Einlieferung einer älteren Frau ins Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt.
Eine 94-jährige Frau klagt über Magenbeschwerden und hat zu wenig getrunken. Zur Überwachung soll sie ins Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt transportiert werden. Bildrechte: MDR/ Rouven Zietz

Reportage Im Einsatz für die Gesundheit

25. September 2014, 15:27 Uhr

Sie retten Leben, beruhigen Kranke und Verletzte. Jeden Tag rücken in Mitteldeutschland Rettungshelfer aus, um brenzlige Situationen zu lindern. Protokoll eines wahnsinnig normalen Arbeitstages im Rettungsdienst.

Wer Rettungsassistent werden möchte, sollte die Ordnung lieben. Hier in der Berliner Straße beim Malteser Hilfedienst in Dresden überlassen die 54 Mitarbeiter nichts dem Zufall. Es ist Montagmorgen, kurz vor 9 Uhr. Die Zwölfstundenschicht von Daniel Mankus, 24, und Silvio Rehwald, 38 beginnt mit Protokollschein und Kugelschreiber. Hinter jedem Medikament setzt der Dresdner Daniel Mankus ein Häkchen, wenn er es an einem der rechtmäßigen Plätze in den Schubladen oder dem Rettungsrucksack vorfindet. Er prüft das EKG mit Defibrillator, den Druck in den Sauerstoffflaschen und checkt den kompletten Innenbereich des Einsatzfahrzeuges.

Vorne in der Fahrerkabine befindet sich unterhalb des Radios ein Statusmelder mit Tasten von Null bis Neun. Jede Situation, in die sich die Rettungsassistenten in den kommenden zwölf Stunden begeben, wird mit dem Drücken auf einen der Knöpfe an die Rettungsleitstelle gefunkt. Somit sind die Disponenten, die entscheiden, wer wo hinfährt, immer informiert. Es kann losgehen: Daniel Mankus und Silvio Rehwald sind jetzt startklar, um Menschen zu helfen, die in Not sind.    

0 – Notruf: Statusmeldung Rettungswagen

Die Taste Null, ist die einzige, die man auf dem Display noch als Ziffer erkennen kann. Sie ist rot und wird offenbar selten genutzt. Die Rettungsassistenten vom Malteser Hilfsdienst drücken die Taste, wenn sie selbst in einen Unfall verwickelt sind. "Bei uns kommen schon mal Unfälle vor, aber bisher zum Glück ohne Personenschaden", sagt René Fleischer, Leiter der Rettungswache in der Berliner Straße. Vor allem in der Stadt sei es gefährlich, wenn der Rettungswagen mit hoher Geschwindigkeit an eine Kreuzung gelangt. Nicht selten übersehen Verkehrsteilnehmer anrauschende Einsatzfahrzeuge. Ein Problem, vor allem in den Großstädten. René Fleischer organisiert regelmäßig Fahrsicherheitstrainings auf dem Sachsenring, damit die Rettungskräfte nicht das Gefühl verlieren, wie lang ein Bremsweg mit einem tonnenschweren Rettungswagen mit hoher Geschwindigkeit sein kann.

An diesem Montag bleibt die Taste erfreulicherweise unberührt. Zweimal fährt der Rettungswagen mit Blaulicht und Martinshorn durch Dresden. 70 km/h auf einer geraden Strecke zeigt der Tachometer an. Fahrer Silvio Rehwald bremst an den Kreuzungen, schaut nach rechts, dann nach links und gibt Gas.

01 – Unterwegs, einsatzbereit

Sechs Kilometer rund um die Wache: Das ist ihr Gebiet, in dem Daniel Mankus und Silvio Rehwald Leben retten, Verwundete versorgen oder alte Menschen ins Krankenhaus transportieren. Die Taste Eins drücken sie, wenn sie mit dem Rettungswagen durch ihr Revier streifen, eben unterwegs sind, aber einsatzbereit. An diesem Montag drückt Silvio Rehwald die Taste fünfmal, immer nach dem Verlassen des Krankenhauses.

02 – Auf der Wache, einsatzbereit

Zwischen dem Dienstbeginn und dem ersten Einsatz vergehen zwei Stunden. Eine Zeit, in der die Rettungskräfte tun können, was sie wollen: Lesen, Fernsehen, Ausruhen oder per Handy chatten. Allerdings müssen sie auf der Wache bleiben. In der Berliner Straße gibt es einen Aufenthaltsraum mit Couch, Fernseher und kleiner Terrasse. Integriert ist eine Küche, in der eine Filterkaffeemaschine steht, deren Kanne immer halbvoll ist. Es gibt zwei Ruheräume. Hier können sich die Rettungshelfer und Notärzte zwischen den Einsätzen hinlegen.

Daniel Mankus hat sich einen Kaffee mit Milch geholt. Er setzt sich an den Tisch und streckt seine Beine aus. Er hat jetzt Zeit zu reden.

Der 24-Jährige ist seit dreieinhalb Jahren bei den Maltesern. Als Kind wollte er eigentlich Feuerwehrmann werden, absolvierte deshalb eine Ausbildung als Konstruktionsmechaniker. Ein handwerklicher Beruf ist die Voraussetzung für Berufsfeuerwehrmänner. Doch es kam anders. Statt Brände zu löschen, ließ er sich zum Rettungsassistenten ausbilden. Die ersten Jahre war er auf dem Land für das Deutsche Rote Kreuz tätig. Dann wechselte er nach Dresden. "Die Einsätze in der Stadt sind zahlreicher, hier ist mehr los." Mit dem, was er täglich bei seinen Rettungseinsätzen sieht, komme er gut zurecht. "Man redet Zuhause über das Erlebte", sagt Daniel Mankus. Bei sehr heftigen Einsätzen gebe es eine Einsatznachbesprechung, die einem hilft, Ereignisse zu verdauen.

