Das war der SWR Social Media Day 2019

12. April 2019, 09:08 Uhr

Am 27. März fand in Mainz der SWR Social Media Day 2019 statt. Wir waren dabei und haben die einzelnen Inputs hier zusammengefasst.

Nadine Mosch
Bildrechte: Nadine Mosch

Von Kneipenschlägern, unfreundlichen Bots und warum Wegducken bei User-Kommentaren keine Lösung ist

Arne Henkes von Ströer
Arne Henkes, Ströer Bildrechte: MDR

Mit dem Kauf von Giga im Jahr 2014 stieg die Ströer-Gruppe auch ins Publishing ein. Klares Credo von Arne Henkes, Director Content: "Wir müssen mitdiskutieren, sonst verstehen wir irgendwann die Sprache in den Kommentaren nicht mehr." Doch auch er gesteht ein, dass Ströer beispielsweise bei der Krim- oder später der Flüchtlingskrise überfordert war. Dennoch sei wegducken keine Lösung, betont Henkes. Dass BILD keine User-Kommentare auf der eigenen Webseite mehr zulässt, sei nicht das richtige Signal. Bei der NZZ fährt man eine andere Strategie. Hier hat man die Kommentare zwar auch deutlich reduziert, aber pro Woche nimmt sich ein Redakteur die Zeit, intensiv mit den Nutzern zu diskutieren. Die WELT unterscheidet zwischen den eigenen und Drittplattformen. Auf Facebook kommentieren sie eher ironisch, auf ihrer Webseite lassen sie Politiker und Prominente mit den Nutzern diskutieren, was dem Thema eine große Bedeutung beimisst.

Bei Ströer selbst gibt es einen Leserbeirat, bei dem Nutzer zweimal im Monat Gelegenheit zur persönlichen Diskussion bekommen. Für die Moderation der Kommentare setzt die Ströer-Gruppe auf KI-basierte Prozessautomation mit dem Tool Conversario. Generell müssen sich die Nutzer, beispielsweise bei T-Online, mit Namen und Email-Adresse anmelden, die Kommentierungsfunktion wird nach 24 Stunden geschlossen. Die Vorentscheidung übernimmt Conversario, Redakteure prüfen aber nach. Bei Risiko-Themen wird auf Conversario verzichtet und komplett durch die Redakteure moderiert. Täglich werden laut Henkes 60 bis 70 Artikel kommentierbar gemacht, allein im Januar wurden 300.000 Kommentare abgegeben. Man setzt auf eine persönliche Ansprache, die Moderatoren, meist Studenten, arbeiten mit Vornamen, Redakteure sogar mit Klarnamen und Foto. Meinungsstücke werden nach Möglichkeit von den Autoren selbst moderiert. Ströer setzt auch auf einen Bot namens Buddy, der die Anzahl der Kommentare auswertet und individuelle Allerts an die entsprechenden Redakteure rausschickt.

Die Empfehlungen von Arne Henkes für eine gute Community-Strategie:

  • Die Spielregeln klar machen.
  • Ruhe bewahren.
  • Lenke mit Deiner Meinung.
  • Votings sind Ventil und Orientierung.
  • Klopfe die Ränder der Diskussion ab.

Kommentarspalten als Wohlfühlort für Demokrat*innen?

Susanne Tannert von #ichbinhier
Susanne Tannert, #ichbinhier Bildrechte: MDR

Susanne Tannert vom gemeinnützigen Verein ichbinhier e.V. fordert die Öffentlich-Rechtlichen auf, mehr zu moderieren. Oft stünden schlimme Kommentare zu lange unmoderiert auf Facebook. Außerdem empfiehlt sie, weniger Triggerthemen zu posten, Fakten statt Spekulationen darzulegen, auf Clickbating zu verzichten und verantwortungsbewusst mit seiner Reichweite umzugehen. „Macht Eure Kommentarspalten zum Wohlfühlort für Demokrat*innen“, lautet ihr Credo. Aktuell finden sich bei Facebook ihrer Meinung nach zu häufig hasserfüllte Sprache und typische Troll-Profile. Laut einer Analyse stammen 50 % der Hasslikes von nur 5 % der Profile. Genau dem will #ichbinhier etwas entgegenstellen. Die überparteiliche Aktionsgruppe setzt sich für eine bessere Diskussionskultur auf Facebook ein. Ihre Empfehlung an die Öffentlich-Rechtlichen: eigene Sprachbilder entwerfen, Haltung zeigen, menschenfeindliche Sprachbilder hinterfragen und auch mal Unterstützung holen. Bei #ichbinhier selbst organisieren 36 Moderator*innen die deutsche Facebookgruppe, mittlerweile gibt es auch ein weltweites Netzwerk der Bewegung.

