Die Themen:
* Rundgang am ersten Tag der Leipziger Buchmesse
* Inga Machel "Auf den Gleisen"
* Preis der Leipziger Buchmesse
* "Mythos Sachsen" - Wie die Geschichte vom ostdeutschen Musterländle Sachsen in die Welt kam
* Kulturkalender
* Rundgang am ersten Tag der Leipziger Buchmesse
Die Buchmesse ist wieder voll da in Leipzig - auf dem Messegelände und in der ganzen Stadt. In über 3000 Veranstaltungen geht es nicht nur um Bücher und Lesen, sondern um das Reisen in andere innere und äußere Welten, um ein Entdecken von Unbekanntem. Diesmal sind die Niederlande und Flandern Gastgeber - eigentlich so nah, und doch für viele weiter weg als Mallorca oder Rom. Niederländische Autoren wollen zeigen, sie sind "Alles außer flach".
Die pure Neugier auf das Fremde ließ zum Beispiel sechs Schriftstellerinnen - drei aus Deutschland und drei aus den Niederlanden - unbekannterweise eine Brieffreundschaft miteinander beginnen. Inzwischen, nach sechs Monaten und zahllosen Briefen, haben sich die Frauen zum zweiten Mal getroffen, und es sind echte Freundschaften entstanden - nur durch das Schreiben, den Austausch, Beschäftigung miteinander. Sie sind sechs der über 3000 Mitwirkenden der diesjährigen Messe, die aus ihren Texten während der Messe vorlesen werden.
Wie man in der heutigen Zeit, die in verheerenden Krisen und Kriegen das Reisen durch die Welt immer mehr erschwert, trotzdem in andere Welten eintauchen kann - das erforschen wir in einem Rundgang über die frisch eröffnete Messe und im Gespräch mit den briefschreibenden Schriftstellerinnen Linn Penelope Rieger und Nadia de Vries - und der neuen Direktorin der Messe, Astrid Böhmisch.
* Inga Machel "Auf den Gleisen"
Ihr ist ein beeindruckendes Debüt gelungen. Vom ersten Satz "Ich dachte ich müsste jemanden umbringen" bis zur letzten Überraschung im Text, der lediglich 160 Seiten braucht, um eine Welt erlebbar zu machen, in der wir eigentlich alle irgendwann selbst stecken oder die wir hinter uns haben. Erwachsen werden, zu uns finden, jemanden lieben, von jemandem geliebt werden. Um mehr geht es nicht. Doch das ist kein normaler "Coming of age" Roman. Sprachlich zeigt uns die Autorin Inga Machel, wie es geht, dass ein Text sämtliche Klischees vermeidet, die man beim Grundthema eigentlich befürchtet. Zwischen Trauerbewältigung und Sinnsuche mäandert ihr Held Mario durch Berlin, den Tod seines Vaters, den Verlust, immer in sich tragend. Träume, Absturz, Alkohol, Erkenntnis, Drogen, Pisse, Erinnerungen, Kotze, Alltag: Inga Machel hat vor nichts Halt gemacht. Und ist damit unsere Favoritin für den Preis der Leipziger Buchmesse für Belletristik, für den sie mit ihrem Roman "Auf den Gleisen" nominiert wurde. Wir haben sie in Berlin getroffen.
* Preis der Leipziger Buchmesse
486 Neuerscheinungen aus 177 Verlagen wurden eingereicht und von der Jury gesichtet für den Preis der Leipziger Buchmesse, der 2024 zum 20. Mal verliehen wird. Fünf Bücher haben es auf die Shortlist für Belletristik geschafft, darunter erstmals eine Graphic Novel. Nominiert sind Anke Feuchtenberger: "Genossin Kuckuck", Wolf Haas: "Eigentum", Inga Machel: "Auf den Gleisen", Barbi Marković: "Minihorror" und Dana Vowinckel: "Gewässer im Ziplock".
artour ist bei der Preisverleihung in der Glashalle, stellt das Buch, das den Preis gewonnen hat, vor und unsere Moderatorin Yara Hoffmann trifft unmittelbar nach der Bekanntgabe der Jury die Preisträgerin oder den Preisträger zum ersten Interview.
* "Mythos Sachsen" - Wie die Geschichte vom ostdeutschen Musterländle Sachsen in die Welt kam
Im Herbst 1990 versprach der neu gewählte sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf den Menschen des Freistaates, dass ihr Land bald blühen werde. Genauso, wie es Kanzler Kohl ganz Ostdeutschland prophezeit hatte. Und Biedenkopf nannte sogar noch einen Zeitraum: In zwei Jahren sollte es soweit sein. Aber 1992 herrschte in Sachsen Massenarbeitslosigkeit. Von der sächsischen Textilindustrie, vom Maschinen-, Spielzeug- und Musikinstrumentenbau war fast nichts übriggeblieben. Und dennoch konnte "König Kurt" erfolgreich die Erzählung platzieren, dass Sachsen unter den ostdeutschen Bundesländern ganz vorn liege. Die Zahlen aber sprechen eine andere Sprache.
