1015: Ersterwähnung der Stadt Leipzig Fünf Dinge, die in Leipzig kuriose Geschichte(n) schrieben

15. September 2015, 11:39 Uhr

2015 feierte Leipzig sein tausendjähriges Stadtjubiläum. 1965 zelebrierte man hier allerdings den 800. Geburtstag. Eine historische Ungereimtheit, die aber nicht die einzige ist. Geschichte: Einmal so und dann wieder anders - das erzählen so einige Fundstücke aus Leipzigs Historie. Sie bergen verblüffende fünf historische Überraschungen.

1. Der Stadtbrief

1965 feierte Leipzig ein wichtiges Ereignis: das 800. Jubiläum der Stadt. Der damalige Staatschef Walter Ulbricht war vor Ort. Aber wie kam man eigentlich auf diese Jahreszahl? Als 1955 der Rat der Stadt Leipzig beriet, wann und wie man ein Jubiläum ausrichten könne, präsentierte der Stadtarchivar ein Dokument zur Verleihung des Stadtrechts und des Marktprivilegs durch Markgraf Otto von Meißen. Dies bot den Anlass, Stadt- und ein Messejubiläum zusammen zu feiern.

In der Urkunde war jedoch kein Jahr der Stadtgründung angegeben, daher wurden die Sterbedaten der darin genannten Zeugen herangezogen. Als möglicher Zeitraum kamen die Jahre zwischen 1157 und 1170 heraus. Schließlich wurde das Jahr 1965, das Ende des Siebenjahresplans, als passender Zeitpunkt ausgewählt. Mehr als 200 Millionen Mark stellte die DDR-Regierung für ein riesiges Festprogramm, für Neubauten und für Propaganda zur Verfügung.

Heute beruft sich die Feier zu "1.000 Jahre Leipzig" auf ein älteres Dokument: die Erstnennung der "urbs Libzi", die Bischof Thietmar von Merseburg im Jahr 1015 in seiner Chronik verewigte.

2. Das Ulfberht-Schwert

In einem Tagebau im Süden vor den Toren der Stadt wurde 1942 ein 1000-jähriges Schwert gefunden. Mit der Waffe war der Sieg quasi schon im Kasten, bevor die Schlacht überhaupt begann. Denn das sogenannte Ulfberht-Schwert gefertigt von rheinischen Waffenschmieden war hart und widerstandsfähig, aber auch nachgiebig. Echte Qualität. Selbst die Wikinger waren ganz wild darauf, diese Superschwerte mit dem Signum "Ulfberht" zu bekommen. Nur leider hat der Leipziger Fund einen kleinen Makel, wie Ulrike Dura vom Stadtgeschichtlichen Museum erklärt:

Es kann durchaus sein, dass es sich hier um eine Fälschung handelt. Man würde heute Markenpiraterie sagen: Dass es Schwerter gab, wo man diesen Namen benutzt hat, um es wertvoller zu machen."

Ulrike Dura, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

Die nachahmungswilligen Schmiede waren damals nicht unbedingt des Schreibens kundig und hatten sich beim Signieren vertan.

3. Die Haarlocke von Diezmann

Im 14. Jahrhundert hatte sich Leipzig längst zur Stadt gemausert und war in der Hand der Wettiner. Da ereignete sich in der Thomaskirche ein mysteriöser Vorfall. Weihnachten 1307 soll Dietrich III., ein Wettiner, dort von hinten erdolcht worden sein. Einziges Zeugnis dessen ist eine Haarlocke, die bis heute in roter Pracht erhalten geblieben ist.

War es ein Auftragsmord? Geblieben sind bis heute wilde Spekulationen und die Haarlocke selbst. Nach 300 Jahren wurde Diezmanns Grab noch einmal geöffnet. Und siehe da, die Haare des Markgrafen waren immer noch leuchtend rot. Eine Mahnung - dabei hatte sein früher Tod mit 37 Jahren auch etwas "Gutes":

Wenn er länger gelebt hätte, wäre das Land vielleicht noch länger und mehr zersplittert worden. Weil dadurch, dass er in sehr jungen Jahren diesen Tod erlitten hat, konnte sein Bruder seine Gebiete mit in die Herrschaft einbeziehen. Danach ist auch so extrem nie wieder zersplittert und in Frage gestellt worden."

Ulrike Dura, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

4. Das Buch "Glosa sup Apocalipsim"

Im Grafischen Viertel wird im Jahr 1481 Leipzigs erstes Buch gedruckt. Es ist der Beginn einer glorreichen Ära der Stadt als Buchmetropole mit Weltruf. Bis dahin wurden Bücher mit der Hand geschrieben, Wort für Wort, Zeile für Zeile. Verziert mit prachtvollen Miniaturen.

Doch mit einem kleinen, unscheinbaren Werk verändert sich Leipzig für immer - es ist die "Glosa sup Apocalipsim", eine christliche Schmähschrift gegen die Türken. Mit bösartigen Verwünschungen aus der Apokalypse des Neuen Testaments. Autor ist der Dominikanermönch Annius von Viterbo. Später stellte sich heraus: Er war einer der größten Dokumenten- und Historienfälscher jener Zeit. Und deshalb bleibt unterm Strich nur, dass 1481 ein Buch von irgendwem mit irgendwas aber definitiv in Leipzig gedruckt wurde. Mehr nicht.

Es gibt nur ganz wenige solcher prachtvollen Handschriften (...). Die "Glosa Apocalipsim" hat wirklich Leipzigs Ruf für Jahrhunderte geprägt hat.

Marko Kuhn, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig

5. Die Leipziger Sänfte

Aus dem Jahr 1703 stammt die Leipziger Sänfte - sie ist ein Zeugnis des Fortschritts, ein Urexponat des öffentlichen Personennahverkehrs in der Stadt. Die Stadt hatte als Messestadt den Anspruch, mit europäischen Standards zumindest Schritt zu halten. Und dafür stehen auch die zwölf Sänften der Stadt. Damit verbunden sind strenge Instruktionen: Vierzehn Stunden geht der Dienst, niemand darf während der Arbeit trinken oder rauchen, Unfreundlichkeit ist strengstens verboten. Klingt wirklich sehr modern. Aber mit Sänften? Man brauchte sie, um nicht im Schlamm zu versinken:

Nun darf man sich eine Stadt nicht so aufgeräumt vorstellen im 18. Jahrhundert wie heute, alles war total im Dreck. Es wurden damals in der Stadt auch noch Tiere gehalten, man schmiss gern alles aus dem Fenster, was man nicht braucht. Also das heißt, die Straßen selber waren ein Stück weit, insbesondere wenn es lange geregnet hatte, fast unpassierbar.

Volker Rodekamp, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig