Spürhund er Polizei im Einsatz
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MDR INVESTIGATIV - HINTER DER RECHERCHE (Folge 102) Mantrailer: Was können die Suchhunde wirklich?

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Hunde gelten als überaus fähige Spürnasen, die angeblich sogar bis zu 10.000 Mal besser riechen können als Menschen. Doch wie effektiv sind sie wirklich in der Kriminalarbeit, wenn sie Menschen noch nach Wochen oder sogar Monaten aufspüren sollen? Und welchen Einfluss haben die Ergebnisse solcher Einsätze auf Prozessverläufe und Gerichtsurteile?

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Spürhund er Polizei im Einsatz 38 min
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Hunde gelten als sehr fähige Spürnasen. Doch wie effektiv sind sie bei der Kriminalarbeit, wenn sie Menschen noch nach Wochen oder sogar Monaten aufspüren sollen?

MDR FERNSEHEN Fr 19.04.2024 08:00Uhr 38:07 min

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Esther Stephan (ES): Hunde haben zweifellos eine beeindruckende Nase. Schätzungen zufolge sollen sie bis zu 10.000 Mal besser riechen können, als Menschen. Eine beachtliche Leistung, die sie in der Kriminalarbeit unentbehrlich macht. Hier kommen sie nicht nur bei der Drogensuche zum Einsatz, sondern auch, um Menschen über lange Distanzen und nach mehreren Tagen noch aufzuspüren. 
Aber was können sogenannte Mantrailer-Hunde wirklich? Und wo stoßen sie an ihre Grenzen? Ist es wirklich möglich, dass die Tiere die Spur eines Menschen noch Tage, Wochen oder gar Monate nach einer Tat riechen können?
Andreas Boine, Strafverteidiger aus Dresden hält die Suchhunde für überschätzt: 

Ich persönlich bin irgendwann auf den Gedanken gekommen, dass das sehr nahe bei "des Kaisers neue Kleider" ist. Ja, alle schauen hin und sagen was für ein tolles Beweismittel. Und niemand sagt der Kaiser ist nackt, das ist kein Beweismittel, das ist Humbug. Das ist kriminalistische Esoterik. Nichts anderes.

Andreas Boine

ES: Darum geht’s heute bei "MDR Investigativ – Hinter der Recherche". Hier sprechen wir mit Journalist*innen über ihre Recherchen, ihre Erlebnisse während der Dreharbeiten und ihre persönlichen Eindrücke.
Ich bin Esther Stephan und ich freue mich, dass Sie zuhören! 
Und heute spreche ich mit Nadja Malak, die sich auf die Spur der Mantrailer, also Suchhunde, begeben hat. Darüber hat sie einen Film gemacht, der in der Reihe MDR Exactly unter dem Titel "Polizeihunde in der Kritik – Wie zuverlässig sind Mantrailer?" erschienen ist.
Und ich erreiche Nadja jetzt auf Reisen, wir bitten Sie deshalb schon vorab um Entschuldigung für etwaige Störgeräusche. 
Hallo Nadja!

Nadja Malak (NM): Hallo Esther!

ES: Hundenasen - das ist für mich jetzt nicht unbedingt so ein super alltägliches Thema im journalistischen Kontext. Wieso hast du dazu recherchiert?

NM: Naja, ich bin da letztlich tiefer eingestiegen und draufgekommen durch einen Prozess. Also, ich muss sagen, Hundenasen sind natürlich in der Polizeiarbeit total wichtig, auch im Rettungsdienst. Da möchte ich später gleich noch mal zwei Sätze dazu sagen. Aber ich bin letztlich draufgekommen und hab dann auch angefangen, tiefer einzusteigen, und zwar bei dem Prozess ums Grüne Gewölbe, diesen Einbruch in Dresden, wo ja Mitglieder einer arabischstämmigen Großfamilie unschätzbare Juwelen gestohlen haben. Und da waren auch Mantrailer im Einsatz. Und die waren damals für die Staatsanwaltschaft so wichtig. Denn nur dank Mantrailer, oder die hießen Geruchsdifferenzierungs-Hunde, soll nachgewiesen worden sein, wer von den Angeklagten am Tatort war. Und das ging dann eben auch vor Gericht. Und dann wurden die Hundeführer eingeladen, und dann haben die das alles erklärt und das klang alles so logisch. Und die waren sehr redegewandt und haben das also ganz toll gemacht und haben also dann auch erzählt, wie ihre Hunde das machen und wie sie das interpretieren, dass ihre Hunde das jetzt anzeigen. Und da dachte ich so: Ja, kann gut sein. Und dann allerdings kamen zwei Gutachter und einer von ihnen war Professor Kai-Uwe Goss vom Helmholtz Zentrum für Umweltforschung in Leipzig, und haben all das, was die Hundeführer davor ausgesagt haben und noch vieles darüber hinaus, so richtig zerlegt. Also da blieb nichts mehr davon übrig.

Es gab dann noch der Versuch der Staatsanwaltschaft, da so ein bisschen Schadensbegrenzung zu betreiben. Aber das war nicht möglich. Und in dem Moment sagte dann auch das Gericht: Dann lassen wir das mal mit den Hunden, dann brauchen wir jetzt uns die anderen Sachen dazu auch nicht immer anschauen. Das war also in dem Moment klar: Dieses Indiz oder dieses Beweismittel wird vor Gericht keine Rolle spielen. Und für mich war halt klar: All das, was um diese Mantrailer herum erzählt wird, kann ja nach dem, was vor allen Dingen Professor Goss dargelegt hat, gar nicht stimmen. Und da habe ich dann angefangen, tiefer zu recherchieren, um mich in diese Materie, dieser ganz speziellen Hunde, die so einen ganz speziellen Auftrag haben, einzuarbeiten.

