Aktionstag Klimawandel in historischen Gärten 59 Prozent aller Bäume geschädigt: Was wir verlieren, wenn historische Parks sterben
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28. September 2024, 05:00 Uhr
Historische Parks und Gärten sind vom Klimawandel besonders bedroht. Dabei ist der Erhalt der Anlagen wichtig für Biodiversität und Klimaanpassung. Sterben sie ab, verlieren wir auch eine Vielzahl an historischen Eichen und Buchen. Gerade für alte Bäume ist der Klimawandel gefährlich.
Am 28. September findet der bundesweite "Aktionstag Klimawandel in historischen Gärten" statt. Eine Studie der TU Berlin hat im Januar erstmals bundesweit gesammelt, wie es um die historischen Parks und Gärten in Deutschland steht und kommt zu dem Ergebnis: Nicht so gut. Von den insgesamt 157.323 erfassten Bäumen waren etwa 50 Prozent leicht bis mittelstark vom Klimastress betroffen, neun Prozent waren schwer beschädigt oder sogar tot.
Wetterextreme sorgen für das Absterben ganzer Bestände
Die extremen Wetterphänomene der Jahre 2017, 2018 und 2019 haben für Astbrüche, Zusammenbrüche und Entwurzlungen von Einzelbäumen, aber auch das Absterben ganzer Bestände gesorgt. Der Klimawandel wird in Mitteldeutschland in den kommenden Jahrzehnten vermutlich für längere Trockenphasen und mehr Extremwetter sorgen. Darauf sind viele Anlagen in Deutschland schlecht vorbereitet. Die Grafik zeigt, wie die historischen Parks und Gärten in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen abgeschnitten haben.
In Sachsen sieht es aber sogar ganz gut aus. Einige der Parks und Gärten schnitten in der Studie (Daten von 2022) gut ab. Die Parkanlage in Dresden Pillnitz steht sogar bundesweit an der Spitze, was den Zustand der Bäume angeht. Weit hinten liegen dagegen die Parks Erfurt am Schloss Molsdorf und in Eisenach am Schloss Wilhelmstal, dort wurde kein einziger Baum im sehr guten Zustand gefunden. In der Studie nicht aufgeführt wird das Gartenreich Dessau-Wörtlitz. Dort hat der Bund Fördermittel in Höhe von 2,7 Millionen Euro breitgestellt, um die Anlage vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Nun werden dort Stausysteme für Wasser installiert - aber auch eine eigene Baumschule. Einen ausführlichen Bericht finden Sie hier bei MDR Kultur.
Die Zerstörung historischer Parks ist "kein Elite-Problem"
Wenn die Pflanzen in historischen Parks und Gärten absterben, ist das zum einen ein großer Verlust an Kulturgut. Zum anderen sind die Anlagen aber auch aus zwei weiteren Aspekten wichtig: Sie tragen zum Erhalt der Biodiversität bei und zur Klimaadaption. "Es handelt sich hier keineswegs um ein Elite-Problem", betont Norbert Kühn vom Institut für Landschaftsarchitektur und Umweltplanung an der TU Berlin. Er hatte beim Klima-Parkschadensbericht die Projektleitung. 62 der untersuchten Parks und Gärten hätten sich als Hotspots biologischer Vielfalt erwiesen – mit 543 verschiedenen Baumarten und Hybriden. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es lediglich 92 heimische Baumarten. "Viele Parkanlagen sind stadtnah, spenden Schatten, sorgen für Verdunstung und bieten gerade in Hitzeperioden besonders in städtischen Ballungsräumen Kühlung."
Besondere Gefahr für historische Bäume
Historische Parks und Gärten sind aber auch noch aus einem weiteren Grund wertvoll für uns: In ihnen stehen meistens ebenso historische Bäume. "Gerade diese sind schon allein auf Grund ihres Alters meist weniger vital und können den zusätzlichen Stressoren, die der Klimawandel mit sich bringt, weniger entgegensetzen.", betont der Forstwissenschaftler und Kurator des Forstbotanischen Gartens in Tharandt, Ulrich Pietzarka. Schon allein auf Grund ihrer Größe benötigten diese historischen Bäume mehr Wasser als ein kleinerer Baum. Außerdem seien die Transportwege im Baum länger. Somit kostet die lebensnotwendige Photosynthese den Baum mehr Energie, was die Situation bei Hitze noch einmal zusätzlich verschärft.
Aber es gibt auch noch ein weiteres Problem, wenn der Baum nicht mehr ausreichend Wasser transportieren kann: Normalerweise nutzen die Bäume die Verdunstung von Wasser an der Blattoberfläche auch als kleine integrierte "Klimaanlage". Ulrich Pietzarka erklärt: "Bei Hitzeereignissen von 35°C und mehr gelingt es den Bäumen häufig nicht mehr, die Temperatur der Blätter niedrig genug zu erhalten und sie verbrennen regelrecht, worauf hin sie dann abfallen. Dann gelangt das Sonnenlicht auf die zuvor beschattete Rinde von Ästen und Stamm und erhitzt diese bei dünnrindigen Baumarten so stark, dass die darunterliegende Wachstumsschicht abstirbt." Man nenne das "Sonnenbrand".