30 Jahre, nachdem die Archive geöffnet werden durften, hat jetzt Dierk Hoffmann vom Institut für Zeitgeschichte die Treuhandakten zu Sachsen und die Protokolle der Kabinettssitzungen der sächsischen Staatsregierung gelesen. Sachsen habe, so der Historiker, die Jahre nach der Wende nicht schlechter, aber auch nicht besser als die anderen ostdeutschen Bundesländer gemeistert. Auch hier gab es eine große Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit. Aber worin der Freistaat wirklich besser war: Beständig den Mythos von der eigenen Größe zu beschwören. Biedenkopfs Kommunikationsstrategie war dabei sehr geschickt: Einzelne Erfolge wie die des Aufbaus einer Chipindustrie in Dresden und Automobilindustrie in Zwickau verbuchte er auf sein Konto - für den Niedergang war die Treuhand zuständig. Dabei hat Biedenkopf, ein knallharter Marktwirtschaftler, niemals seine innere Überzeugung aufgegeben, dass der Markt die Dinge richten werde und nicht der Staat. Durchs Land aber reiste er als großer Kümmerer. Und seine Frau beantwortete verzweifelte Bürgerbriefe. Es waren die Zeiten, "als wir Ministerpräsident waren“, so Ingrid Biedenkopf später, in denen der "Mythos Sachsen" entstand.
"artour" hat mit dem Buchautor Dierk Hoffmann gesprochen und mit Georg Milbradt, 12 Jahre Finanzminister unter Biedenkopf und danach 6 Jahre lang selbst Ministerpräsident des Freistaates.
Kulturkalender
* Premiere "Mein Körper ist zu lang - der komische Kafka", Theater Rudolstadt am 22.3.
* "Schön mich kennenzulernen. Comic und Autobiografie. Niederlande/Flandern", Leipzig, Deutsches Buch- und Schriftmuseum, bis 5.1.25
* "Umberto Eco - eine Bibliothek der Welt", Dokumentarfilm ab 21.3. im Kino
* Konzert mit der Band „Theodor Shitstorm“ am 4.4. in Magdeburg, 9.4. in Dresden, 10.4. in Leipzig
Die Buchmesse ist wieder voll da in Leipzig - auf dem Messegelände und in der ganzen Stadt. In über 3000 Veranstaltungen geht es nicht nur um Bücher und Lesen, sondern um das Reisen in andere innere und äußere Welten, um ein Entdecken von Unbekanntem. Diesmal sind die Niederlande und Flandern Gastgeber - eigentlich so nah, und doch für viele weiter weg als Mallorca oder Rom. Niederländische Autoren wollen zeigen, sie sind "Alles außer flach".
Die pure Neugier auf das Fremde ließ zum Beispiel sechs Schriftstellerinnen - drei aus Deutschland und drei aus den Niederlanden - unbekannterweise eine Brieffreundschaft miteinander beginnen. Inzwischen, nach sechs Monaten und zahllosen Briefen, haben sich die Frauen zum zweiten Mal getroffen, und es sind echte Freundschaften entstanden - nur durch das Schreiben, den Austausch, Beschäftigung miteinander. Sie sind sechs der über 3000 Mitwirkenden der diesjährigen Messe, die aus ihren Texten während der Messe vorlesen werden.
Wie man in der heutigen Zeit, die in verheerenden Krisen und Kriegen das Reisen durch die Welt immer mehr erschwert, trotzdem in andere Welten eintauchen kann - das erforschen wir in einem Rundgang über die frisch eröffnete Messe und im Gespräch mit den briefschreibenden Schriftstellerinnen Linn Penelope Rieger und Nadia de Vries - und der neuen Direktorin der Messe, Astrid Böhmisch.
* Inga Machel "Auf den Gleisen"
Ihr ist ein beeindruckendes Debüt gelungen. Vom ersten Satz "Ich dachte ich müsste jemanden umbringen" bis zur letzten Überraschung im Text, der lediglich 160 Seiten braucht, um eine Welt erlebbar zu machen, in der wir eigentlich alle irgendwann selbst stecken oder die wir hinter uns haben. Erwachsen werden, zu uns finden, jemanden lieben, von jemandem geliebt werden. Um mehr geht es nicht. Doch das ist kein normaler "Coming of age" Roman. Sprachlich zeigt uns die Autorin Inga Machel, wie es geht, dass ein Text sämtliche Klischees vermeidet, die man beim Grundthema eigentlich befürchtet. Zwischen Trauerbewältigung und Sinnsuche mäandert ihr Held Mario durch Berlin, den Tod seines Vaters, den Verlust, immer in sich tragend. Träume, Absturz, Alkohol, Erkenntnis, Drogen, Pisse, Erinnerungen, Kotze, Alltag: Inga Machel hat vor nichts Halt gemacht. Und ist damit unsere Favoritin für den Preis der Leipziger Buchmesse für Belletristik, für den sie mit ihrem Roman "Auf den Gleisen" nominiert wurde. Wir haben sie in Berlin getroffen.