ES: Das heißt, unter anderem beim Prozess um den Einbruch ins Grüne Gewölbe ist dir das schonmal begegnet. Du berichtest ja aber insgesamt sehr häufig zu Kriminalität. Da sind dir die Tiere auch schon häufiger begegnet?

NM: Naja die Tiere sind, und zwar muss man auch sagen, ein wichtiges Mittel in der Polizeiarbeit. Wir sprechen jetzt von Spürhunden, und da gibt es ja dann zum Beispiel Leichenspürhunde, Drogenspürhunde, Sprengstoffspürhunde. Dann zum Beispiel beim Zoll ganz spezielle Spürhunde, die Tiere finden können. Also wenn zum Beispiel irgendwelche Menschen versuchen, aus irgendwelchen exotischen Ländern exotische Tiere einzuführen, gibt es spezielle Hunde, die auch das riechen können. Es gibt mittlerweile Datenträgerspürhunde. Es gibt Spürhunde, die Geld riechen können. Man darf ja nicht mehr als 10.000 Euro Bargeld mit über die Grenze bringen. Die machen alle hervorragende Arbeit. Und sie sind extrem wichtig in der Polizeiarbeit oder für den Zoll zum Beispiel. Auch im Rettungsdienst sind Hunde extrem wichtig. Wir hatten vor kurzem einen Fall in Sachsen, da ist ein kleiner Junge verschwunden. Die Familie war spazieren, und plötzlich war dieses Kind weg. Und es wurde dunkel. Und innerhalb von wenigen Stunden. Ich glaube, es waren neun Stunden, hat ein Spürhund diesen kleinen fünfjährigen Jungen, der sich verlaufen hatte, gefunden. Das ist extrem wichtig, dass diese Hunde das hier leisten können. Das hab ich miterlebt. Also auch gerade im Bereich der Polizeiarbeit, Zollarbeit. Und dann aber sind diese Mantrailer da, die so etwas ganz anderes machen. Die gehen ja auf ganz spezielle Spuren, und zwar ähnlich wie ein Fährtenhund, die auch sehr schnell eingesetzt werden. Auch die leisten hervorragendes, wenn zum Beispiel ein schweres Verbrechen passiert. Ich habe das mal erlebt beim Raubüberfall. Da ist sofort ein Fährtenhund gekommen, keine Stunde nach der Tat und hat dort was aufgegriffen und ist dort einer Fährte gefolgt. Es war dann auch ein Ansatz für die Ermittler, da weiterzumachen. Die Mantrailer machen das so ähnlich. Die gehen sozusagen einer individuellen Geruchsspur nach. Die bekommen die aber. Also da brauchst du dazu eine Geruchsprobe von einem Menschen. Und den bekommt dann der Hund. Und der Hund soll lernen oder soll so ausgebildet sein, dass er nur dieser Geruchsspur folgen kann. Und was halt Mantrailerführer im Bereich der Kriminalermittlungen, das sind alles vorne voran eben auch die sächsischen Mantrailerführer der Polizei jahrelang gewesen, die gesagt haben: Ja, das können unsere Hunde auch noch nach Wochen, Monaten und sogar Jahren. Und das ist halt so der Punkt, wo ich dann so darüber grübel: Wie soll denn das gehen?

ES: Wenn du sagst, jetzt über mehrere Wochen, aber auch schon nach Stunden. Ich stelle mir das total komplex vor, einer einzelnen Spur zu folgen. Gerade wenn es jetzt zum Beispiel in einem städtischen Bereich ist, aber das ist auf dem Land natürlich auch nicht anders. Also da vermischen sich ja auch Gerüche. Gerüche verfliegen. Wie funktioniert das genau, dass die nur einem einzelnen Menschen folgen?

