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Justitia gilt als Symbol der Gerechtigkeit. Bildrechte: picture alliance / dpa | Arne Dedert

Urteile der WocheBefristet Beschäftigte dürfen bei Inflationsausgleich nicht benachteiligt werden

16. März 2024, 05:00 Uhr

Fast täglich werden im Gerichtssaal wichtige Urteile gesprochen, die Einfluss auf unser Leben haben können. MDR AKTUELL präsentiert Ihnen die drei interessantesten dieser Woche in Kurzform.


Befristet Beschäftigte dürfen bei Inflationsausgleich nicht benachteiligt werden

Arbeitsgericht Stuttgart (Az.: 3 Ca 2713/23)

Sandro Sandmann* hat bei seinem Unternehmen einen befristeten Vertrag – er ist als Schwangerschaftsvertretung eingestellt worden. Alle Arbeitnehmer in der Firma erhalten nun im Jahr 2023 eine Inflationsausgleichsprämie von immerhin 1.000 Euro. Nur Herr Sandmann nicht. Denn sein Arbeitgeber zahlt die Prämie mit einer Bedingung: Das Arbeitsverhältnis muss über 2023 hinaus weiterbestehen. Herr Sandmanns Vertrag endet aber am Ende des Jahres. Der fühlt sich deshalb ungerecht behandelt: Alle Arbeitnehmer müssten gleich behandelt werden, argumentiert er. Hat er Recht?

Ja, sagte man am Arbeitsgericht Stuttgart: "Wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern die Inflationsausgleichsprämie zahlt, dann darf er befristet und unbefristet Beschäftigte nicht ungleich behandeln. Ein solches Vorgehen verstößt gegen das Verbot der Benachteiligung befristet Beschäftigter. Eine unterschiedliche Behandlung ist auch sachlich nicht gerechtfertigt."

Bezugszeitraum für die Betriebstreue war hier das Jahr 2023. In diesem Jahr hat Herr Sandmann in der Firma gearbeitet – und damit Anspruch auf die Prämie.


Plötzliche Vollbremsung ohne Grund von vorausfahrendem Auto kann zur Haftung führen

Landgericht Hamburg (Az.: 331 O 134/21)

Walter Wagenbrett* überholt auf der Autobahn mit seinem Kleinwagen einen großen Sattelzug. Kurz nach dem Einscheren auf die rechte Fahrspur bremst er ohne zwingenden Grund stark ab. Wegen der unerwarteten Bremsung fährt der Sattelzug auf das Auto auf. Das Fuhrunternehmen gibt dem Autofahrer die Schuld am Unfall. Er sei allein durch die unvermittelte Vollbremsung verursacht worden. Der beklagte Herr Wagenbrett hingegen argumentiert, er habe durchaus verkehrsbedingt gebremst. Nur wegen eines technisch bedingten Blockierens der Räder habe er nicht ausreichend beschleunigen können.

Am Landgericht Hamburg war man nicht auf seiner Seite: "Der Beklagte hat hier ohne zwingenden Grund stark abgebremst. In einem solchen Fall ist er für die Folgen des daraus resultierenden Unfalls verantwortlich. Es ist für ihn nicht entlastend, wenn er angibt, nur aufgrund eines Fahrzeugdefekts so stark gebremst zu haben. Denn ein Fahrzeug, dessen Bremsen auf einer Bundesautobahn versagen, stellt eine extrem hohe Betriebsgefahr dar." Der bremsende Autofahrer haftet hier zu 70 Prozent.


Scheidung ist auch bei Suizidgefahr eines Ehepartners möglich

Oberlandesgerichts Hamm (Az.: 4 UF 87/23)

Das Ehepaar Wilma und Wilhelm Willecke* war rund 30 Jahre lang verheiratet. Im Jahr 2016 teilt Frau Willecke ihrem alkoholabhängigen Mann mit, sie wolle sich scheiden lassen. Ein Jahr später lebt das Paar im eigenen Haus getrennt. Dann kommt Herr Willecke in eine Pflegeeinrichtung: Wegen seiner Alkoholsucht leidet er am Korsakow-Syndrom, einer psychiatrischen Erkrankung. Die Ehefrau reicht nun die Scheidung ein. Der Mann aber will dies nicht akzeptieren. Sein Betreuer teilt mit, das würde ihn viel zu stark psychisch belasten – es gebe sogar Selbstmordabsichten. Die Ärzte bestätigen das. Greift hier also die gesetzliche Härtefallklausel, nach der man einem psychisch Kranken eine Scheidung nicht zumuten kann?

Nein, sagten die Richter am Oberlandesgericht Hamm: "Die Ehe des Paares ist gescheitert. Die Lebensgemeinschaft besteht nicht mehr und es ist auch nicht zu erwarten, dass sie wiederherstellt wird. Die Tatsache, dass der Mann in einer Einrichtung lebt, ist dabei nicht entscheidend. Denn auch vorher lebte das Paar innerhalb des eigenen Hauses schon getrennt. Ebenso verhält es sich mit der drohenden Suizidgefahr. In einer solchen Situation ist es der Ehefrau nicht zumutbar, ihr die Scheidung zu verwehren und sie damit weiter an den Ehepartner zu binden. Das Paar kann also geschieden werden."

*Alle Namen wurden von der Redaktion geändert.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL | Das Nachrichtenradio | 16. März 2024 | 06:00 Uhr