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Milliarden-KostenEntlastungspaket: Bund macht die Rechnung ohne die Länder

20. September 2022, 17:50 Uhr

Die Länder sind bereit, sich an den Kosten des dritten Entlastungspakets zu beteiligen, wären aber gern vorher gefragt worden in welcher Höhe. So drohen sie nun mit einer Blockade durch den Bundesrat, wenn die geplanten Gesetzesänderungen für Maßnahmen wie Wohngeld, Heizkostenzuschuss oder Kindergeld anstehen. Doch ihr Verhandlungsspielraum ist gering. Die Betroffenen würden kaum Verständnis für politische Machtspiele aufbringen.

Im Bundesrat letzten Freitag waren die Themen der Tagesordnung weniger spannend als die Flurgespräche. Dort wurde über das dritte Entlastungspaket der Bundesregierung und die damit verbundenen Belastungen für die Länder diskutiert. Einen Versuch, es auf der offenen Bühne der Länderkammer zu debattieren, sollen die SPD-regierten Länder verhindert haben.

Bund und Länder streiten über die Verteilung der Kosten

Allerdings war das ein Fehlschlag. Seit dem Wochenende hagelt es aus den Ländern massiv Kritik, dass die Bundesregierung weitreichende Entscheidungen mit dem dritten Entlastungspaket trifft und dabei das Geld der Länder ohne zu fragen verteilt. An den Gesamtkosten von 65 Milliarden Euro sollen sie sich mit 19 Milliarden Euro beteiligen.

Auf den ersten Blick erscheint das fair. Doch der Bund hofft, mindestens die geplanten etwa 30 Milliarden Euro für die Strompreisbremse noch durch die Abgabe auf sogenannte "Zufallsgewinne" bei den Energiekonzernen wieder einzusammeln und dann wären die Länder nicht nur mit einem Drittel, sondern mit der Hälfte der Kosten dabei. Klar ist trotzdem: Die Länder wollen sich schon beteiligen und auch keine Totalblockade. Aber sie möchten eine aus ihrer Sicht gerechtere Verteilung zwischen Bund und Ländern. Bei den 19 Milliarden Euro aus den Ländern handelt es sich unter anderem:

  • um 2,0 Milliarden Euro für die Wohngeldreform
  • um 4,4 Milliarden Euro für die Begrenzung der kalten Progression bei der Einkommenssteuer
  • um eine Milliarde Euro für die Erhöhung des Kindergelds bzw. Kinderzuschlags

Mitteldeutsche Länderhaushalte stark belastet durch Entlastungspaket

Auch die Haushalte der Länder Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen werden dabei mit vielen Hundert Millionen Euro belastet. Das haben die Finanzministerien dem MDR bestätigt. Demnach kommen nach jetziger Ausgestaltung des Paketes

Besonders für Sachsen ist die eine Milliarde Mehrbelastungen aus dem laufenden Haushalt ohne Kürzung nicht zu stemmen, obwohl die Inflation durch die hohen Preise über die Mehrwertsteuer einiges zusätzlich in der Kasse spült. Zudem kann Sachsen laut eigener Verfassung nicht die Schuldenbremse aussetzen. Also blieben nur Kürzungen, kündigt Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) gegenüber MDR AKTUELL an: "Dieses Geld ist nicht vorhanden. Wenn man es aufbringen muss, werden andere Projekte zurücktreten. Damit haben wir auch wieder Sorgen im Bereich des Straßenbaus, der sozialen Infrastruktur, der Kultur."

Thüringen kann zwar über die Ausrufung einer Haushaltsnotlage neue Schulden machen, aber ist davon auch nur wenig begeistert. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) adressiert seine Kritik vor allem an Bundesfinanzminister Christian Lindner, der für den Bund an der Schuldenbremse festhalten möchte. "Das ist ein Widerspruch, dass Herr Lindner weiter davon redet, dass die Schuldenbremse das oberste Heiligtum für ihn ist", so Ramelow, "aber es ihm egal ist, wie die Länder damit klarkommen."

Wirtschaftshilfen sind noch nicht eingerechnet

Endgültig werden die finanziellen Folgen für die Haushalte der Länder wohl erst nach der nächsten Steuerschätzung Ende Oktober absehbar sein. Bei anhaltender hoher Inflation könnten die Mehrwertsteuereinnahmen für die Länder deutlich höher ausfallen als erwartet und die Situation vereinfachen.

Allerdings gibt es auch einige Unbekannte in der bisherigen Rechnung des Bundes. "Der gesamte Wirtschaftsbereich steht außen vor", kritisiert Michael Kretschmer, obwohl sie nach seiner Sicht zentraler Teil eines Rettungspakets sein müssten, weil sie die Arbeitsplätze und Steuern erwirtschaften. Da könnten die Kosten des Pakets also noch steigen. 

Blockade über den Bundesrat möglich, aber unwahrscheinlich

Theoretisch können die Länder das Entlastungspaket in Teilen über den Bundesrat blockieren oder verzögern. Allein elf der 32 Maßnahmen sind zustimmungspflichtig durch die Länderkammer. Dazu gehören zentrale Vorhaben wie die Wohngeldreform, das neue Bürgergeld, die Kindergelderhöhung und der Abbau der kalten Progression.

Bei anderen Maßnahmen ist ein Einspruch durch die Länder möglich und könnte zu einer Anrufung des Vermittlungsausschusses zwischen Bundestag und Bundesrat führen. Doch praktisch ist der Verhandlungsspielraum gering. Die Menschen warten auf das Geld. Schon jetzt würden bei einem normalen Ablauf der parlamentarischen Verfahren die Hilfen nicht vor Januar bei den Betroffenen ankommen. Eine weitere Verzögerung durch die Länder würde in der Öffentlichkeit kaum auf Verständnis treffen.

So sind wohl nur dort Deals möglich, wo nicht direkt die Entlastungen für die Bürger betroffen sind. So könnten die Länder vielleicht noch einen größeren Zuschuss des Bundes für eine Nachfolgeregelung für das 9-Euro-Ticket oder eine Aufstockung der Regionalisierungsmittel für den Öffentlichen Nahverkehr herausschlagen.

Außerdem möchten die Länder eine Verlängerung der Hilfen für die Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge aus der Ukraine. Für den Winter wird mit einem erneuten Anstieg der Zahlen gerechnet und viele Kommunen sind bei der Vorhaltung von Unterkünften und Betreuungsmöglichkeiten schon in Vorleistung gegangen.

Die erste Runde für den Poker ums Geld zwischen Bund und Ländern beim Entlastungspaket ist jetzt am 28. September geplant. Schon das ist reichlich spät.

Dieses Thema im Programm:MDR AKTUELL RADIO | 20. September 2022 | 08:00 Uhr