NM: Tja, das ist das große Geheimnis, das keiner so genau weiß. Ich bin jetzt ein bisschen zynisch. Es ist so - also ich kann da einfach nur wiederholen, was ich von Professor Goss gelernt habe, dass wahrscheinlich das, was man riecht oder was die Hunde riechen, Hautschuppen sind, die wir permanent verlieren. Überall, wo wir sind, verlieren wir Hautschuppen und hinterlassen auch irgendwo unseren Geruch. Und auf diesen Hautschuppen sind Mikrobiome, Bakterien, die arbeiten und geben diesen Geruch ab. Aber die brauchen ein gewisses Umfeld. Nämlich, hat mir das Professor Goss erzählt, es muss warm sein. Nämlich Hauttemperatur, Körpertemperatur. Also so 36, 37 Grad. Und es muss eine sehr hohe Luftfeuchtigkeit, annähernd an die hundert Prozent sein, weil die ist so auf unserer Haut. Und da ist natürlich logisch, wenn diese Dinger jetzt auf den Boden fallen, da kommt dann noch die Sonneneinstrahlung dazu, der Wind, andere Menschen, die natürlich auch noch ihre Hautschuppen da verlieren. Da leben die dann in Anführungszeichen nicht mehr lange, das heißt die arbeiten dann nicht mehr. Es gibt Umstände, wo sie länger arbeiten, zum Beispiel in Wiesen oder ähnliches, Wälder. Weil dort ist eine ähnliche Luftfeuchtigkeit auf den Blättern. Da überlebt ein Geruch oftmals länger. Aber natürlich, und das hast du ja gesagt, gerade im städtischen Gebiet laufen da ganz viele Menschen. Und das ist ja dann, auch das war ein schönes Beispiel von Professor Goss, der dann gesagt hat: "Stellen Sie sich mal vor, Sie haben ein randvolles Glas, ein randvolles Weinglas mit Wasser und geben einen klitzekleinen Tropfen eines Weins rein. Der beste Sommelier könnte nicht mehr erkennen, was das für ein Wein ist." Und so ist es ja auch ähnlich wie mit den Hundespuren oder mit den menschlichen Gerüchen. A) verfliegen sie und B) vermischen sich ja auch diese Hautschuppen. Also von daher ist es einfach extrem unwahrscheinlich, dass es geht bis eigentlich unmöglich. Aber dennoch hält sich das, beziehungsweise hat sich sehr lange gehalten. Ich glaube, da entsteht jetzt auch ein Umdenken, auch in der Arbeit der Polizei. Aber, und das war eben dann ausschlaggebend, auch für mich, da auch wirklich ranzugehen. Wenn das in Strafverfahren angewendet wird. Und wenn sozusagen nur der Beweis Hund da ist, dass ein Tatverdächtiger vor Ort war, dann hat es ja im Zweifel auch zum Beispiel auch Auswirkungen auf das Urteil. Nehmen wir zum Beispiel mal eine Brandserie. Da wird ein Brandstifter zum Beispiel auf frischer Tat ertappt. Da gelingt sehr wahrscheinlich der Nachweis. Jetzt sagt man aber: Gut, in dem gleichen Modus operandi, in der gleichen Handschrift, wurden ein Dutzend weitere Straftaten, die in den letzten Monaten lagen, begangen. Und man geht jetzt ran. Und das war eben die Praxis. Man geht jetzt ran und nimmt eine Geruchsprobe von dem Tatverdächtigen und schickt die Hunde zu diesen unterschiedlichen Tatorten. Und da war es auch so, dass es bekannt ist, immer wieder angezeigt wurde. Ja, der Tatverdächtige war dort, und es wurde gefeiert, und man hat das einfach so geglaubt. Und wenn das dann in ein Urteil einfließt, wird ja dieser Tatverdächtige nicht wegen eines Brandes verurteilt, das zu einer Strafe X führt, sondern wegen einer Brandserie. Und damit bekäme er ja ein höheres Urteil. Und da habe ich dann auch gedacht: Naja, das kann nicht sein. Wenn so etwas ungenaues dazu führen sollte, dass Menschen vor Gericht eine höhere Strafe bekommen. Der Grundsatz ist ja einfach: Im Zweifel für den Angeklagten. Und jetzt müssen wir einsteigen. Das ist alles extrem kompliziert, diese ganze Materie. Aber in der Regel ist es so, dass die die Polizisten, also diese Hundeführer, sehr viel wissen. Die wissen, warum sie da sind. Sie haben meistens vorher auch mit den Ermittlern darüber gesprochen, um was von Fall es geht. Also haben die auch einen konkreten Auftrag von denen bekommen. Und dann bekommen sie in der Regel nicht drei, vier, fünf Geruchsproben, wo gesagt wird: Guck mal. Sondern, und das kann ich einfach auch belegen anhand von Videos, die mir vorliegen, aus dem Grünen Gewölbe-Verfahren. Sie bekommen eine Geruchsprobe, und auf dieser Geruchsprobe steht dann einfach auch noch der Name des Tatverdächtigen und dass dann vielleicht ein Hund unbewusst motiviert werden kann, doch loszulaufen oder loszulaufen - weil dieses Loslaufen ist schon ein Zeichen dafür, dass die Spur da ist - ist sehr wahrscheinlich. Und von daher ist das alles ein bisschen schwierig, sage ich jetzt mal.

ES: Über den Einfluss dieser Hundeführer*innen sprechen wir gleich noch mal genauer. Aber lass uns erst einmal kurz noch bei den Hunden bleiben. Wie werden die denn ausgebildet? Also da hängt ja total viel dran. Also, der Hund darf sich da ja eigentlich auch keinen Fehler erlauben?

NM: Na ja, das ist ja genau das, was auch so ein bisschen schwierig ist, nachzuvollziehen. Man muss jetzt auch sagen: Ich habe mich für diesen Film konzentriert vor allen Dingen auf Fälle, bei denen sächsische Hunde eingesetzt worden sind. Und dann noch einmal zwei Fälle, bei denen eine private Hundeführerin unterwegs war. Zu den sächsischen kann ich sagen, dass die Ausbildung dort, sozusagen man dieses Programm, 2010 ins Leben gerufen hat und dort begonnen wurde mit einem Privatmann, der vorher Rettungshunde ausgebildet hat, diese Hunde für den Polizeidienst aus auszubildenden. Hintergrund war einfach: Man wollte diese enormen Summen, die man an solche Privatleute bezahlen muss, nicht zahlen, sondern hat gesagt: dann bilden wir unsere eigenen Hunde aus. Die Ausbildung soll mehrere Jahre dauern. Ich weiß gar nicht, wie lange, weil das alles so ein bisschen undurchsichtig war. Was aber dann erstaunlich war, wenn 2010 die Ausbildung beginnt, haben sich Hundeführer dann später gerühmt, dass sie 2011 schon Erfolge hatten im Zusammenhang mit dem NSU-Komplex, weil sie dort Spuren von Frau Zschäpe verfolgt haben. Aber wenn die Hunde mehrere Jahre ausgebildet werden, dann waren die ja noch nicht fertig. Es ist alles ein bisschen undurchsichtig. Es weiß auch keiner, wie die Hunde so genau ausgebildet werden. Sie müssen konditioniert werden, darauf, eben diesen einen Geruch zu finden. Aber wie, das entzieht sich meiner Kenntnis einfach, weil die Hundeführer da auch nie so viel drüber erzählt haben. Es gab zwar auch im MDR immer wieder Beiträge über die Ausbildung der Hunde, aber wie genau sie funktioniert, hat eigentlich nie jemand erörtert. Sondern es wurden immer Beispiele dann gezeigt.