* Preis der Leipziger Buchmesse
486 Neuerscheinungen aus 177 Verlagen wurden eingereicht und von der Jury gesichtet für den Preis der Leipziger Buchmesse, der 2024 zum 20. Mal verliehen wird. Fünf Bücher haben es auf die Shortlist für Belletristik geschafft, darunter erstmals eine Graphic Novel. Nominiert sind Anke Feuchtenberger: "Genossin Kuckuck", Wolf Haas: "Eigentum", Inga Machel: "Auf den Gleisen", Barbi Marković: "Minihorror" und Dana Vowinckel: "Gewässer im Ziplock".
artour ist bei der Preisverleihung in der Glashalle, stellt das Buch, das den Preis gewonnen hat, vor und unsere Moderatorin Yara Hoffmann trifft unmittelbar nach der Bekanntgabe der Jury die Preisträgerin oder den Preisträger zum ersten Interview.
* "Mythos Sachsen" - Wie die Geschichte vom ostdeutschen Musterländle Sachsen in die Welt kam
Im Herbst 1990 versprach der neu gewählte sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf den Menschen des Freistaates, dass ihr Land bald blühen werde. Genauso, wie es Kanzler Kohl ganz Ostdeutschland prophezeit hatte. Und Biedenkopf nannte sogar noch einen Zeitraum: In zwei Jahren sollte es soweit sein. Aber 1992 herrschte in Sachsen Massenarbeitslosigkeit. Von der sächsischen Textilindustrie, vom Maschinen-, Spielzeug- und Musikinstrumentenbau war fast nichts übriggeblieben. Und dennoch konnte "König Kurt" erfolgreich die Erzählung platzieren, dass Sachsen unter den ostdeutschen Bundesländern ganz vorn liege. Die Zahlen aber sprechen eine andere Sprache.
30 Jahre, nachdem die Archive geöffnet werden durften, hat jetzt Dierk Hoffmann vom Institut für Zeitgeschichte die Treuhandakten zu Sachsen und die Protokolle der Kabinettssitzungen der sächsischen Staatsregierung gelesen. Sachsen habe, so der Historiker, die Jahre nach der Wende nicht schlechter, aber auch nicht besser als die anderen ostdeutschen Bundesländer gemeistert. Auch hier gab es eine große Deindustrialisierung und Massenarbeitslosigkeit. Aber worin der Freistaat wirklich besser war: Beständig den Mythos von der eigenen Größe zu beschwören. Biedenkopfs Kommunikationsstrategie war dabei sehr geschickt: Einzelne Erfolge wie die des Aufbaus einer Chipindustrie in Dresden und Automobilindustrie in Zwickau verbuchte er auf sein Konto - für den Niedergang war die Treuhand zuständig. Dabei hat Biedenkopf, ein knallharter Marktwirtschaftler, niemals seine innere Überzeugung aufgegeben, dass der Markt die Dinge richten werde und nicht der Staat. Durchs Land aber reiste er als großer Kümmerer. Und seine Frau beantwortete verzweifelte Bürgerbriefe. Es waren die Zeiten, "als wir Ministerpräsident waren“, so Ingrid Biedenkopf später, in denen der "Mythos Sachsen" entstand.
"artour" hat mit dem Buchautor Dierk Hoffmann gesprochen und mit Georg Milbradt, 12 Jahre Finanzminister unter Biedenkopf und danach 6 Jahre lang selbst Ministerpräsident des Freistaates.
Kulturkalender
* Premiere "Mein Körper ist zu lang - der komische Kafka", Theater Rudolstadt am 22.3.
* "Schön mich kennenzulernen. Comic und Autobiografie. Niederlande/Flandern", Leipzig, Deutsches Buch- und Schriftmuseum, bis 5.1.25
* "Umberto Eco - eine Bibliothek der Welt", Dokumentarfilm ab 21.3. im Kino
* Konzert mit der Band „Theodor Shitstorm“ am 4.4. in Magdeburg, 9.4. in Dresden, 10.4. in Leipzig
Moderation
- Yara Hoffmann
Anschrift
-
MDR-Fernsehen
Redaktion "artour"
04360 Leipzig
Tel.: 0341 3007227
Fax: 0341 3007285