"All-Night Vigil" - Sergej Rachmaninows Vesper
Archaische Gesänge und große Jubelchöre: In Rachmaninows "Vesper" macht der MDR-Rundfunkchor eine große emotionale Tiefe erlebbar. Unter der Leitung des damaligen Chorchefs Risto Joost haben die Sängerinnen und Sänger das Werk auf CD veröffentlicht. Die CD erhielt Anfang 2018 den begehrten französischen Preis Diapason d'Or und war für den International Classical Music Award 2018 nominiert.
Die Klangkultur dieses größten deutschen Berufschors ist schier überwältigend. Sie vereint himmlische Leichtigkeit in der Höhe und erdenschwere Glut in der Tiefe (…). Die stimmliche Qualität der Sänger ermöglicht, gerade auch in den einstimmigen Passagen, optimale Homogenität und stets elastische Dynamik (…). Fragt da noch jemand, wozu man Rundfunkchöre braucht? Für solche musikalische Sternstunden!
Andreas Bomba | das orchester 1/2018
Mit seiner Klangpracht sowohl in den einstimmigen Gesängen als auch in den weit aufgefächerten Stimmen ist Sergej Rachmaninows anspruchsvolle Vesper genau die richtige Herausforderung für den MDR-Rundfunkchor. Im Dezember 2016 haben sich die Sängerinnen und Sänger in die Leipziger Paul-Gerhardt-Kirche zurückgezogen, um gemeinsam mit dem damaligen Künstlerischen Leiter Risto Joost das Werk samt musikalischem Feinschliff auf CD zu bringen. Für die berüchtigten, tiefsten Basstöne, die Rachmaninow fordert, setzt der Chorleiter einige lettische und russische Bässe ein, deren dunkles Timbre den Chorklang wirkungsvoll ergänzt. Die Chorsoli sind mit Klaudia Zeiner (Alt) und Falk Hoffmann (Tenor) aus den eigenen Reihen besetzt.
Die CD erschien 2017 bei GENUIN und wurde Anfang 2018 mit dem renommierten Diapason d'Or ausgezeichnet.
Obwohl für seine epischen Sinfonien und für virtuose Klaviermusik geschätzt, schrieb der russische Komponist und Pianist Rachmaninow die Vesper allein für menschliche Stimmen. Das an die russische Kirchenmusiktradition anknüpfende Werk besitzt mit seinen in sich gekehrten Passagen und den gewaltigen Steigerungen fast schon kultischen Charakter. Die archaisch anmutenden Gesänge lassen eine geheimnisvolle Klangwelt entstehen und wechseln sich mit großen Jubelchören ab. Rachmaninow komponierte das Werk Anfang 1915 innerhalb von weniger Wochen und bereits Anfang März konnte es in Moskau uraufgeführt werden. Das Publikum war davon derart überwältigt, dass trotz des Applausverbots bei geistlicher Musik geklatscht wurde.
The performance (...) can join the ranks of the very best available.
Ivan Moody | Gramophone Magazine, Sept. 2017
Der CD-Titel „All-Night Vigil“ ist die wörtliche Übersetzung von Rachmaninows Werktitel. Während man das Werk auf Deutsch gern verkürzend mit „Vesper“ betitelt, müsste es korrekt „Ganznächtliches Wachen“ heißen, da die Vesper nur die abendlichen Gebete umfasst. Die russisch-orthodoxe Kirche zelebriert das „Ganznächtliche Wachen“ vor Sonn- und Feiertagen, wobei die abendliche Vesper in das Morgenlob übergeht. Rachmaninow folgt dieser Zweiteilung und lässt nach einer epischen Einleitung zunächst den Abendgottesdienst mit seinem lyrischen und liedhaften Charakter folgen, dann der Morgengottesdienst. Dieses Große Morgenlob ist voluminöser und komplexer angelegt und beeindruckt mit seiner Klangpracht. Dabei bezieht sich Rachmaninow auf die traditionellen russischen Kirchengesänge, die er mit Neuschöpfungen und seiner spätromantischen Klangsprache verbindet.
Der Chor versucht unter der Leitung von Risto Joost bei dieser sehr gelungenen CD, dem russischen Klangideal nahe zu kommen. Dafür hat er für die tiefsten Basstöne lettische und russische Bässe engagiert, deren dunkles Timbre den Chorklang wirkungsvoll ergänzt. Auf dieser Basis entfaltet sich der sehr ausgeglichene und homogene Chorklang, bei dem der Chor wie ein Instrument erscheint. Zudem bildet der Chor seine Töne gerade und kraftvoll und singt besonders dicht. Und alle Interpreten verstehen es, den Farbenreichtum der Musik zum Klingen zu bringen und spielen mit feinsten Nuancen. (...) Fazit: diese CD ist eine absolute Empfehlung!
Astrid Belschner | rbb Kulturradio
Sergej Rachmaninow (1873 - 1943)
Vesper op. 37 für Solisten und gemischten Chor a cappella | MDR-Rundfunkchor Risto Joost | Dirigent Chorsoli: Klaudia Zeiner | Alt Falk Hoffmann | Tenor |
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Geistliche Chormusik aus Russland hat der MDR-Rundfunkchor bereits im Jahr 2016 auf der CD "Glaubensbekenntnisse" vorgelegt, die Werke von Bortnjanski und Schnittke umfasst. Bereits 2002 entstand eine Einspielung von Rachmaninows Vesper unter Howard Arman, die mit einem ECHO Klassik ausgezeichnet wurde.