ES: Eines dieser Beispiele, das fand ich in deinem Filmen extrem prägnant, das ist die Spur der vermissten Inga. Die soll sogar bis nach Österreich verfolgt worden sein. Also wirklich ein richtig weiteres Stück. Wie soll das funktioniert haben?

NM: Naja, das ist das nächste Mysterium oder das nächste große Geheimnis, das ist eben eine dieser privaten Hundeführerinnen, die ich gerade schon angesprochen habe. Die heißt Frau von Buddenbrock, kommt aus Nordrhein-Westfalen und die macht noch mal was ganz Besonderes. Sie macht sogenannte Cartrails. Also sie sagt, wir verlieren Hautschuppen, das haben wir schon gehört. Aber die Hautschuppen, die fallen auch noch aus dem Auto raus auf einer Autobahn und bleiben dort liegen. Und das kann auch ein Hund riechen, wenn da Hautschuppen liegen. Und die hat wirklich es geschafft, dass in dem Fall Inga, 2015 war der, da ist in der Nähe von Stendal, vom Wilhelmshof, ein fünfjähriges Mädchen verschwunden. Bis heute nicht aufgetaucht. Und das war im Mai, und im Sommer ist dann eben Frau von Buddenbrock mit ihren Hunden beauftragt worden. Und ist eben dann Monate später vom Wilhelmshof, über Potsdam nach Leipzig, Richtung Dresden. Dann von der A14 auf die A17 Richtung Prag. Durch Prag durch und durch Tschechien durch, bis nach Österreich gelaufen. Also, die ist nicht gelaufen, sondern die hat dann sozusagen sich immer an den Ausfahrten hieß es - die Autobahn musste gesperrt werden - und die ist dann immer an den Ausfahrten ausgestiegen, hat dann ihre Hunde losgelassen, und offenbar haben ihre Hunde ihr dann angezeigt, dass "Nein an dieser Ausfahrt sind sie nicht abgefahren". Und dann sind sie wieder eingestiegen und zur nächsten Ausfahrt. Und so ging das dann über etwa 850 Kilometer.

ES: Wahnsinn!

NM: Ja, das ist Wahnsinn. Und ich habe noch niemanden gehört, der nicht sagt: "Wie geht das? Also, das ist doch Wahnsinn! Das funktioniert doch nicht!" Ja, das sagen wir, mit einem ganz normalen Verstand. Aber irgendwie schafft es diese Dame, die Ermittlungsbehörden davon zu überzeugen, dass es wirklich funktioniert. In dem Fall war es so, das haben wir recherchiert und auch von Quellen gehört, dass sie Informationen gehabt haben muss. Also da deutet sehr viel darauf hin, dass sie grundsätzlich immer irgendwelche Informationen hat. Entweder, die frei zugänglich sind oder durch Gespräche mit Ermittlern oder Einblick in die Akten und dann sozusagen die Lieblingsspur der Ermittler, oder den Hauptverdächtigen der Ermittler bestätigt. Bis heute, also diese Spur: Es gab da auch einen Verdächtigen in Österreich. Bis heute hat sich das ja nicht belegt und Inga ist immer noch verschwunden. Und wie die das macht, das weiß eben keiner. Sie äußert sich überhaupt nicht zur Ausbildung ihrer Hunde. Also sie hat, glaube ich, so um die sieben Stück. Sondern sie erzählt dann immer: Ihre Hunde brauchen keine Ausbildung mehr, die machen so viele Läufe, das passiert sozusagen im täglichen Arbeiten mit denen. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Mehr weiß man auch nicht.

ES: Also, das ist ja eine private Hundeführerin. Sind es immer private Hunderführer*innen oder bildet die Polizei da selber auch aus?

NM: Nein. Also das ist die bekannteste private Hundeführerin, die schon sehr lange aktiv ist. Also ungefähr seit 2008 habe ich die ersten Spuren von ihr gefunden, dass sie das macht. Es gibt auch in anderen Bereichen offenbar private Hundeführer. Ich habe mich aber in dem Film dann eben auf die Arbeit der sächsischen Mantrailer-Hunde bei der Polizei konzentriert, hauptsächlich.

ES: Jetzt gibt es aber nicht nur diese Fälle, die irgendwie abstrus sind, sondern es gibt auch immer wieder Erfolge.

