Wissen-News Permafrostboden hat wohl keinen globalen Kipppunkt
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03. Juni 2024, 17:26 Uhr
Permafrostböden gelten als tickende Zeitbomben, die irgendwann das in ihnen gespeicherte CO2 unumkehrbar weltweit freisetzen. Diesem Horrorszenario widerspricht eine aktuelle Studie, die jedoch keine Entwarnung gibt.
Etwa ein Viertel der Landmasse auf der Nordhalbkugel werden von Permafrostboden bedeckt. Diese "Kühlschränke" schließen unverdorbenes organisches Material ein und binden damit das in diesem Material gespeicherte CO2. Taut der Boden auf, werden Mikroorganismen aktiv und zersetzen, was unterirdisch gefroren war. Dabei wird neben Kohlendioxid auch Methan freigesetzt, ein weiteres Treibhausgas.
Daher spielen die Permafrostböden eine große Rolle in der öffentlichen Debatte über den Klimawandel. Eine Annahme ist, dass es einen bestimmten Kipppunkt gebe, ab dem das Auftauen des Untergrunds nicht mehr aufzuhalten sei und der Kollaps des Permafrosts einsetze. Bisher konnte nicht geklärt werden, ob dieses Szenario wirklich eintreten könnte und ab welcher Temperatur dies geschieht. Das Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI) hat sich dieser Frage angenommen.
Keine Evidenz für globalen Kipppunkt – Kein Grund zur Entspannung
Jan Nitzbon, Erstautor der Studie, erklärt, dass es zwar sich selbst verstärkende, teilweise unumkehrbare geologische, hydrologische und physikalische Prozesse durch die Erderwärmung gebe. Diese wirken jedoch nur lokal oder regional. "Es gibt keine Evidenz für sich selbst verstärkende interne Prozesse, die ab einem bestimmten Grad der globalen Erwärmung den gesamten Permafrost gleichzeitig erfassen und das Tauen global beschleunigen würden", so Nitzbon.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass es Entwarnung gebe. Das Gegenteil sei der Fall: Weil die Permafrostzone so divers sei, gebe es unterschiedliche lokale Kipppunkte, die sich über die Zeit ansammeln. Daher taue der Permafrost im Gleichschritt mit der Klimaerwärmung, bis er nach fünf bis sechs Grad Temperaturanstieg komplett verloren sei. "Es gibt also – und so suggeriert es das Bild des Kipppunktes – keinen beruhigenden Erwärmungsspielraum, den man bis zum Schwellenwert noch ausreizen kann. Deshalb müssen wir die Permafrostgebiete mit noch besserem Monitoring im Auge behalten, die Prozesse noch besser verstehen und in Klimamodellen abbilden, um die Unsicherheiten noch weiter zu reduzieren", erklärt Jan Nitzbon. "Und klar ist auch: Je schneller wir bei einem an die Treibhausgas-Emissionen gekoppelten Permafrostverlust als Menschheit Netto-Null-Emissionen erreichen, desto mehr Gebiete bleiben als einzigartiger Lebensraum und Kohlenstoffspeicher erhalten."
jar/pm
Dieses Thema im Programm: Das Erste | Mittagsmagazin | 29. Mai 2024 | 12:10 Uhr