Olympia-Fans auf dem Domplatz in Köln halten ein Willkommensplakat. 2 min
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Olympia | Sportpolitik Schlechteste Medaillenbilanz: Sportpolitiker und Funktionäre schlagen Alarm

12. August 2024, 19:33 Uhr

Das deutsche Team beendete die Olympischen Spiele in Paris unter den besten zehn Nationen im Medaillenspiegel, hat sich im Vergleich zu Tokio aber erneut verschlechtert. Obwohl es einige positive Überraschungen gab, ist allen klar, dass sich etwas ändern muss.

Mit 12 Goldmedaillen, 13 Silbermedaillen sowie 8 Bronzemedaillen landete das Team des Deutschen Olympischen Bundes (DOSB) auf Rang 10. Diese 33 Medaillen stellen den Tiefstwert seit der Wiedervereinigung dar. Der DOSB als Dachverband und die Politik als größter Geldgeber stehen unter Zugzwang.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) spricht während der DOSB-Mitgliederversammlung
Bundesinnenministerin Nancy Faeser will 2040 Olympische Spiele in Deutschland Bildrechte: picture alliance/dpa | Thomas Frey

"Modernisieren, entbürokratisieren und transparenter gestalten" lauten die Schlagworte von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die Anfang August im Namen der Bundesregierung eine Erklärung zu einer deutschen Bewerbung um Olympische und Paralympische Spiele unterzeichnete. Doch die Zeit drängt: "Wir schreiben Excel-Tabellen, die anderen trainieren. Das kann nicht sein", sagte Jörg Bügner, Sportvorstand des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, am Sonntag in Paris.

Lehmann: Liegt nicht nur am Geld

Der vierfache Olympiamedaillen-Gewinner im Bahnradsport und Mitglied des Deutschen Bundestages, Jens Lehmann (CDU), ist über die Entwicklung der letzten Jahre enttäuscht: "Wir hatten 1992 in Barcelona 33 Goldmedaillen. Jetzt haben wir insgesamt 33 Medaillen. Der deutsche Leistungssport befindet sich deutlich im Abwärtstrend."

Nach seiner Ansicht müsse die Zusammenarbeit zwischen dem Bund und den Ländern deutlich enger werden. "Es liegt nicht immer nur am Geld. Wir brauchen mehr ausgebildete Trainer und wir brauchen mehr Wertschöpfung im Sport. Wir brauchen zudem mehr den Leistungsgedanken im Sport. Wenn wir die Breite fördern wollen, verabschieden wir uns vom Leistungsgedanken. Wenn wir 2040 wirklich die Olympischen Spiele haben wollen, müssen wir langsam anfangen, die Sportler auszubilden und entsprechende Trainer zur Verfügung haben."

Vorzeige-Projekt: Magdeburger Trainingsgruppe Berkhahn

Trotz aller Kritik gibt es auch positive Entwicklungen. Sachsen-Anhalt war in Paris mit 16 Teilnehmerinnen und Teilnehmern im "Team D" vertreten. Die größten Hoffnungen ruhten auf der Magdeburger Schwimm-Trainingsgruppe von Bernd Berkhahn, in der während der Spiele fast alle Bestleistungen erzielten.

Lukas Märtens aus Deutschland jubelt mit seiner Goldmedaille bei der Siegerehrung.
Lukas Märtens holte in Paris die erste Goldmedaille für Deutschland Bildrechte: picture alliance/dpa | Sven Hoppe

Dabei glänzten vor allem Lukas Märtens (Gold über 400 Meter Freistil), Oliver Klement (Silber über 10 km Freiwasser), Isabel Gose (Bronze über 1.500 Meter Freistil) sowie die beiden Freiwasser-Gastschwimmerinnen Sharon van Rouwendaal (NED/Gold 10 km) und Moesha Johnson (AUS/Silber 10 km).

Rahmenbedingungen für Trainer weiter optimieren

"Das ist ein unfassbar starkes Ergebnis, dass fünf Athleten aus dieser Trainingsgruppe mit Medaillen nach Hause kommen", schwärmt Torsten Kunke vom Sportvorstand LSB Sachsen-Anhalt. Dass die Medaillenausbeute so gut war, sei vor allem die zentrale Bündelung der Trainerinnen und Trainer, die eine zentrale Rolle bei der Leistungsentwicklung spielen, um eine Konstanz für ihren Beruf zu bieten, ergänzt Kunke. Es gehe darum, "dass einfach jeder weiß, worauf er sich einlässt. Und natürlich sind wir weiter bestrebt, die Rahmenbedingungen für unsere Trainerinnen und Trainer zu optimieren, dass sie weiterhin gerne bei uns ihren Beruf ausüben wollen."