Der Piepser in seinem Hosenbund ertönt: Ein Einsatz. Eine Frau ist von einer Wespe in den Nacken gestochen worden.

03 – Einsatzübernahme – Auf dem Weg zum Einsatzort

Silvio Rehwald drückt die Drei auf dem Statusmelder. Mit Blaulicht und Martinshorn geht es Richtung Zentrum. Die beiden Rettungsassistenten machen Tempo. Eine allergische Reaktion auf einen Wespenstich kann gefährlich werden. Nach sieben Minuten erreicht der Rettungswagen sein Ziel: Eine Apotheke mitten in der Fußgängerzone.

04 – Angekommen am Einsatzort

Rehwald drückt die Vier. Die beiden schnappen sich ihre Rettungstaschen und sprinten schnurstracks in die Apotheke. Die 44-jährige Frau sitzt auf einer Sitzecke mitten im Geschäft und berichtet gefasst, was passiert ist: "Eine Wespe hat mir in den Nacken gestochen. Ich bin sofort in diese Apotheke, um Schlimmeres zu verhindern." Die Rettungsassistenten greifen der Frau unter die Arme und begleiten sie in den Rettungswagen. Dort bereiten die Malteser drei Medikamente vor: Eines gegen den Rückfluss von Magensäure, ein zweites, das die Wassereinlagerung in den Zellen verhindert und ein drittes, das eine allergische Reaktion unterdrückt.

05 – Sprechwunsch

Zuvor drückt Silvio Rehwald die Fünf auf dem Statusmelder. Zurück im Innenraum nimmt er den Hörer ab und fordert über die Zentrale den Notarzt an. Als Ulyana Zharkova eintrifft, ist alles vorbereitet. Sie setzt die Spritzen und erteilt der Dresdnerin den Ratschlag, zur Sicherheit für einen Tag ins Krankenhaus zu gehen. Die allergische Reaktion könnte sich wiederholen.

06 – Nicht Einsatzbereit

Nach intensiven Einsätzen müssen die Rettungskräfte erst die verbrauchten Medikamente auffüllen oder den Innenraum säubern, bevor sie wieder ihrem eigentlichen Job als Lebensretter nachgehen. Das ist in diesem Fall nicht nötig.

07 – Transport ins Krankenhaus

Rettungswagen der Malteser: Durchschnittlich kommt ein Rettungsteam auf sechs bis sieben Einsätze pro Schicht. In den Ferienzeiten sinken die Einsatzzahlen in Dresden.
Rettungswagen der Malteser: Durchschnittlich kommt ein Rettungsteam auf sechs bis sieben Einsätze pro Schicht. Bildrechte: MDR/ Rouven Zietz

Rehwald und Mankus machen sich auf den Weg ins Krankenhaus Dresden-Friedrichstadt. Die Frau mit dem Wespenstich liegt hinten auf der Hightech-Liege. Daniel Mankus sitzt bei ihr und nutzt die Zeit, um den Fall digital zu protokollieren. Silvio Rehwald erzählt derweil von einem seiner prägendsten Einsätze: Ein elfjähriger Junge fiel vor zehn Jahren von einem Balkon aus dem sechsten Stock - und überlebte. Der Junge schaffte es irgendwie, mit seinen Füßen voraus auf dem Asphalt aufzuschlagen. Dabei hatte er noch das Glück einen spitzen Zaun im Absturz zu umschiffen. Seine Füße bis zum Oberschenkel waren massiv malträtiert, erinnert sich Rehwald. Er versorgte ihn sofort mit den nötigen Maßnahmen und brachte ihn ins nächste Krankenhaus. Ein Jahr später konnte der Junge wieder gehen.

Rehwald ist schon seit 15 Jahren Rettungsassistent. Als Zivildienstleistender lernte er den Beruf kennen. Es gefiel im so sehr, dass er seinen alten Job als Zimmerer an den Nagel hing. Er schätzt die Abwechslung und hat Freude daran, etwas Sinnvolles zu tun.

08 – Angekommen im Krankenhaus

Stau vor der Notaufnahme: Zwei Rettungswagen bringen ebenfalls Patienten ins Krankenhaus. Daniel Mankus übergibt das digitale Protokoll an das Krankenhauspersonal. Die Dresdnerin mit dem Wespenstich wird auf ein Krankenhausbett gehievt.

09 – Anmelden in anderem Funkverkehrsbereich

Verlassen die Rettungskräfte ihr Einsatzgebiet, in diesem Fall das Dresdner Stadtzentrum, melden sie es beim Disponenten. Dies kann etwa bei schweren Unfällen auf der Autobahn vorkommen. Dann wird Verstärkung in anderen Rettungszonen gebraucht. Heute ist das zum Glück nicht der Fall. Insgesamt rücken Mankus und Rehwald an diesem Montag fünfmal aus. Die Bilanz: Zwei Wespenstiche, zweimal Magenprobleme, eine Herzgeschichte. Ein wahnsinnig normaler Arbeitstag, also mit jeweils glücklichem Ausgang.