, wann der Konsum stattgefunden hat. "Grundsätzlich ist für uns vor Ort nicht feststellbar, ob eine Person das direkt vor Fahrtantritt konsumiert hat oder am Abend vorher. Oder möglicherweise auch eine Woche vorher, weil sie so viel nimmt, dass das noch so lange als Abbauprodukt feststellbar ist", sagt Polizeirat Michael Fengler.

Rechtsmediziner empfiehlt 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum

Es gibt auch andere Auffassungen zu diesem Thema. So glauben zumindest einige Experten, dass der momentane Grenzwert bei einer Legalisierung zu niedrig angesetzt ist. "Das Problem beim Cannabis ist und das stellt bei Drogen eine große Besonderheit dar, dass sich dieser Cannabis-Wirkstoff THC im Körper anreichert. Das heißt, dass es sich in Muskeln und Fettgewebe ablagert und da Depots aufbaut. Bei jemandem, der täglich oder auch täglich mehrmals konsumiert, reichert sich so viel in seinem Körper an, dass er dann aus diesen Speichern an das Blut wieder THC abgibt, auch in Phasen, wo er nicht konsumiert hat", erklärt Rechtsmediziner Professor Stefan Tönnes gegenüber Voss & Team.

Wie lange kann THC im Körper nachgewiesen werden?Der ADAC schreibt zum Abbau von THC auf seiner Webseite: "Wie lange THC sowie das unwirksame Abbauprodukt THC-COOH (THC-Carbonsäure) nachweisbar sind, hängt unter anderem davon ab, wie viel und wie häufig eine Person Cannabis konsumiert. Es gibt grobe Richtwerte, an denen man sich orientieren kann. Im Einzelfall kann die Dauer der Nachweisbarkeit aber deutlich davon abweichen.

Wird Cannabis geraucht oder inhaliert, gelangt THC nahezu unmittelbar ins Blut und erreicht innerhalb weniger Minuten seine Höchstkonzentration. Danach fällt diese stark ab und halbiert sich teilweise innerhalb von 45 bis 60 Minuten. Bei gelegentlichem Konsum sind lediglich für rund sechs Stunden Konzentrationen über dem aktuellen Grenzwert im Straßenverkehr von 1,0 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum (1 ng/ml) zu erwarten. Bei regelmäßigem Konsum wird THC im Gewebe gespeichert, und durch eine langsame Rückverteilung ins Blut kann es Tage dauern, bis dieser Wert unterschritten wird."

Diese Besonderheit führt zu der Frage, ob es nicht unfair ist, wenn jemand, der eigentlich nicht bekifft ist, sanktioniert wird, weil in seinem Blut noch THC nachgewiesen werden kann. "Das ist eine Frage, welchen Bewertungsmaßstab man ansetzen will. Momentan ist Cannabis noch eine illegale Droge und da hat man 'in dubio pro Verkehrssicherheit' gesagt. Man möchte gerne einfach ein klares Zeichen setzen, dass Cannabis nicht in den Straßenverkehr gehört. Wenn sich jetzt die rechtliche Situation ein bisschen ändert, muss man vielleicht auch noch mal anders damit umgehen", sagt er.

Die Empfehlung des Rechtsmediziners ist ein erhöhter Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC pro Milliliter Blutserum: "Also etwas erhöht, weil das nach meiner Einschätzung und der von einigen Kollegen ein Grenzwert ist, der kein besonders hohes Verkehrsrisiko darstellt. Letztlich das aber diejenigen, die häufiger konsumieren, deutlich entlastet, was eine Falschbeurteilung angeht.“

Fachanwalt spricht sich auch für Erhöhung aus

Um eine halbwegs gerechte Regelung hinzubekommen, werde man um eine Erhöhung des Grenzwertes nicht umhinkommen, sagt Andreas Krämer, Fachanwalt für Verkehrsrecht. "Ich denke, dass man mit einer Anhebung, zum Beispiel auf den Wert von 3,5, hier durchaus ein beherrschbares und auch von Seiten des Staates verantwortbares Risiko in Kauf nimmt", erläutert er. Sollte der Grenzwert festgelegt werden, müsste er auch entsprechend ins Gesetz aufgenommen werden.

Bundesregierung beauftragt Expertengruppe

Ob der derzeitige Grenzwert tatsächlich zu niedrig angesetzt ist, wird momentan in der Bundespolitik diskutiert. Auf eine Anfrage von Voss & Team zu diesem Thema antwortete das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr: Bis Ende März soll eine Expertengruppe, bestehend aus Vertretern aus den Bereichen Medizin, Recht, Verkehr und Polizei einen konkreten Grenzwert festlegen. Dieser soll dann, genau wie die Promillegrenze beim Alkohol, im Gesetz verankert werden.

MDR (jvo)

Dieses Thema im Programm:MDR FERNSEHEN | Voss & Team | 07. März 2024 | 20:15 Uhr