Traineroffensive gefordert

Mit Blick auf die Zukunft und andere Sportarten sieht es jedoch eher düster aus, so der Leiter des Olympiastützpunktes Sachsen-Anhalt, Guido Meyer. "Wir brauchen eine Traineroffensive auch in der Leichtathletik. Wir haben die alten Trainer nicht mehr, die sind in Rente gegangen. Die neue Generation muss nachwachsen."

Interview Meyer 17 min
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Negativtrend entgegenwirken

So warnt Meyer, dass möglichst schnell etwas passieren müsse. Es stehe viel Arbeit bevor, wobei noch unklar sei, ob bis zu den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles schon Dinge auf den Weg gebracht werden. Auf jeden Fall müsse spätestens danach gehandelt werden. "Es ist höchst schwierig, gute Trainer zu finden. Die Qualifikationen sind selten so vorhanden, wie wir sie benötigen. Wenn die Qualifikation da ist, ist das Geld nicht da, um ihn adäquat zu bezahlen. Und dann geht der sehr gute Trainer ins Ausland (…) Das Hauptproblem ist, dem Negativtrend in der Trainerstruktur entgegenzuwirken. Wenn wir das schaffen, bin ich überzeugt, dass wir einen Positivtrend schaffen können. Der wird sich nicht unmittelbar in Medaillen widerspiegeln. Aber wir sollten etwas Gutes erkennen“, hofft Meyer.

Thüringer DSB-Vize Röhler: "Konnten nicht mithalten"

In Thüringen ist man mit der Medaillenausbeute weniger zufrieden. Hier gab es "lediglich" zwei Medaillen durch Michelle Kroppen vom SV GutsMuths Jena (Silber im Mixed Doppel Bogenschießen) und der Erfurterin Pauline Grabosch (Bronze im Bahnrad Teamsprint). Für den Speerwurf-Olympiasieger von 2016 und heutigen Vizepräsidenten des Landessportbunds Thüringen, Thomas Röhler, ist die mickrige Medaillenbilanz keine Überraschung: "Mit Blick auf die High-Performer, die um die Medaillen mitspielen, konnten wir nicht davon ausgehen, besser zu sein. Denn dafür hat sich in den vergangenen vier Jahren zu wenig verändert."

Neuer Diskurs über Leistungssport nötig

Auch für Röhler spielt der finanzielle Aspekt eher eine Nebenrolle. "Wir haben aktuell verfügbares Budget und das wird nach bestem Wissen und Gewissen verteilt. Nun kann man diskutieren, ob man das Geld konzentriert in wenige Sportarten investiert oder versucht, allen gerecht zu werden." Viel wichtiger für den früheren Weltklassespeerwerfer ist jedoch: "Wenn wir in Deutschland über mehr Medaillen sprechen wollen, dann müssen wir auch einen Diskurs darüber führen, was uns Leistungssport wert ist, dann wird Sportförderung und Sportpolitik für alle Involvierten wesentlich einfacher."

Interview Roehler 2 min
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Der Thüringer LSB-Vizepräsident Thomas Röhler zur Bilanz der Olympischen Spiele in Paris.

Mo 12.08.2024 14:39Uhr 02:22 min

https://www.mdr.de/sport/sport-im-osten/video-olympia-fazit-lsb-thueringen-roehler-100.html

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SpiO/dpa

Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR aktuell | 12. August 2024 | 17:45 Uhr

39 Kommentare

BogdanK. vor 17 Wochen

In den aktuellen Haushaltsdebatten muss Finanzminister Lindner fünf Milliarden sparen. Diese Ziel will er durch Kürzung von Sozialmaßnahmen erreichen. Vielleicht sollte darüber nachgedacht werden, ob man die Gelder für die Sportförderung und nicht den Bedürftigen die Leistungen kürzt. Auch wenn in dem Artikel geschrieben wurde, dass es nicht ausschließlich am Geld liegt, wird sehr viel Geld für den Sport verwendet, welches man an anderen Stellen sinnvoller ausgeben könnte.

Lars73 vor 17 Wochen

Ich sage erstmal Glückwunsch Team D und ob wir 20,30 oder mehr Medaillen gewinnen... egal
Was mich stört sind die Phrasen der Politiker, alle Jahre wieder.
Der neuste Slogan ist ja Entbürokratisierung und das bei jeden Thema.
machen wir es wie die DB ab 2075 pünktlich sein, eine Olympiabewerbung schlage ich für 2076 vor, dann klappt es vielleicht.

Zufriedener Ossi vor 17 Wochen

Auch im goldenen Westen gab es Doping. Siehe das Beispiel Birgit Dressel. Dazu kam auch eine Dokumentation im Fernsehen unter welch grausamen Umständen diese junge Frau starb.