Radonmessungen in Thüringen - Zwischen Vorsorge und Widerspruch

07. Oktober 2022, 20:59 Uhr

Seit wenigen Tagen wird die Radon-Konzentration im Boden in Thüringen gemessen. Das Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz hatte vor zwei Jahren für Thüringen 19 Radon-Vorsorge-Gebiete festgelegt, weil dort höhere Strahlungsbelastungen durch Radongas erwartet würden.

"Egal, wo wir hinkommen – wenn die Menschen hören, sie leben in einem Radon-Vorsorgegebiet, ist es immer dasselbe. Sie erwarten dann, dass bei ihnen bald Geld vom Staat fließt – für die Vorsorge vorm Radongas. Aber das ist noch nicht so." So bringt es der Mann auf den Punkt, der gerade wieder eine Kiste mit einem Messgerät auf ein Feld bei Ronneburg trägt.

Hier haben gerade Radon-Boden-Messungen begonnen, die in den nächsten Monaten in verschiedenen Teilen Thüringens stattfinden werden.

Radonvorsorge-Gebiete für Thüringen seit 2020 festgelegt

Zunächst macht der Messtrupp seine Arbeit in den sogenannten Radon-Vorsorgegebieten. Solche Bereiche musste jedes Bundesland aufgrund der Bundes-Strahlenschutzverordnung ausweisen.

Radon-Vorsorgegebiete in Thüringen Posterstein im Altenburger Land
Luisenthal und Tambach-Dietharz/Thüringer Wald im Landkreis Gotha
Kauern, Korbußen, Paitzdorf, Ronneburg im Landkreis Greiz           
Masserberg und Schleusegrund im Landkreis Hildburghausen
Elgersburg, Großbreitenbach, Ilmenau im Ilm-Kreis
Gräfenthal, Katzhütte, Schwarzatal im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt
Floh-Seligenthal und Oberhof im Landkreis Schmalkalden-Meiningen
Goldisthal im Landkreis Sonneberg
Ruhla im Wartburgkreis

Die Festlegung erfolgte aufgrund früherer Messwerte und aufgrund der Tatsache, dass in diesen Gebieten erhöhte Radonwerte zu erwarten wären, hieß dazu schon 2020 vom TLUBN, dem Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz.

Messungen dort, juristischer Streit da

Während nun in allen Radon-Vorsorgegebieten gemessen wird, laufen am Verwaltungsgericht in Gera juristische Prüfungen. Bernd Amelung, der Sprecher des Verwaltungsgerichtes, sagte MDR THÜRINGEN, im Frühjahr 2023 rechne er mit einer Entscheidung seiner Richterkollegen. Die befassen sich derzeit mit den Klagen von vier ostthüringer Gemeinden, einer Privatperson und eines Vereins. Das gemeinsame Anliegen der Kläger: Die Einordnung als Radon-Vorsorgegebiet müsse weg.

Warum, das erklärt Krimhild Leutloff, CDU-Bürgermeisterin von Ronneburg: "Der Stempel Vorsorgegebiet schreckt Leute ab, nach Ronneburg zu ziehen oder hier Arbeitsplätze zu schaffen. Wer will schon dahin, wo scheinbar die Gefahr besteht, krank zu werden."

Kirchenkreis schon länger im Thema

Außerdem hält man die Ausgangsbewertung der Lage durch das TLUBN für falsch, es gibt Kritik an Messverfahren und Berechnungen aus der Vergangenheit. "Beruhen Radonvorsorgegebiete auf seriösen Prognosen?", fragt auch der Kirchliche Umweltkreis Ronneburg.

Er gründete sich in der DDR-Zeit, als rund um Ronneburg Uranerz aus der Erde gebuddelt wurde. Später begleitet der Kirchenkreis die Sanierungsarbeiten der Wismut kritisch. Jetzt veröffentlicht er regelmäßig sein "Ronneburger Strahlentelex", ein "Unabhängiges Informationsblatt zu Radioaktivität, Strahlung, Radon-Belastungen sowie aktuellen Umweltproblemen".

Messprogramm soll mehr Klarheit schaffen

Ronneburg hofft, dass vom Verwaltungsgericht die Einstufung als Vorsorgegebiet gekippt wird. Viele in der Stadt waren froh, dass die sichtbaren Folgen des Uranbergbaus endlich beseitigt sind. Das Radongas, das nicht zu sehen, nicht zu riechen oder zu schmecken ist – es könnte nun wieder einen Imageschaden für die Stadt bedeuten, fürchtet mancher Ronneburger.

Nils Fröhlich, Pressesprecher vom TLUBN sagt dazu: "Ich habe natürlich Verständnis dafür, weil Radon – das klingt natürlich nach einer Gefährdungssituation. Aber es ist trotzdem so, das erst einmal keiner hier befürchten muss, dass es zu Einschränkungen kommt."

Radon kann Gesundheit schädigen

Radongas kann bei dauerhaft hoher Konzentration die Schleimhäute in der Lunge angreifen, die radioaktiven Zerfallsstoffe können letztlich sogar für Lungenkrebs sorgen. Der Strahlenschutzreferent vom TLUBN, Dieter Gebhardt sagt dazu: "Also Radon ist ein gesundheitliches Problem. Aber es ist jetzt kein Grund zur Panik. Man muss es aber ernst nehmen."

Genau das ist das Anliegen der aktuellen Boden-Messungen. Bei denen wird mit Sonden in der Erde ermittelt, wie durchlässig der Boden für Radongas ist. Das Gas entsteht in der Tiefe durch den radioaktiven Zerfall von Uran und Radium. Die geologischen Schichten darüber, das Gesteins- und Bodenmaterial aber sind überall verschieden – und lassen deshalb auch unterschiedlich viel Radon an die Atmosphäre austreten.

Nils Fröhlich vom Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz erklärt: "Radon gibt es erst einmal überall. Das ist Fakt. Es ist aber natürlich so, dass Radon in verschiedenen Bereichen dann in höher Konzentration auftritt."

Radon gibt es erst einmal überall. Das ist Fakt. Es ist aber natürlich so, dass Radon in verschiedenen Bereichen dann in höher Konzentration auftritt.

Nils Fröhlich Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz

Und genau dazu soll jetzt durch die Messungen ein schärferes Lagebild entstehen. Die Ergebnisse werden nach Abschluss und Auswertung veröffentlicht – zum Beispiel auf der Internetseite des TLUBN.  

MDR (gh)

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR THÜRINGEN JOURNAL | 06. Oktober 2022 | 19:00 Uhr

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