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Der Redakteur | 20.06.2024Wohin mit meiner Strafanzeige in Sachen „Freizeitpartner“-Vermittlung Kleeblatt, FSK, Julie & Co.?

20. Juni 2024, 10:39 Uhr

Die Betroffenen hoffen seit Jahren auf Gerechtigkeit. Sie haben Tausende Euro bezahlt und sind immer noch einsam. Hinzu gekommen ist die Scham, auf eine alte Masche hereingefallen zu sein. Seit den 1990er Jahren sind die Hintermänner aktiv, mit fragwürdigen Methoden. Nach den Medien-Recherchen, wie der Wochenzeitung „Die Zeit“, Kabel 1 oder dem MDR gebe es inzwischen deutliche Indizien für systematische Betrugshandlungen, sagen Verbraucherschützer, und damit mehr Möglichkeiten, sich zu wehren.

Mehr als 400 Seiten inklusive Anhänge umfasst die Strafanzeige einer Leipziger Anwaltskanzlei gegen diverse Beschuldigte. Die Anzeige ist bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz eingegangen. Mehrere Betroffene hatten sich zusammengeschlossen, weil sie sich betrogen fühlen, von Außendienstmitarbeitern, die alle Register gezogen haben.

Und zwar immer wieder die gleichen: Der Traumpartner aus der Zeitungsannonce wurde ausgeredet, stattdessen das Bild einer vermeintlich perfekt passenden Person aus dem Kundenstamm der Vermittlungsagentur gezeichnet. Um die zu treffen, muss aber leider ein Vertrag abgeschlossen werden. Verständlich, dass die persönliche Betreuung etwas kostet. Doch aus der mündlich versprochenen großen Liebe mit "Vermittlung bis zum Erfolg" wurden im schriftlichen Vertrag plötzlich nur noch acht "Freizeitpartner", die zudem häufig nicht wirklich zum Wunschprofil und den eigenen Partnervorstellungen der Betroffenen passten. Kostenpunkt für den Service: mehrere tausend Euro.

Mit versteckter Kamera konnten u.a. MDR und Kabel 1 zeigen, wie die Außendienstmitarbeiter vorgehen und auch bei einer Schulung war ein MDR-Journalist von Voss & Team Undercover mit der Kamera dabei. Das dem MDR und der Staatsanwaltschaft vorliegende Schulungsmaterial erweckt zudem den Verdacht, dass die Mitarbeiter ihre Opfer gezielt manipulieren und in die Irre führen sollen. Dank aufwändiger Recherchen des MDR gibt es mittlerweile Belege dafür, dass Zeitungsanzeigen in erster Linie dazu dienen, Verbraucher anzulocken, damit diese teure Verträge unterschreiben.

Es geht ja darum, dass man darlegen muss, dass einem etwas anderes gesagt wurde, als man tatsächlich unterschieben hat.

Ralf Reichertz, Verbraucherzentrale Thüringen

Schlimmer noch: Die MDR-Recherchen zeigen, dass den Interessenten auch Papiere zur Unterschrift untergeschoben werden, die die Betroffenen vermutlich im Wissen um die Folgen so nie unterschreiben würden. Wie zum Beispiel Blanko-Daueraufträge.

Kann ich mich der Strafanzeige noch anschließen?

Sollte es zu einem Verfahren kommen und zu einer Verurteilung, dann seien die Betroffenen im Vorteil, die dem Gericht bekannt sind, sagt die Verbraucherzentrale Thüringen. Denn wenn Vermögenswerte eingezogen werden, könne es sein, dass Betroffene unter Umständen einen Teil ihres Geldes zurückerhalten. Eine Garantie dafür gibt es freilich nicht.

Wenn im Rahmen von Ermittlungen Geld beschlagnahmt wird, so ist es wahrscheinlicher, als Opfer Geld zurück zu bekommen, wenn man zuvor Strafanzeige gestellt hat.

Online-Seite der Verbraucherzentrale Thüringen

Die Verbraucherzentrale rät Betroffenen, selbst Strafanzeige zu stellen, das geht bei jeder Polizeidienststelle oder auch online, bei den sogenannten "Online-Wachen" der Bundesländer. Wichtig hierbei ist der Bezug auf die bereits vorliegende Strafanzeige, sagt Ralf Reichertz, Jurist bei der Verbraucherzentrale Thüringen.

Nehmen Sie in Ihrer Anzeige Bezug auf die Strafanzeige der Leipziger Kanzlei und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Chemnitz. Dann kann die Polizei Ihre Anzeige dorthin weiterleiten.