NM: Wie soll ich das sagen? Auch das hat jetzt dieses intensive Sich-damit-beschäftigen für mich gezeigt: es gab immer wieder Berichte über Erfolge. Ich bleibe jetzt mal nur bei der sächsischen Polizei und den sächsischen Mantrailer-Hunden. Da haben wir auch, wir, der MDR auch immer oft darüber berichtet. Weil natürlich, wenn die Polizei auf uns zukommt, auf zum Beispiel eine Sendung wie Kripo live und sagt: "Wir haben da einen Fall aufgeklärt, berichtet darüber. Und überhaupt, es waren die Mantrailer, die das geklärt haben." Und dann kriegt man auch gleich die Möglichkeit, mit denen zu drehen. Und die zeigen einem, wie sie es machen, ist das natürlich sehr verlockend. Und einer der jüngsten Fälle, der so war, war 2021 eine Erfolgsmeldung, ein Raubüberfall. In der Nähe von Görlitz soll ein Mann überfallen worden sein, und ihm soll also eine sehr teure Kameraausrüstung gestohlen oder geklaut worden sein. Da gab es eben auch Berichte. Ein Pressesprecher der Polizei hat sich dazu geäußert. Es war ein Hundeführer da, der das gezeigt hat, wie er das macht. Da hat sich dann der Reporter um die Ecke versteckt, und der Hund hat natürlich den Reporter gefunden. Da ging es darum, dass zwei Tatverdächtige benannt worden sind, von einem Zeugen oder ein Tatverdächtiger benannt worden ist von einem Zeugen. Da gab es übrigens auch eine Belohnung, ich glaube 5.000 Euro waren das. Und so kam die Polizei dann eben neben diesen einen, der benannt worden ist, noch auf einen zweiten Tatverdächtigen. Beide stritten ab, überhaupt jemals an dem Ort gewesen zu sein. Und von denen hat man dann Geruchsproben genommen. Hat dann eine dritte Geruchsprobe noch genommen von einem Menschen, der nachweislich wirklich noch nie an dem Ort war. Und in den Aussagen der Pressestelle der Polizei, war es dann so, dass also die Hunde bei diesen zwei Tatverdächtigen sofort angezeigt haben und losgelaufen sind, und bei der dritten Person, die doch nie da war, nicht losgelaufen ist. Und deswegen war das also der eindeutige Beweis, so sagte man damals, dass die beiden Tatverdächtigen vor Ort gewesen sein müssen, also tatverdächtig für diesen Raub sind. Ich habe das dann weiter verfolgt, und es war dann so, dass der eine dieser beiden Tatverdächtigen überhaupt nicht angeklagt worden ist von der Staatsanwaltschaft, weil das nicht haltbar war. Und der zweite Tatverdächtige, der kam zwar vor Gericht, auch noch wegen einer anderen Geschichte. Aber in Sachen dieses Raubes wurde das Verfahren eingestellt, weil sich dann sogar vor Gericht herausgestellt hat, und sehr große Zweifel bei der Kammer waren, dass dieser Fall so überhaupt stattgefunden hat. Also von daher, der Erfolg sich löste sich dann quasi in Luft auf. So war es ja auch beim Grünen Gewölbe.

ES: Erzähl gerne nochmal von Grünen Gewölbe. Das ist auch so eine Geschichte, die fand ich in deinem Film total absurd, dass es überhaupt so funktioniert hat und da nicht irgendwie vorher schon jemand gesagt hat: Das kann doch gar nicht sein!

NM: Ich weiß auch nicht. Ich glaube, das ist einfach ein tiefes Wollen, dass es funktioniert. Also es war so, im Grünen Gewölbe, da hat man dann ja knapp ein Jahr nach der Tat letztlich insgesamt sechs Tatverdächtige festgenommen. Und dann ja auch angeklagt und hat dann im Laufe der Zeit, in der die in Untersuchungshaft waren, das war dann anderthalb Jahre ziemlich genau nach dem Einbruch, hat man dann Geruchsproben von denen genommen und hat den verschiedenen Hunden vorgehalten. Und zwar hat man dann eben noch einmal spezielle Hunde aus Schleswig-Holstein geholt, und die hat man unter anderem im Museum eingesetzt. Da gab es vorher - das haben die auch vor Gericht so geschildert - eine Einweisung für die Beamten. Die kannten natürlich den Fall auch aus den Medien. Man kam ja eigentlich nicht um diesen Jahrhundert-Coup herum, in der Berichterstattung. Die haben noch einmal eine Einweisung bekommen, also konnten sich dann vorher das Museum anschauen. Dann wurde gesagt: "Guckt, hier ist das Fenster, wo die Täter eingestiegen sind. Und übrigens hier, das ist die Vitrine, die sie aufgebrochen haben." Und dann haben die eben wirklich von Tatverdächtigen die Gerüche bekommen. Und dann haben die Hunde bei zwei Tatverdächtigen angezeigt. Ich sage Plural, weil es waren zwei Hunde. Es muss immer sozusagen durch einen zweiten Hund bestätigt werden. Es war aber nicht zu klären, ob die beiden Hundeführer sich dazwischen unterhalten haben. Wie die angezeigt haben, hat man gar nicht so gesehen. Wir haben uns ja diese Videos auch vor Gericht angesehen, und die sind ja auch im Film übrigens zu sehen. Der Hund bleibt auch mal so kurz stehen, und das ist dann irgendwie das Zeichen für den Hundeführer gewesen, dass der Hund da jetzt was riecht. Und Professor Goss war da geladen und hat dann eben das erklärt, wie das mit Gerüchen funktioniert. Und da kam dann direkt der Einwand von der Staatsanwaltschaft, ob er denn schon mal im Grünen Gewölbe war. Und da hat Herr Gess gesagt: Nö, da war er noch nie. Und da kam so die super Nachfrage des Staatsanwaltes: "Ja, woher wollen Sie dann wissen, wie da die Gegebenheiten sind?" Und Herr Goss konterte das ganz easy und agte: "Naja, nirgendwo auf der Welt, in keinem Gebäude, keinem Museum, keiner Straße herrschen 36, 37 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von annähernd 100 Prozent, die diese Bakterien am Leben erhalten. Abgesehen davon, das dann natürlich geputzt worden ist, dass dort Hunderte, Tausende Menschen durchgelaufen sind." Aber nichtsdestotrotz waren da diese Hundeführer fest davon überzeugt, dass in irgendwelchen Ritzen dann doch diese Hautschuppen von diesen zwei Angeklagten lagen und die dann gerochen worden sind. Im Laufe des Verfahrens haben ja dann die Angeklagten Geständnisse abgelegt. Diese beiden, die die Hunde angezeigt haben, die waren überhaupt nicht im Museum. Das waren andere. Auch das eben zeigt, sozusagen ein doppelter Beweis dafür, dass es falsch war.

