Mo 13.11. 2023 22:00Uhr 90:00 min

MDR KULTUR - Hörspiel | "100 aus 100" - Die Hörspiel-Collection Regina B. - Ein Tag in ihrem Leben

"100 aus 100" - Die Hörspiel-Collection

Von Siegfried Pfaff

Komplette Sendung

Eine junge Schweißerin im VEB Warnowwerft Warnemünde 78 min
Bildrechte: imago/Harald Lange
MDR KULTUR - Das Radio Mo, 13.11.2023 22:00 23:30
Das Radio wird dieses Jahr 100 Jahre alt, das erste Hörspiel wurde in Deutschland 1924 ausgestrahlt. Was liegt näher, als die einzige originäre Kunstform des Radios zeitgemäß zu feiern? Nora Gomringer und Jörg Albrecht stellen 100 herausragende Stücke der Hörspielgeschichte in einem Podcast vor. Darunter auch Titel aus dem Archiv des Rundfunks der DDR, die wir in loser Folge auf unserem wöchentlichen Sendeplatz ,auf die Antenne bringen'.

Den Anfang macht Siegfried Pfaffs Hörspiel "Regina B. - ein Tag in ihrem Leben". Es ruft eine Zeit auf, in der, es kann nicht schaden, sich das zu vergegenwärtigen, der Zweite Weltkrieg für alle zwischen zwanzig und dreißig, von den älteren zu schweigen, noch Folie des täglichen Erlebens und Vergleichens war. Wie erging es ihnen damals im Krieg - wie geht es ihnen jetzt, Mitte der 60er Jahre? Arbeitern, östlich der Elbe, fragt Pfaff.

Ort der Handlung: Ein großes Industriewerk. Ort der Handlung in mehr als räumlichem Sinne. Die Arbeit besetzt ganz wesentlich das Leben, sie definiert den Bezugsraum jeder auftretenden Person: Wie wir heute arbeiten, werden wir morgen leben. Es geht um die ursprüngliche Akkumulation, Herstellung dessen, was gebraucht wird, damit morgen jeder, der ein Fahrrad kaufen will, es kaufen kann. Mit den Fahrrädern fangen wir an. In diesen Verständnisrahmen setzt der Autor eine Frau, Regina B., die mit den Zeitläuften der Republik ihre Lebensumstände ändert; vom Herumziehen mit verschiedenen Männern sind ihr zwei Kinder geblieben. Dann biegt sie auf die Abendschule ab, nimmt den Weg zur Facharbeiterin. Nun könnte sie, es reizt sie sehr, ein Ingenieursstudium aufnehmen. Berufsbegleitend - ein Euphemismus - die Kinder werden groß, während sie die Schulbank drückt.

Wir sehen Regina B. mit ihrem Entschluss - auf der anderen Seite sehen wir: Die Männer. Denn es sind ganz überwiegend Männer - Rupprecht, ihr Meister in der Brigade, Klarmann, der Qualifikationsverantwortliche des Betriebs, Krüger, ihr Freund - die in unterschiedlichem Duktus (und aus unterschiedlichen Interessen) die Stirn runzeln: Du übernimmst Dich, lass das sein! Denk an die Kinder!

Einen Tag gibt uns der Autor Zeit, genau jenen, an dem sich Regina B. entscheidet - und zieht alle, die da auftreten, unter das Brennglas ihres Verhältnisses zur für sie verblüffenden Entscheidung seiner Heldin. Alltagssprache und -probleme mischen sich klug mit verknappten Dialogen, die entfernt an Heiner Müllers dialektischen Witz erinnern. Weltanschauung strahlt deutlich durch - aber sie versteht sich hier noch als Darstellung von sinnvollen Optionen. Vorgeschlagen von einer Frau im Jahr 1967.

Siegfried Pfaff, geb. 21. Januar 1931 in Kreuzburg/Oberschlesien heute Kluczbork, arbeitete von 1949 bis 1952 als Lehrer im Erzgebirge und studierte anschließend in Leipzig und Berlin. Über die Volksbühne Berlin kam er 1960 als Dramaturg zum DDR-Rundfunk, wo er unter anderem das Erfolgsstück "Zwischenbilanz" (1963) von Rolf Gumlich und Ralph Knebel betreute. Neben Hörspielen für Kinder und Erwachsene schrieb Siegfried Pfaff auch das Fernsehspiel"Ein Strauß roter Nelken" (1977).
Mitwirkende
Regie: Fritz-Ernst Fechner
Produktion: Rundfunk der DDR 1967
Darsteller
Mitwirkende:
Lissy Tempelhof: Regina Bayer
Dieter Wien: Krüger
Ingeborg Krabbe: Inge Katzur
Helga Göring: Inges Mutter
Berti Deutsch: Gertrud Heime
Walter Richter-Reinick: Rupprecht
Christoph Engel: Klarmann
Georg Thies: Hopser
Kurt Böwe: Schubert
Manfred Wagner: Dieter Erfurth
Gisela Büttner: Sabine Erfurth
Norbert Christian: Otto
Roman Silberstein: Ronny
Gerhard Rachold: Hans
Werner Troegner: Anton
Maximilian Larsen: Krafft
Waltraut Kramm
Ruth Leksa
Erich Brauer

(64 Min.)