Ralf Reichertz, Jurist bei der Verbraucherzentrale Thüringen

Und auch wenn die Firmen ausstehende Gelder einfordern oder Vergleichsangebote unterbreiten sollten, rät die Verbraucherzentrale dazu, keine weiteren Zahlungen vorzunehmen und das Gespräch mit der kontoführenden Bank zu suchen, um das Einlösen von ausgefüllten Überweisungsträgern zu verhindern.

Was passiert, wenn ich die Zahlungen einstelle?

Bei Vertragsabschluss kassieren die Vertreter in der Regel die erste Zahlung direkt. Entweder bar oder über ein Kartenlesegerät. Die weiteren Raten werden dann durch den Dauerauftrag oder eine Sepa-Lastschrift abgebucht.

Ralf Reichertz von der Verbraucherzentrale Thüringen Bildrechte: MDR/Verena Sitz

Wichtig: Das durch EC-Karte oder Dauerauftrag abgebuchte Geld ist weg, wenn es das Konto verlassen hat. Bei der Lastschrift haben Sie acht Wochen Zeit, den Betrag zurückbuchen zu lassen. Falls Sie dem Zahlungsempfänger gar kein Lastschriftmandat erteilt oder dieses bereits widerrufen hatten, haben Sie für die Rückbuchung der Lastschrift sogar 13 Monate Zeit. Deshalb der Ratschlag der Verbraucherzentrale:

  1. Lastschrift von der Bank zurückbuchen lassen. Das geht meistens online. 
  2. Das Sepa-Lastschriftmandat ist eine Vereinbarung zwischen Ihnen und der Firma. Daher müssen Sie die Einzugsermächtigung schriftlich widerrufen.
  3. Anzeige bei der Polizei stellen, persönlich oder online.
  4. Wenn Mahnschreiben oder Vergleichsangebote eingehen, die Forderungen schriftlich bestreiten.

Wie weise ich nach, dass ich widersprochen habe?

Betroffene berichten dem MDR und den Verbraucherzentralen häufig, dass ihre Widersprüche nicht ankommen. Da die Firmen häufig nur Briefkastenadressen angeben, können Einschreiben mit Rückschein nicht zugestellt werden. Die Verbraucherzentrale rät dazu, alle möglichen Wege gleichzeitig zu nutzen: E-Mail, Fax, Anruf und Zustellwege mit Sendungsverfolgung - und sich den Screenshot der Zustellung gut aufzuheben. Ralf Reichertz von der Verbraucherzentrale empfiehlt das Einwurfeinschreiben. Das bedeutet, dass der Zusteller den Einwurf quittiert. Im Rahmen der Sendungsverfolgung erhält der Absender einen Hinweis auf die erfolgte Zustellung und das Datum.

Kann ich mich im Widerspruchsschreiben auf den MDR berufen?

Ralf Reichertz hat bereits viele Fälle dieser Art auf dem Tisch gehabt. Er hat auch schon Gerichtsverfahren erlebt, bei denen die Richter zwei deutlich voneinander abweichende Aussagen vor sich hatten: die des Betroffenen und die der Firma. Was den Betroffenen gefehlt hat, waren Zeugenaussagen von anderen Betroffenen und eben solche Erkenntnisse, die der MDR mittlerweile zusammengetragen hat.

Also Dinge, die die eigenen Schilderungen stützen. In den Schreiben an die Firmen sollte das Aktenzeichen der Anzeige bei der Polizei stehen und man kann sich durchaus auf die Recherchen von Voss & Team und das dem MDR vorliegende Schulungsmaterial berufen, sagt Ralf Reichertz von der Verbraucherzentrale.

Also nach dem Motto: Die Recherchen des MDR zeigen, dass es nicht nur mir so ergangen ist, dass sich der  Außendienstmitarbeiter "Traumpartner" ausgedacht hat, die große Liebe versprach und eine Vermittlung bis zum Erfolg. Und dass von all diesen Dingen am Ende nichts im Vertrag zu finden war.

Sehr überzeugend sind auch Zeugen, also Personen, denen es ebenso ergangen ist. Unter den von den Firmen zugesandten Partnervorschlägen, die - so die Erfahrung vieler Betroffener - oft nicht zu den eigenen Partnervorstellungen passen, gibt es Menschen, denen ähnliches widerfahren ist.

Viele Betroffene schämen sich und haben sich nicht einmal ihrer Familie oder Freunden offenbart. Auch hier könnte es Menschen geben, denen es ähnlich ergangen ist. Das Wissen darum, nicht alleine zu sein mit dem Problem, sollte Mut machen, über das Erlebte zu sprechen und sich auf diesem Wege auch Hilfe und Unterstützung zu holen.

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MDR (dvs,ask)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Ramm am Nachmittag | 20. Juni 2024 | 16:40 Uhr