Frauengefängnis Chemnitz Männermangel: JVA-Insassinnen beklagen "Zickenatmosphäre"

11. Mai 2014, 10:00 Uhr

Im Chemnitzer Frauengefängnis wird Kritik am Personalkonzept der Staatsregierung laut, die männliche Bedienstete weitestgehend aus den Wohnbereichen der JVA verbannen will. Männliche Bedienstete mussten bereits ihre Stationsschlüssel abgeben, um keinen Zutritt mehr zu den Wohnbereichen zu haben. Ende 2013 war bekannt geworden, dass eine Insassin von einem Wachmann geschwängert worden war.

Teil der Resozialisierung gehe verloren

Klaus Bartl, rechtspolitischer Sprecher der Linken im Landtag, hält den Entschluss, beim Personal nahezu keine Männer einzusetzen, für falsch. MDR SACHSEN sagte er: "Eine ausgewogene Mischung zwischen Männern und Frauen ist ganz zentral für die Resozialisierung der Frauen im Gefängnis." So gebe es viele Frauen in der JVA, die in ihrer Vergangenheit unter männlicher Gewalt gelitten hätten. "Sie lernen durch das Positiverlebnis in der Haft, wieder mit Männern umzugehen", so Bartl. Der Abgeordnete habe als Anstaltsbeirat der JVA schon viele Beschwerde-Briefe von Häftlingen bekommen. "Darin ist von einer Zickenatmosphäre die Rede," berichtet Bartl.

Vier Gefangenenvertreterinnen wollten daher am Mittwoch im Landtag vorsprechen, das wurde ihnen aber verwehrt; sie erhielten keinen Ausgang. Im Rede-Manuskript, das dem MDR SACHSEN vorliegt, wird der Verlust des männlichen Stationspersonals ausführlich beklagt.

Das sächsische Justizministerium hält diese Bedenken für unbegründet, die Resozialisierung der Gefangenen sei nicht beeinträchtigt. Sprecherin Birgit Eßer-Schneider kontert: "Die festgestellten Grenzüberschreitungen einzelner Bediensteter sind für das Resozialisierungsziel in hohem Maße schädlich."

In den meisten Anstalten sei das Personal zu über zwei Dritteln weiblich. Es gebe dort keine Anzeichen für mangelhafte Resozialisierung. "Dieser Einwand entbehrt jeglicher Grundlage", so Eßer-Schneider zu MDR SACHSEN. Ende des vorigen Jahres waren 73 der 136 Chemnitzer Bediensteten Männer, mittlerweile sind es nach Informationen der "Freien Presse" nur noch 54. "Das war zu viel des Guten. Aber nun rutschen wir ins andere Extrem," warnt Bartl. Laut Eßer-Schneider sollen sich männliche Bedienstete fortan grundsätzlich nicht mehr allein mit weiblichen Gefangenen aufhalten. Es gelte, die Gefahr der "Grenzverletzungen" durch männliches Personal zu minimieren. Ein Geschlechterverhältnis von etwa einem Drittel Männern und zwei Dritteln Frauen unter Bediensteten der Frauen-JVA halte das Ministerium für angebracht. Das sei auch langfristiges Ziel, so Eßer-Schneider.

Im Widerspruch zum Strafvollzugsgesetz

Bartl sieht in der Personalpolitik einen Widerspruch mit dem Strafvollzugsgesetz: "In Paragraph vier heißt es, dass das Leben im Vollzug allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich angeglichen werden soll." Das sei bei einem fast ausschließlichen Kontakt mit weiblichem Personal nicht gegeben.

Grund für Übergriffe: Personalabbau?

Sexuelle Übergriffe seien natürlich absolut indiskutabel, so Bartl. Aber solche Vorfälle seien vor allem die Folge vom Personalabbau in der Justiz. "Vor dem Stellenabbau hatten immer zwei Mitarbeiter Stationsdienst. Jetzt ist es teilweise so, dass ein Wächter für zwei Stationen zuständig ist," erklärt der Rechtsanwalt. Dadurch falle die gegenseitige Kontrolle weg, einzelne Mitarbeiter könnten sich unbeobachteter fühlen. Auch seien ihm Fälle in JVAs bekannt, wo weibliches Wachpersonal auf männliche Insassen sexuell übergriffig gewesen sei. "Da wird nicht darüber geredet, die Frauenquote zu senken."

Auch Personal wehrt sich

Auch beim Personal regt sich Widerstand. Neun Männer wehren sich gegen ihren erzwungenen Dienstortwechsel, eine Frau widersprach der "Freien Presse" zufolge ihrer Versetzung nach Chemnitz. Einem Amtsinspektor, der nach Dresden wechseln sollte, gab das Verwaltungsgericht bereits Recht. Laut der Zeitung, hatte das Gericht eine Diskrimierung festgestellt durch einen "Generalverdacht gegen alle männlichen Bediensteten der JVA".

Justizminister Jürgen Martens hatte im Dezember 2013 erklärt, dass die JVA Chemnitz keinesfalls männerfrei werden solle. "Vielleicht zwei Hände voll" sollten in Arbeitsbereichen oder etwa bei der Wache im Einsatz bleiben. Allein schon aus Sicherheitsgründen sei ein kompletter Verzicht auf Männer nicht möglich.

Mehrere Fälle von sexuellen Kontakten in Chemnitz

Die Chemnitzer JVA bietet Platz für 241 Frauen im geschlossenen Vollzug. Im offenen Vollzug können dort auch fünf Mütter mit Kindern ihre Strafe absitzen. In Chemnitz gab es bereits mehrere Fälle, bei denen Bedienstete sexuelle Kontakte zu Gefangenen hatten. Diese spielten sich, wie auch der jüngste, aber außerhalb der JVA ab.

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