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Eine Migräne-Attacke kann sich über mehrere Tage hinziehen. Bildrechte: IMAGO/Westend61

Gewitter im KopfMigräne: Auch Entspannungsübungen können helfen

05. Februar 2024, 12:00 Uhr

Manchmal beginnt die Attacke mit Sehstörungen und Schwindel, kurze Zeit später kommt der Schmerz. Migräne ist eine Qual – und viel mehr als "nur" Kopfschmerzen. Worauf sollte man bei Schmerzmitteln achten? Für wen kann eine Antikörper-Spritze Linderung bringen? Und welche Entspannungstechniken können dabei helfen, den Schmerzkreislauf zu durchbrechen?

Jeder Zehnte leidet unter Migräne

Zehn Prozent unserer Bevölkerung leiden an Migräne, einer neurologischen Erkrankung. Die anfallsartigen starken und zumeist einseitigen Kopfschmerzen gehen häufig einher mit Übelkeit, Erbrechen, Licht- und Geräuschempfindlichkeit.

Bei etwa 15 bis 20 Prozent der Migränepatienten bildet sich neben der Attacke eine sogenannte Aura aus. Sie zeigt sich durch Einschränkungen und Veränderungen des Sehens und des Gesichtsfeldes, zudem können Störungen des Geruchssinns, des Gleichgewichts oder der Sprache auftreten.

Was passiert bei einem Migräne-Anfall?

Migräne entsteht durch eine Überreizung des Hirnstamms. Das führt dazu, dass Nervenbotenstoffe frei werden, die an den Hirnhautarterien Entzündungen und Gefäßerweiterungen auslösen: Der typische pulsierende Kopfschmerz entsteht. Hauptverantwortlich dafür ist der Botenstoff CGRP. Dockt dieser gefäßerweiternde Stoff an seinen Rezeptor an, löst das den Migräneanfall aus.

Vorsicht bei der Einnahme von Schmerzmitteln

Nach Empfehlung der Deutschen Migräne- und Kopfschmerz-Gesellschaft (DMKG) können zur Akutbehandlung der Migräne Schmerz- und Entzündungsprozesse hemmende Schmerzmittel wie zum Beispiel Acetylsalicylsäure, Paracetamol und Ibuprofen genommen werden. Doch diese Medikamente sind nicht zur Dauereinnahme geeignet.

Eine Migränetherapie umfasse deutlich mehr, als Tabletten einzunehmen, sagt der Jenaer Neurologe und Schmerztherapeut Dr. Peter Storch. Er plädiert für einen ganzheitlichen Ansatz, individuell abgestimmt auf die Betroffenen. Ganz wichtig sei, dass die Patientinnen und Patienten lernten, sich zu entspannen und besser mit dem Schmerz umzugehen.

Die ambulante Schmerztherapie

Im Kopfschmerzzentrum Jena wird Migräne-Betroffenen mit einem besonderen Konzept geholfen: mit einer multimodalen und interdisziplinären Schmerztherapie. Das heißt: Ärzte, Physiotherapeuten, Ernährungsberater und Psychologen arbeiten fachübergreifend zusammen, um Menschen zu helfen, ihre Migräne in den Griff zu bekommen.

Patienten lernen in einer tagesambulanten Schmerzwoche, wie sie – neben der richtigen Medikamenteneinstellung – durch Umstellung ihres Alltags die schmerzfreien Phasen zwischen zwei Attacken verlängern und damit die Schmerztage reduzieren können.

Entspannungsübungen gegen Migräne

Das Ziel der Entspannungsübungen soll sein, den Schmerzkreislauf zu durchbrechen. Dieser sieht zunächst einmal so aus: Auf den Schmerz folgen negative Gedanken, die wiederum zu negativen Gefühlen führen. Diese wiederum haben Auswirkungen auf den Körper – der Schmerz wird schlimmer und der Kreislauf beginnt von vorn.

Bei der Schmerztherapie erlernen Patientinnen und Patienten Techniken, die den Kreislauf durchbrechen. Dazu gehören: Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen (hierbei werden im Wechsel Muskelpartien bewusst angespannt und wieder entspannt), autogenes Training, leichter Ausdauersport, Akupunktur und Abbau von Übergewicht. Auch spezielle Atemübungen haben sich bewährt. Entspannungstechniken können ähnlich wie die medikamentöse Behandlung die Schmerztage um bis zu 50 Prozent reduzieren, wenn man die Entspannungsverfahren täglich anwendet über einen Zeitraum von mehreren Wochen.

Drei leichte Übungen zur Progressiven Muskelentspannung

Tipps vorab zum Ankommen- Möglichst bequem hinsetzen.
- Einen tiefen Atemzug nehmen.
- Die Augen schließen.

