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Tipps der ÄrztinDemenz erkennen und Hilfe finden

29. April 2024, 10:40 Uhr

Was sind Anzeichen für Demenz? Wo bekommen Betroffene Hilfe? Welche Therapien gibt es? Michaela Butryn ist Ärztin an der Gedächntisambulanz in Magdeburg und gibt Tipps.

von Carmen Brehme, Redaktion Wirtschaft und Ratgeber

Warum steigt die Zahl der Menschen, die an Demenz erkranken, so stark an?

Das größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz ist das zunehmende Alter. Durch die steigende Lebenserwartung steigt auch die Anzahl an neurodegenerativen Erkrankungen wie Demenz. Ein weiterer Faktor ist natürlich ein ungesunder Lebensstil. Eine Entwicklung der letzten Jahre ist aber auch, dass Patienten früher zum Arzt gehen. Das heißt, wir erfassen diese Patienten auch eher und besser, als das vor 20 Jahren der Fall war.

Kann man etwas gegen eine Demenzerkrankung tun?

Dr. Michaela Butryn forscht am Deutschen Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen in Magdeburg. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Alles, was für unseren Körper gesund ist, ist auch für unser Gehirn gesund. Wir sollten auf ein gesundes Gewicht achten, auf eine gesunde Ernährung – also mediterrane Kost, wenig verarbeitete Speisen –, ausreichend Bewegung, Schlaf, wenig Stress oder wenn wir Stress haben, zumindest lernen, mit welchen Techniken wir das ausgleichen können.

Warum ist das Thema Früherkennung so wichtig im Zusammenhang mit Demenz?

Demenz ist in aller Regel nicht plötzlich da, frühe Anzeichen sind Vorboten. Es gibt Vorstadien wie die leichte Gedächtnisstörung, die sich dann in eine Demenz entwickeln kann. Wir wissen, dass zu dem Zeitpunkt, wo der Patient oder die Angehörigen bereits Symptome bemerken, die Krankheit in vollem Gange ist, Veränderungen im Gehirn bereits Jahre vorausgegangen sind. Dementsprechend sollten wir Patienten möglichst frühzeitig erkennen, dann, wenn noch das meiste Hirngewebe zu retten ist.

Was sind typische Symptome für eine beginnende Demenz?

Es gibt nicht das eine klassische Symptom. Sondern das kann eine Vielzahl von Veränderungen sein, insbesondere Kurzzeitgedächtnisstörungen, aber auch Wortfindungsstörungen, Orientierungsstörungen. Wobei man einschränkend sagen muss, wir alle kennen natürlich diese Symptome, hatten alle so etwas schon mal in der Art. Aber wenn das deutlich mehr wird oder wenn man von anderen darauf angesprochen wird, dass da was auffällig ist, dann wäre der Gang zum Arzt ratsam.

An wen können sich Betroffene wenden, um sich untersuchen zu lassen?

Ansprechpartner ist, wie so oft, der Hausarzt und nachgeschaltet die niedergelassenen Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie. Diese können Screening-Tests für das Gedächtnis durchführen. Sie könnten weitere Diagnostiken veranlassen, wie zum Beispiel ein Bild vom Gehirn, also ein MRT, oder eine Blutabnahme, um nach bestimmten Veränderungen zu schauen.

Sollte sich der Fall dann noch nicht aufklären lassen, gibt es in Deutschland immer mehr Gedächtnisambulanzen. Diese findet man mittlerweile in jeder größeren Stadt. Sie sind in der Regel an neurologische oder psychiatrische Kliniken gebunden, besitzen eine Spezialexpertise und können weiterführende Untersuchungen einleiten. Das umfasst dann ausführlichere Gedächtnis- und Blutuntersuchungen, Nervenwasseruntersuchungen oder aber auch spezielle radiologische Verfahren.

Wie lange dauert es, bis dann tatsächlich auch eine Diagnose steht?

Es kommt ein bisschen darauf an, wie die Diagnose-Wege des Patienten sind. Sechs bis zwölf Monate kann es durchaus in Anspruch nehmen, bis der Patient dann den Weg zu uns findet. Es sind in aller Regel langsam verlaufende Erkrankungen. Ziel ist es, möglichst frühzeitig jeden Patienten zu erkennen und eine geeignete Therapie zu finden.

Das wird in Zukunft leichter werden. Wir werden digitale Gesundheitsanwendungen zur Anwendung bringen, um Patienten frühzeitig zu diagnostizieren. Auch weitere diagnostische Mittel werden zur Verfügung stehen, wie zum Beispiel der Nachweis von Alzheimer-typischen Proteinen, der bislang nur im Nervenwasser möglich ist. Das wird in den nächsten Jahren auch mit Blut möglich sein.

Wie wird die geeignete Therapie gefunden?

Bislang ist es so, dass für die meisten Demenzerkrankung keine kausale und keine heilende,Therapie zur Verfügung stehen – und auch keine, die ursächlich in die Krankheit selbst eingreift. Die Behandlung erfolgt überwiegend symptomatisch. Insbesondere für die Alzheimer-Erkrankung oder auch für Demenz, bei Parkinson, haben wir durchaus Medikamente, die den Krankheitsverlauf verzögern. Wir können auch Symptome wie motorische Einschränkung, Angst und Unruhe lindern.

Daneben gibt es weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel Gedächtnistraining, das im Rahmen von einem ergotherapeutischen Hirnleistungstraining professionell durchgeführt wird und natürlich alle sozialmedizinischen Unterstützungen für den Patienten. In Zukunft wird sich das wandeln. Wir haben bereits in den USA ein Medikament, das in den Krankheitsverlauf selbst eingreift, einen sogenannten Amyloid-Antikörper, der gegen ein Alzheimer-Protein wirksam ist. Wir erwarten, dass im Sommer die Entscheidung seitens der Europäischen Arzneimittelkommission fällt, ob das Präparat auch in Deutschland zur Verfügung stehen wird. Es gibt nicht nur gegen dieses eine Alzheimer-Protein Antikörper, sondern auch Medikamente gegen alle anderen Zellstrukturen. Da tut sich momentan sehr, sehr viel. Da sind Hunderte von Präparaten in Studien in der Forschung.

Gibt es nicht medikamentöse Behandlungen?

Da gibt es unter anderem Ultraschallverfahren, die zum Beispiel bestimmte Hirnareale aktivieren sollen, die bis dato ungenutzt waren. Da werden bestimmte Areale, die wir sonst weniger nutzen, durch eine Sonde stimuliert.

Können Sie sich vorstellen, dass in Zukunft Demenz auch heilbar sein könnte?

Ich kann mir das vorstellen, ja. Ich möchte aber nicht auf irgendeine Zeit festgelegt werden. Wir versuchen immer noch, das komplexeste Organ von allen mit sich selbst zu erklären. Das ist natürlich nicht ganz einfach. Aber wir machen riesengroße Fortschritte in der Neurodegeneration. Und irgendwann wird es heilbar sein.

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Dieses Thema im Programm:Das Erste | Mittagsmagazin | 04. April 2024 | 12:00 Uhr