ES: Wir haben gerade schon mal den Einfluss dieser Hundeführer*innen angerissen. Was heißt das genau, dass die einen Einfluss auf die Hunde haben. Weil die können die Hunde ja trotzdem nicht steuern.

NM: Naja, können sie sehr wohl, unterbewusst.

ES: Okay, wie funktioniert das?

NM: Ich kann da einfach auch nur meine wunderbare Expertin, Dr. Juliane Bräuer vom Max-Planck-Institut von für Geoanthropologie in Jena zitieren, die auch in dem Film vorkommt. Die, was Hundearbeit und kognitives Verhalten von Hunden angeht, da herausragende Forschung macht. Und die hat mir von einer eine Studie zählt, da wurden Spürhunde getestet, wie weit die sich ablenken lassen. Ich glaube, das waren Sprengstoffspürhunde. Und das Setting war so: Nirgendwo gab es Sprengstoff. Aber es gab Ablenkungen für die Hunde. Einmal in Form ihrer Belohnung, Leckerlis oder Ähnliches. Und einmal gab es visuelle Hinweise für die Hundeführer. Da ist was. Da ist ein Kreuz drauf. Und das Ergebnis dieser Tests war: Die Hunde lassen sich nicht ablenken, was Falsches auch anzuzeigen, wenn ihre Leckerlies da rumliegen oder Ähnliches. Die Hundeführer wussten von nichts, das muss man noch einmal sagen. Die Hundeführer wussten von nichts, hatten aber einen visuellen Hinweis darauf, dass da was sein muss. Und in 85 Prozent dieser Fälle, obwohl da nichts war, haben die Hunde angezeigt: Da ist was. Und das zeigt eben, dass Hunde da offenbar sehr intensiv auf ihre Menschen reagieren. Wie Frau Bräuer das dann weiter erklärt hat, ist es halt so, dass Hunde natürlich ihre Bezugspersonen immer beobachten und gerade so "Arbeitshunde", die sehr gut ausgebildet sind und ein sehr enges Verhältnis haben zu ihrer Bezugsperson, kann es halt einfach passieren, oder ist es einfach so, dass sie sehr genau ihre Bezugspersonen beobachten. Und wenn die reagiert, reagieren sie halt auch. Deswegen ist es so wichtig, dass eben gerade der Hundeführer von nichts weiß. Der darf keinerlei Informationen haben. Und ich habe ja jetzt schon mehrere Beispiele geschildert, wo die Hundeführer Informationen hatten und die Hunde dann eben reagieren und was gemacht haben. Es gibt tausend Rettungshunde, Tausende Rettungsrunde, muss man sagen, wahrscheinlich in Deutschland, die hervorragende Arbeit leisten, weil da wissen ja auch die Leute nichts. Wenn die jetzt auf der Spur eines Vermissten sind, weiß ich ja nicht, wo der ist. Sondern, die die einfach gute Arbeit leisten, weil sie gut ausgebildet sind und dann loslaufen und möglicherweise einen Menschen dann eben finden. Herr Goss sagte mir in einem Interview, er vermutet, dass diese Mantrailer einfach, von denen wir jetzt reden, nämlich die im Polizeidienst, verlernt haben, so etwas zu machen. Oder zu sehr auf Herrchen oder Frauchen reagieren, und die natürlich sehr genau wissen, was Ermittlungsziele sind.

ES: Gleichzeitig sind die Menschen von der Polizei ja ganz schön überzeugt davon, wie nützlich die Hunde sein. Also ein Beispiel ist Leif Woidtke. Er war unter anderem Projektleiter und Fortbildungsleiter. Und er hat sogar eine Doktorarbeit darüber geschrieben, die beweisen sollte, wie erfolgreich die Suchhunde sind. Dabei werden dieser Arbeit jetzt am Ende sogar statistische Fehler vorgeworfen. Weißt du, woher diese Überzeugung, bei der Polizei kommt, dass Mantrailer so wahnsinnig gut funktionieren?