Messenger killed the Social Media Stars – Warum Social Media heute keinen Blumentopf mehr gewinnt

Matthias Mehner von MessengerPeople
Matthias Mehner, MessengerPeople Bildrechte: MDR

Mit dieser steilen These begann Matthias Mehner von MessengerPeople seinen Input und stellte Social Media und Messenger-Dienste gegenüber. Seiner Aussage zufolge nutzen 81 % der Deutschen WhatsApp und das in fast allen Altersgruppen. Er hebt die Chance hervor, mit WhatsApp eben auch die ältere Zielgruppe erreichen zu können, ohne die junge auszuschließen. Deshalb sollten Unternehmen auch per WhatsApp an ihre Nutzer herantreten, viele Politiker beispielsweise machen das schon. Die Agentur MessengerPeople hat eine Software entwickelt, die es Unternehmen ermöglicht, WhatsApp zu nutzen und so direkt mit ihren Nutzern in Kontakt zu treten. Eine große Chance, von den Nutzern auch wahrgenommen zu werden, sieht Mehner darin, dass die meisten Menschen bei WhatsApp Push-Benachrichtigungen auf ihrem Handy zulassen und die Meldungen so nicht untergehen. Außerdem würden Inhalte mittlerweile am liebsten per WhatsApp mit anderen geteilt. Und: WhatsApp ist (fast) trollfrei. Bei der Umsetzung setzt MessengerPeople auf eine hybride Kommunikation aus Mensch und Maschine. Im First-Level-Support übernehmen Chatbots die Anfragen, bei detaillierten Anfragen übernehmen menschliche Kollegen. Besonders im Service-Bereich von Unternehmen macht dieser Einsatz durchaus Sinn.

Erfolgreich im Netz: Wie PULS auf YouTube, Facebook & Co. seine Videos platziert

Mara Wecker von PULS
Mara Wecker von PULS Bildrechte: MDR

Mara Wecker von PULS hat erzählt, mit welchen Formaten sie auf YouTube und Facebook unterwegs sind. Bei YouTube gibt es die Channel PULS Reportage und PULS Musik sowie die funk-Formate "Das schaffst Du nie" und "Die Frage", mit allen sind sie ziemlich erfolgreich. Bei Facebook hat PULS 200.000 Fans und erzielt 10 Millionen Videoabrufe pro Monat. PULS setzt dabei auf eine Multichannel-Strategie mit klarem Fokus auf Online & Social Media. 2017 hat funk die beiden Formate übernommen und weiterentwickelt, es entstanden eigene YouTube-Channel. Die anderen YouTube-Channel wurden umbenannt, jetzt gibt es ein klares Channel-Versprechen: Jeden Mittwoch wird eine neue Reportage veröffentlicht, die für YouTube optimiert ist. Man wollte weg vom Misch-Masch, hin zu einzelnen Kanälen mit eigener Agenda und Zielgruppe. Bei PULS werden die Themen für möglichst viele Ausspielwege geplant und dann plattformspezifisch umgesetzt. Dafür gibt es 5 goldene Social Media-Regeln:

  1. Die User müssen sofort verstehen, worum es geht (Thumbnail, Titel, Balken bei Facebook).
  2. Jeder Inhalt muss für jeden Kanal angepasst werden. (Das Material wird mehrmals umproduziert).
  3. Geschichten immer zu Ende erzählen, keine Cliffhanger.
  4. Nicht zu viel voraussetzen (Thema statt Format bei Facebook).
  5. Klares Kanalversprechen geben und einhalten (was, wann, welche Gesichter).

Für die Formatentwicklung von PULS Musikanalyse gab es Workshops in interdisziplinären Teams, es wurde ein Ziel festgelegt nach dem Design-Thinking-Prinzip. Test-User gaben Feedback auf den Prototypen. Die Themen für die Musikanalyse werden aktuell ausschließlich aus den YouTube-Trends aufgegriffen. Ziel ist es, den Algorithmus zu nutzen, um User mit den Clips in Kontakt zu bringen. Bei PULS kümmern sich vier Leute um jeden Channel: Autor, Redakteur, Channel-Manager und der Host.

Mädelsabende auf Instagram – Neues Storytelling & Community-Wahnsinn!

Verena Lammert und Clare Devlin von Mädelsabende
Clare Devlin & Verena Lammert von Mädelsabende Bildrechte: MDR

Den Instagram-Account Mädelsabende gibt es seit Oktober 2014. Das Prinzip funktioniert so: Jede Woche wird ein bestimmtes Thema mit 7 verschiedenen Aspekten in 7 Insta-Stories (2-8 Minuten lang) behandelt. Zielgruppe des Accounts sind 18- bis 24-Jährige, zu 94 % wird das Angebot von Frauen konsumiert. "Mädelsabende" ist damals bei Snapchat und Instagram gestartet. Weil aber das Wachstum bei Instagram derart groß war, hat man sich gänzlich darauf konzentriert und Snapchat gestrichen. Wichtig sind dem Team folgende Aspekte: Es geht um journalistischen Content, man arbeitet im Team, es gibt keine Selbstdarstellung über die Maßen, Ansprechhaltung ist die beste Freundin, der man sich anvertraut. Und das Konzept scheint aufzugehen: Aktuell hat der Account mehr als 90.000 Abonnenten. Die Themen sind vielfältig und reichen von Depression und Essstörungen über Menstruation bis hin zu Zukunft, Reisen oder plastikfrei leben. Ziel sind 80 % Durchsichtsrate für jede einzelne Story und die kommt nicht von allein. Das Editieren ist sehr aufwendig, für jede Story gibt es ein Drehbuch mit einer Dramaturgie, die sich auf zehn bis 40 Snaps wiederspiegelt. Die Stories werden komplett mobil produziert, Untertitel sind ein Muss. Im Feed versuchen die Kolleginnen eine Mischung aus Hochglanz und Authentizität. Die Community ist das Herz des Kanals, sagt Clare Devlin. Ein Redakteur pro Tag kümmert sich um die Nachrichten, die Presenter selbst beantworten die Kommentare. Viele Themenvorschläge kommen aus der Community und werden dann auch umgesetzt.