Gerade alte Buchen seien in den vergangenen Jahren auf diese Weise schwer geschädigt worden. Danach ist der entsprechende Baum anfälliger für Pilze und kann bei starkem Befall auch mal zusammenbrechen. Das ist in öffentlichen Parks und Gärten besonders gefährlich.
Viele Ansätze zur Rettung historischer Parks
Was kann man also unternehmen, um die Parks und Gärten fit für den Klimawandel zu machen? Ulrich Pietzarka sagt, zum Glück gebe es mittlerweile viele Ansätze. "Bei neuen Baumpflanzungen wird versucht, alles zu tun, damit sich angepasste, robuste, stresstolerante Baumbestände entwickeln können: ausreichend Platz und Wurzelraum, Bodenverbesserungen, Pflanzung von kleinen Bäumen, die sich am neuen Standort besser adaptieren können […]." Außerdem spielt es natürlich eine große Rolle, welche Baumarten gepflanzt werden. Hier gibt es dem Forstwissenschaftler zufolge ungefähr zwei Optionen: Erstens, Pflanzen aus der näheren Umgebung, die sich hoffentlich schon ein wenig an die lokalen Klimabedingungen angepasst haben. Zweitens: Pflanzen aus Regionen, in denen schon jetzt extremere Bedingungen herrschen.
Bei neuen Baumpflanzungen wird versucht, alles zu tun, damit sich angepasste, robuste, stresstolerante Baumbestände entwickeln können.
Auch in der oben erwähnten Parkzustandserhebung der TU Berlin zeigt sich, dass bestimmte Baumarten weniger Klimaschäden aufweisen. Unter den Eichen beispielsweise waren heimische Bäume deutlich stärker geschädigt als fremdländische Eichen. Das trifft auch auf andere Baumarten zu: Laut der Studie waren allgemein die "Zukunftsbaumarten" aus anderen Ländern in besserem Zustand. Das sind Baumarten, von denen man erwartet, dass sie Hitze und Trockenheit besser vertragen. Dazu gehören die Flaum- und Zerr-Eiche sowie die Hopfenbuche oder die Silber-Linde.
Einige dieser Baumarten haben wir bereits in einer kleinen Audio-Serie vorgestellt. Sie können die Serie hier nachhören.
Links/Studien
Die Parkzustanderhebung 2024 finden Sie hier zum Nachlesen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. September 2024 | 16:30 Uhr
klimaundgaerten vor 2 Wochen
Antwort 2/2
...
Die "bedingte Vergleichbarkeit" (Zitat aus dem Bericht) beginnt bereits bei den Eingangsdaten. In den sächsischen Anlagen wurde beispielsweise gar nicht die "Vitalität" erhoben, sondern der verkehrssicherheitsrelevante "Baumzustand". Das ist fachlich ein großer Unterschied. Und so ist es zu hinterfragen, ob man den "Baumzustand" in Anlage A (Sachsen) mit der "Vitalität" in Anlage B (irgendwo in D) in Relation setzen kann - meiner Meinung nach nicht, denn das wäre Äpfel mit Birnen verglichen. Darin sehe ich die Stärke des Berichtes, er zeigt auf, wie wichtig eine deutschlandweit einheitliche Vitalitätserfassung und die Verstetigung dieser ist.
klimaundgaerten vor 2 Wochen
Antwort 1/2 Liebes MDR-Team,
danke für die Antworten. Den Bericht kenne ich, habe ihn gelesen und als Team waren wir bei der Erstellung des Berichts eng mit Prof. Kühn als Leiter und Herrn Wörner als Bearbeiter im Austausch. Deshalb ist mir die zu hinterfragende Aussagekraft des "tatsächlichen Ist-Standes" wohl bekannt. Entscheidend ist dieser Passus auf S. 72 und 73 des verlinkten Berichtes:
"In der Praxis dürfte dies dazu führen, dass die Spanne der möglichen Beurteilungen relativ groß ist und die verwendeten Daten eine nicht quantifizierbare Unschärfe bezüglich der Einstufung des Baumzustandes enthalten. Die verschiedenen in den Verwaltungen verwendeten Beurteilungsmethoden und skalen setzen zudem unterschiedliche Schwerpunkte in der Erfassung, sodass die Vergleichbarkeit zwischen verschiedenen Methoden nur bedingt gegeben ist. Dies muss bei allen Interpretationen unbedingt berücksichtigt werden, [...]."
MDR-Team vor 2 Wochen
Antwort 2/2 - an @klimagaerten:
...
Auf Seite 72 des verlinkten Berichts wird auf die Erfassung und Beurteilungsmethoden der genutzten Katasterdaten (Kritik) eingegangen.
"Die Berücksichtigung der mikroklimatischen Besonderheiten, Bodeneigenschaften und Grundwasserstände eines Standortes ist nach wie vor essentiell. Jede Parkanlage ist ein Individuum, nicht nur aufgrund ihrer kunsthistorischen Genese und Nutzungsgeschichte, sondern auch aufgrund ihrer standörtlichen Faktoren."
Dies beschränkt zwar den direkten Vergleich, jedoch ändert dies nichts an dem festgestellten Zustand der Bäume und Parkanlagen. Die Kritik bezieht sich also auf mögliche Rückschlüsse, aber nicht auf den tatsächlichen Ist-Stand.
Herzliche Grüße