NM: Das kann ich jetzt nur vermuten. Ich denke, dass es quasi gute PR-Arbeit der Mantrailerführer. Ich habe mit ein paar Ermittlern auch gesprochen, die sehr begeistert davon gesprochen haben. Die sehr das auch glauben, was ihre Kollegen ihnen erzählen, wie es funktioniert, was die Hunde leisten können. Und sie kriegen ja dann oft auch die Bestätigung für ihren Ermittlungsansatz. Und wer will das nicht, dass ihr wichtigster Ermittlungsansatz bestätigt wird. Ich kann es mir nur so erklären. Es sind einfach gerade bei der sächsischen Polizei Polizisten, die diese Hunde führen, die ihren Kollegen darüber was erzählen und die natürlich selbst von ihren Hunden und dem, was die können, total überzeugt sind. Und das, glaube ich, vermitteln sie dann einfach auch weiter. Und dementsprechend sind natürlich dann die Ermittler auch begeistert. Und dementsprechend wurden die Hunde einfach in der Vergangenheit auch viel eingesetzt. Zu der Doktorarbeit, das hast du ja schon angedeutet, dass die sehr umstritten ist. Da haben meine Kollegen Edgar Lopez und Lucas Grothe intensiv dazu recherchiert. Da gibt es derzeit auch ein Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, die Uni Leipzig würde diese Doktorarbeit gerne nochmal überprüfen. Dagegen hat aber Leif Woidtke geklagt, und dieses Verfahren ist jetzt anhängig. Das liegt daran, ja, er hat einfach gesagt, dass hier Ruhe einkehren müsse und er quasi den Doktortitel ja verliehen gekriegt hat, nach einer Prüfung und will also eine weitere Prüfung verhindern.

ES: Du hattest in deiner Recherche Kontakt zu einer Person, die für die Polizei Sachsen auch arbeitet und diese Person hat dir berichtet, dass es intern so sei, dass man eigentlich auch überhaupt gar keinen kritischen Nachfragen zur Ausbildung zulässt. Lass uns da mal kurz reinhören. Kurze Info an die Zuhörenden: Für den Film wurde diese Person synchronisiert.

Die wollten sich nicht in die Karten gucken lassen. Alles, was an fachlichen Fragen kam, ist ignoriert, wurde zurückgewiesen, worden. Bis hin dazu, wenn es doch zu konkret wurde, dass dann über den Dienstherrn Fragesteller sanktioniert wurde. Also auch aus den eigenen Reihen, gab es Hundeführer, die sind aussortiert worden aus dem Bereich Mantrailing, weil die eine Frage hatten zur Ausbildung. Also schon eine nicht ins Konzept passende Frage konnte zur Folge haben, dass auch innerhalb des Mantrailings Kollegen aussortiert wurden.

anonyme Quelle

ES: Warum wird da so eine riesige Geheimniskrämerei betrieben? Also die Polizei Sachsen, der müsste doch eigentlich daran gelegen sein, wirklich gute Beweismittel auch zu haben und nicht einfach irgendetwas. Also so verständlich das ist, natürlich irgendwie eine Bestätigung der eigenen Arbeit zu haben.

NM: Ja natürlich. Ich glaube, das war ursprünglich auch mal der Ansatz, weswegen da einfach auch sozusagen vom Innenministerium / vom Landespolizeipräsidenten dieser Doktorarbeit auch Unterstützung zugesichert worden ist. Diese Quelle, diese Person, die sich mir danach langen und vielen Gesprächen, die wir geführt haben, anvertraut hat, die dann auch bereit war, verdeckt vor die Kamera zu gehen, ist wirklich ein Insider. Mehr kann ich dazu schon fast nicht sagen, weil ich würde sie dann schon fast verraten. Aber diese Person hat eben wirklich geschildert, dass sozusagen die Mantrailer in dem Bereich Diensthundewesen der sächsischen Polizei, wo eben die Spürhunde mit untergebracht sind, die Schutzhunde, die Fährtenhunde, waren immer eine eigene, abgeschottete Truppe, da wollte sich keiner so reinschauen lassen, und keiner wollte da so wirklich, dass da jemand mit reinredet oder zuguckt oder ähnliches. Warum, weiß ich nicht. Ich kann es nur so wiedergeben. Und da ist natürlich innerhalb des Diensthundewesens Kritik aufgekommen: warum machen die das? Oder, mh, die Prüfung, die war aber jetzt nicht ganz ordentlich, oder ähnliche Punkte. Und da wurde halt nachgefragt und kritisiert. Und das war eben nicht gerne gesehen oder soll nicht gerne gesehen gewesen sein. Und offenbar gab es dann auch Konsequenzen für einzelne Mitarbeiter daraus, die dann einfach auch offenbar auch das Diensthundewesen verlassen mussten. So wurde es mir geschildert.

ES: Und wie reagieren die Polizei oder das zuständige Innenministerium darauf? Wenn du da als Reporterin hinkommst und diese Praxis ja auch zu einem ganz großen Teil auch in Frage stellst?

NM: Ach, ich hatte es mir schlimmer vorgestellt. Ich habe da relativ frühzeitig einfach, auch mit unseren Rechercheergebnissen, mich auch dort eben an die Stabsstelle Kommunikation gewandt und habe ihnen das dargelegt. Und das wurde dann natürlich an die Dienststelle weitergegeben, die das Diensthundewesen, beziehungsweise die Diensthundeschule in Sachsen gehört zum Präsidium der Bereitschaftspolizei. Und die haben dann eben nachgeforscht und versucht dann schon auch unsere Fragen zu beantworten. Und was ganz klar ist, dass das sächsische Innenministerium das schon wahrgenommen hat. Und das haben sie dann eben auch in einer Stellungnahme auch wiedergegeben, dass sie die Fragen, die wir da aufwerfen, schon auch wahrnehmen und dementsprechend dem auch nachgehen. Das war eine gute Zusammenarbeit. Ich glaube, das kann man auch machen. Und man kann auch sehr wohl kritisieren, ohne dass man dann gleich verbrannte Erde hinterlässt. Und ich hoffe, dass es in dem Fall gelungen ist. Also es war eigentlich eine sehr, sehr - möchte schon fast sagen - angenehme Zusammenarbeit. Aber ein sehr angenehmes Gespräch dann einfach auch, was man dann geführt hat. Obwohl es natürlich ein sehr kritisches Thema ist, mit dem wir da gekommen sind.