Übung 1

  • Aufmerksamkeit auf die rechte Hand lenken.
  • Hand schließen.
  • Hand- und Unterarmmuskulatur leicht anspannen, als würde man einen Schmetterling fangen.
  • Spannung ca. 20 Sekunden halten; dabei ruhig weiteratmen.
  • Locker lassen!
  • Arm locker auf den Oberschenkel legen.
  • Nachspüren, wie fühlt sich das an?

Übung 2

  • Finger der Hand strecken und Hand leicht heben wie beim "Hallo sagen".
  • Spannung ca. 20 Sekunden halten.
  • Locker lassen!
  • Nachspüren, wie fühlt sich das an?

Übung 3

  • Aufmerksamkeit auf den Oberarm lenken.
  • Arm beugen, Schulter leicht anheben.
  • Hand seitlich an den Hals oder die Wange legen, als wenn man über etwas nachdenken würde.
  • Diese Haltung ca. 20 Sekunden beibehalten, ruhig weiteratmen.
  • Locker lassen!
  • Nachspüren, wie fühlt sich das an?

Wieder Ankommen nach dem Beenden der Übungen- Etwa 1 Minute nachspüren, gern mit geschlossenen Augen.
- Zwei bis dreimal tief ein- und ausatmen.
- Fäuste ballen, Arme beugen und strecken.
- Augen öffnen und wieder in der Gegenwart ankommen!

Gezielte Atemtechniken zur Entspannung

Die Atementspannung ist eine einfache und effektive Entspannungsmethode. Das Gehirn verbindet eine langsame Atmung mit Ruhe und Entspannung. Anders als beispielsweise der Herzschlag lässt sich die Atmung sehr einfach willentlich beeinflussen. Das Wirkprinzip der Atementspannung beruht also zunächst einmal auf der bewussten Verlangsamung der Atemzüge.

 So geht’s:

  • Atmen Sie ruhig ein und aus, ohne etwas an Ihrer Atmung zu verändern.
  • Konzentrieren Sie sich darauf, wie die Luft durch Ihre Nasenlöcher ein- und ausströmt.
  • Spüren Sie den Luftzug am Naseneingang und nehmen Sie die Temperatur der Luft wahr.
  • Nehmen Sie achtsam wahr, wie sich Ihr Bauch beim Einatmen hebt und beim Ausatmen senkt.
  • Zählen Sie leise mit und sagen Sie beim Einatmen innerlich "ein" und beim Ausatmen "aus" oder zählen Sie "1 (einatmen), 1 (ausatmen), 2 (einatmen), 2 (ausatmen), …".
  • Wenn Sie bis 10 gezählt haben, beginnen Sie erneut bei 1.
  • Nehmen Sie wahr, wie sich langsam ein Zustand der Entspannung einstellt.
  • Man kann die Übungen im Sitzen und im Liegen durchführen, Hauptsache, die Körperhaltung fühlt sich gut an.

Antikörper-Spritze gegen Migräne   

Dr. Peter Storch ist der Leiter des Kopfschmerzzentrums Jena. Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Bei schwerer Migräne kommen seit einigen Jahren Antikörper zum Einsatz. Die im Labor designten Antikörper blockieren die Botenstoffe, die sonst den Migräne-Schmerz auslösen. Das Besondere: Patienten können sich die Arznei mittels Pen einmal im Monat selber spritzen.

Dr. Peter Storch, Leiter des Kopfschmerzzentrums Jena, sieht den Hauptvorteil dieser Antikörper in der extrem guten Verträglichkeit: "Antikörper sind Proteine, die auch nicht mit anderen Medikamenten im Körper interagieren und auch nicht über die Leber oder in den Nieren abgebaut werden. Das ist ein Riesenvorteil."

Antikörper-Spritze für jeden Migräne-Patienten geeignet?

Ganz klar, nein, sagt Dr. Peter Storch. Diese Antikörper seien keine Therapie für jeden Migränepatienten. Sie sind zugelassen für Patienten mit mehr als vier Migränetagen pro Monat. Es werden aber zurzeit nur die schwer mit Migräne betroffenen Patienten mit dem Antikörper behandelt. Vor allem Patienten, bei denen zuvor schon mindestens vier der herkömmlichen Prophylaxe-Medikamente in Tablettenform nicht ausreichend wirksam waren oder wo die Therapie aufgrund von Nebenwirkungen abgebrochen werden musste.

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MDR (cbr)

Dieses Thema im Programm:MDR THÜRINGEN - Das Radio | Servicestunde | 05. Februar 2024 | 12:00 Uhr