Strafvollzug Ersatzfreiheitsstrafen nach der Pandemie – sind Sachsen-Anhalts Gefängnisse bald überlastet?
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30. Juni 2022, 05:00 Uhr
Wer auf Dauer die Strafe fürs Schwarzfahren nicht zahlt, muss irgendwann ins Gefängnis und die Geldstrafe absitzen. In der Pandemie galt das nicht: Um die Infektionen in den Justizvollzugsanstalten zu vermeiden, wurde die Vollstreckung von Ersatzfreiheitsstrafen ausgesetzt. Jetzt sind die Maßnahmen aufgehoben und die Strafen müssen nachgeholt werden. Droht den Gefängnissen Überlastung?
- Über zwei Jahre lang sind in Sachsen-Anhalt keine Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt worden.
- Es gibt die Befürchtung, dass dadurch ein Stau entstanden ist, der jetzt abgearbeitet werden muss.
- Dabei gebe es in den Gefängnissen ohnehin schon ein akutes Personalproblem, warnt Linken-Abgeordnete Eva von Angern.
Mario Pinkert macht sich Sorgen. Pinkert ist Strafvollzugsbediensteter und kommt gerade vom Dienst aus dem Gefängnis. Außerdem ist er Vorsitzender der Gewerkschaft Strafvollzug in Sachsen-Anhalt. Hier sind über zwei Jahre keine Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt worden. Nur im vergangenen Herbst wurden für kurze Zeit einige Ersatzfreiheitsstrafen angetreten. "Die Polizei ist jetzt sehr aktiv, um diese aufgestauten Haftbefehle, die da sind, abzuarbeiten und in zweiter Instanz zuzuführen."
Mit zweiter Instanz meint Pinkert die Tatsache, dass Ersatzfreiheitsstrafen erst dann vollstreckt werden, wenn Bußgelder dauerhaft nicht gezahlt und Arbeitsstunden verweigert werden. Pinkerts Sorge: "Dass dieser Stau, der in den letzten Jahren entstanden ist, jetzt abgearbeitet wird und sich jetzt in den Gefängnissen widerspiegelt."
Linken-Abgeordnete: Gefängnisse haben "akutes Personalproblem"
Ein Problem, das auch die Abgeordnete der Linken, Eva von Angern, umtreibt. Deswegen hat sie an die Landesregierung eine kleine Anfrage gestellt. Sie will wissen, wie viele Ersatzfreiheitsstrafen pandemiebedingt aufgeschoben wurden.
Die Antwort der Landesregierung lautet kurz zusammengefasst: Dazu liegen keine Zahlen vor. Das ärgert die Frau von der Opposition: "Wir haben ein akutes Personalproblem an unseren Gefängnissen und daher ist es wichtig, darüber zu reden, in welcher Zahl Ersatzfreiheitsstrafen auf uns zukommen. Und die Gedankenlosigkeit beziehungsweise Leidenschaftslosigkeit der Landesregierung kann ich an dieser Stelle nicht nachvollziehen."
Warum das Justizministerium keine genauen Zahlen nennt
Auf Nachfrage von MDR AKTUELL erklärt Sachsen-Anhalts Justizministerium schriftlich, dass die Zugänge in den Gefängnissen des Landes sehr starken Schwankungen unterlägen und von der Justiz nur schwer einschätzbar seien: "Beispielsweise ist nicht vorhersehbar, wann und wie die Polizei eine Vollstreckung bzw. Zuführung vornimmt. Natürlich sind, nachdem zeitweise keine Ersatzfreiheitsstrafen vollstreckt wurden, wieder laufende Vollstreckungen mit der Aufnahme von Personen in den Justizvollzugsanstalten verbunden. Dabei handelt es sich um einen – wie auch vor der Pandemie – üblichen vollzuglichen Ablauf, der immer mit zeitweisen Peaks verbunden ist."
Außerdem sei eine Überbelegung der Gefängnisse nicht zu erwarten, da derzeit ausreichend freie Haftplatzkapazitäten vorgehalten werden.
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL RADIO | 30. Juni 2022 | 06:00 Uhr