ES: Ich habe auch mal einen Blick in die Kommentare zu seinem Film auf YouTube geworfen, und da kommt dann oft so das Fazit: Nicht die Hunde sind da der unzuverlässige Teil, sondern die Menschen. Würdest du das auch so unterschreiben?

NM: Ja. Ich finde, das ist eine gute Zusammenfassung eigentlich. Ja, der Mensch ist das Problem. Also das Problem ist am anderen Ende der Leine sozusagen. Ja, auch das waren ganz viele Kommentare. Die haben ja auch geschrieben: Wir machen das auch. Wir machen das, aber doppelblind. Also für die Leute, die sich jetzt nicht so auskennen: Doppelblind heißt, das keiner, der vor Ort bei dem Test mit dabei ist, irgendeine Information darüber hat. Also wir machen das doppelblind und unsere Hunde können das wirklich. Aber das sind halt zum Beispiel sehr oft Rettungshunde, die einfach Vermisste suchen. Die können das. Und da ist man an irgendeinem Zeitpunkt, glaube ich, einfach mal falsch abgebogen und hat dann einfach gesagt: ja, Vermisstensuche. Das ist nett. Aber wenn wir so spektakuläre Kriminalfälle klären und je älter die Spur, desto spektakulärer, da spezialisieren wir uns darauf. Und ich glaube, dass da die Spezialisierung möglicherweise ein bisschen schieflief. Vieles deutet zumindest darauf.

ES: Dann lass uns noch mal ein Fazit ziehen. So ganz unterm Strich: Was können die Mantrailer denn jetzt eigentlich wirklich?

NM: Das ist eigentlich total spannend. Du hast ja vorhin schon ganz kurz die Doktorarbeit von Leif Woidtke angesprochen, der ja mit verschiedenen Versuchen bewiesen haben will, dass es funktioniert und dass die Hunde auch ältere Spuren finden können. Da gibt es eben, du hast es ja angesprochen, mutmaßlich den Verdacht, dass da statistische Fehler gemacht worden sind, unter anderem. Und natürlich wurde das auch aus dem Reihen der Polizei gemacht. Da hat man natürlich ein anderes Interesse. Man würde ja gern haben wollen , dass diese Arbeitsmittel Mantrailer funktioniert als Beweismittel. Und  dass das wirklich funktioniert, und man einfach die Möglichkeit hat, so Täter zu überführen. Ich glaube, grundsätzlich müsste da mal wirklich geforscht werden und wirklich ein ordentlicher Versuch gemacht werden, der unabhängig ist. Also nicht das Ziel verfolgt, wie Herr Woidtke das formulierte, dass der Hund als Beweismittel vor Gericht zugelassen wird. Sondern das Ziel müsste sein, zu erforschen: Was können die Hunde leisten? Und was nicht? Weil das weiß man eben bis heute noch gar nicht so genau. Die können viel, die können wirklich Menschen finden. Es gibt toll ausgebildete Hunde. Also wenn es zum Beispiel schon eine zehnprozentige oder die fünfprozentige Chance gibt, noch einen Vermissten zu finden, natürlich schickt man den Hund los. Aber welche Sinn macht es und welche Beweiskraft hat es, wenn es eine fünf oder zehnprozentige Wahrscheinlichkeit dann wiederum hat, einen Tatverdächtigen zu überführen? Gar keine mehr. Aber natürlich muss der muss der Vermisste gesucht werden. Und da gelingt immer wieder was, weil es einfach auch so unterschiedliche Bedingungen gibt. In Wäldern und wo auch immer die Leute verschwinden. Also das ist jetzt nicht beschränkt darauf, dass nur wenige Stunden diese Hautschuppen dann noch Geruch absondern, sondern das geht schon auch länger. Und ich glaube, das müsste man einfach mal erforschen. Und Fakt ist aber, dass gut ausgebildete Mantrailer im Rettungswesen eine herausragende Arbeit leisten. Und ganz, ganz, ganz wichtig sind. Und viele andere Länderpolizeien konzentrieren sich da auch mit ihren Hunden drauf, auf sowas. Man nennt es dann Gefahrenabwehr im Polizeideutsch. Aber eben Vermisste zu finden, kleine Kinder zu finden, die verschwunden sind. Es gibt nichts Wichtigeres, als so etwas zu machen. Und da machen die eine ganze tolle Arbeit!

ES: Nadja Malak, danke dir für deine Zeit und das superspannende Gespräch!

NM: Gerne, danke dir Esther!

ES: Das war der Podcast "MDR Investigativ – Hinter der Recherche". Den Film "Polizeihunde in der Kritik – Wie zuverlässig sind Mantrailer?" finden Sie in der Reihe Exactly unter anderem in der ARD Mediathek.

In zwei Wochen hören Sie dann an dieser Stelle wieder meine Kollegin Secilia Kloppmann Und auch am Ende dieser Folge habe ich natürlich noch einen Podcast-Tipp für Sie.

ES: Wenn Ihnen diese Folge gefallen hat, dann empfehlen Sie uns doch gerne weiter. Kritik, Anmerkungen und Feedback können Sie gerne an kontakt@investigativ.de senden. Ich freue mich, wenn Sie auch beim nächsten Mal wieder zuhören. Machen Sie es bis dahin gut und bleiben Sie gesund!

Dieses Thema im Programm: MDR INVESTIGATIV - Hinter der Recherche | 19. April 2024 | 10:00 Uhr

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