Kolumne: Das Altpapier am 17. September 2024: Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels 4 min
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Kolumne: Das Altpapier am 17. September 2024 von Christian Bartels Die Zeit der Zeitungen

Kolumne: Das Altpapier am 17. September 2024 – Die Zeit der Zeitungen

... neigt sie sich dem Ende zu? Folgen weitere Blätter dem Beispiel der "taz" (oder sind schon auf demselben Weg)? Außerdem: Ein deutscher Medien-Milliardär schmiedet neue Pläne.

Di 17.09.2024 11:31Uhr 04:23 min

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Kolumne: Das Altpapier am 17. September 2024 Die Zeit der Zeitungen

17. September 2024, 11:08 Uhr

... neigt sie sich dem Ende zu? Folgen weitere Blätter dem Beispiel der "taz" (oder sind schon auf demselben Weg)? Außerdem: Ein deutscher Medien-Milliardär schmiedet neue Pläne. Der relativ prominenteste EU-Kommissar macht Twitter/X-öffentlich Schluss. Heute kommentiert Christian Bartels die Medienberichterstattung.

Porträt des Altpapier-Autoren Christian Bartels
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Das Altpapier "Das Altpapier" ist eine tagesaktuelle Kolumne. Die Autorinnen und Autoren kommentieren und bewerten aus ihrer Sicht die aktuellen medienjournalistischen Themen.

"Seitenwende" als Zeitenwende?

Gedruckte Zeitungen entstanden Anfang des 17. Jahrhunderts in Straßburg, damals noch deutsche Reichsstadt, und im niedersächsischen Wolfenbüttel. Als erste regelmäßig erschienene Tageszeitung gelten die "Einkommenden Zeitungen" aus Leipzig von anno 1650 (vgl. Wikipedia). Wobei der Begriff seinerzeit keine bedruckten Papierbündel bezeichnete, sondern "Nachrichten". Was dafür sprechen könnte, dass das Wort "Zeitung" auch erhalten bleibt, wenn wesentlich weniger mit Journalismus bedruckte Papierbündel zirkulieren werden als heutzutage noch.

Ist die von der "taz" ankündigte Entscheidung, ab Mitte Oktober 2025 aufs werktägliche gedruckte Erscheinen zu verzichten (Altpapier gestern), aber nicht etwa aus Not, sondern aus einer ausdrücklichen "Position der Stärke" heraus, auch so ein mediengeschichtlich epochaler Schritt? Die "taz" ist ja auch die jüngste noch erscheinende überregionale deutsche Tageszeitung (seitdem die später auf den Markt gekommene "Financial Times Deutschland" 2012 schon wieder verschwand). Werden weitere Zeitungen dem künftigen "taz"-Modell folgen, womöglich etwas weniger von überzeugten Abonnenten und etwas mehr von Not getrieben? Auf einer Webseite mit dem tazzigen Titel "Seitenwende", der einen bekannten Spruch eines ehem... pardon: eines sogar noch amtierenden Bundeskanzlers paraphrasiert, erwartet die "taz" gespannt Reaktionen.

"Deutsche 'taz' stellt nach 45 Jahren im Herbst 2025 Druck der Tageszeitung ein", meldet etwa der östereichische "Standard". Und die Gewerkschaft dju/Verdi formuliert ihre Erwartungen, "dass es keine betriebsbedingten Kündigungen geben werde" und "dass im Rahmen des Seitenwechsels die Taz weiterhin jährlich die Gehälter um 2,5 Prozent erhöht". Na ja.

Und die "taz" selbst kurbelt mit Binnenpluralismus, der im Prinzip ja auch zur Zeitung gehört, die Diskussionen an. Auf die "Was war schlecht vergangene Woche?"-Frage antwortet Friedrich Küppersbusch, der freilich auch nicht mehr der jüngste ist: "Die taz will aufhören, eine Zeitung zu sein". Seine Antwort auf die ebenso rituelle Anschluss-Frage "Und was wird besser in dieser?" spielt den Ball dann elegant oder zumindest dialektisch anderen Blättern zu.

"Berliner Zeitung" à la "taz"?

Die ebenfalls in Berlin erscheinende, allerdings nicht mehr oder eher: nach 1989 nie wirklich überregional gewesene "Berliner Zeitung" verkündete kurz zuvor eigene Erfolge mit einem teilweise ähnlichen Modell. Das geschah insbesondere in zwei langen, jeweils hinter Bezahlschranken stehenden Artikeln von Veteranen namens Mayer bzw. Maier. Zum einen schrieb Margit J. Mayer, einst als Chefredakteurin des deutschen "Architectural Digest"-Magazins visuell eine große Nummer:

"... Aber jetzt die wirklich gute Nachricht: 'Wir, der Berliner Verlag, sind zur Perle geworden.' Das schrieb Holger Friedrich am 10. September 2024 in einer Mail an die gesamte Mannschaft des Berliner Verlags. ... Bereits 2023 sei es gelungen, laufend mehr Abonnenten zu gewinnen als zu verlieren. Und jetzt zeigen die digitalen Zahlen, dass solide Profitabilität erreicht ist. Nicht durch Werbung, sondern durch Zugewinn an Leserinnen und Lesern. Ich zitiere auszugsweise aus der Mail: '2024 wird der Verlag aus gewöhnlicher Geschäftstätigkeit strukturelle Profitabilität erzielen und den Kundenbestand weiter ausbauen, etwa für die Printausgabe der Berliner Zeitung am Wochenende (+10% Verkauf gegenüber dem Vorjahr) und das digitale Angebot 'B+' (+35% Abonnenten gegenüber dem Vorjahr)."

Beachtet werden muss dabei, dass die "Berliner" ihre Auflage der IVW seit Jahren nicht mehr meldet. Wenn die Angaben zutreffen, lässt der Mix aus einer ganz gut verkauften Wochenend-Zeitung und einr steigenden Zahl von Online-Abos Parallelen zur "taz" erkennen. Und bald könnten weniger Werktags-Ausgaben gedruckt werden. Außerdem verfasste Michael Maier, einst Chefredakteur der "Berliner", als sie noch zur "deutschen 'Washington Post'" werden sollte, und inzwischen Herausgeber, ein Loblied auf den umstrittenen Verleger Holger Friedrich.

"... Mir war allerdings schon bei meinem abendlichen Besuch klar, dass ein radikaler Rettungsversuch, wie Friedrich ihn wollte und wie er zum Überleben des Blattes auch notwendig war, nicht ohne schwere Konflikte abgehen konnte. Das war schon in meiner ersten Zeit bei der Berliner Zeitung so, auch bei der Netzeitung hatte ich das erfahren. Journalisten sind, auch wenn sie politisch progressiv sein mögen, sehr konservativ, was ihre Arbeitsumgebung angeht. Sie halten sich in der Regel für klüger als ihre Leser und ganz sicher für kompetenter als ihre Verleger. Impulsive Verleger wie die Friedrichs sind ungeduldig, unberechenbar und mitunter hart - zu sich und allen anderen. ..."

Der Österreicher Maier war auch Gründungs-Chefredakteur der sehr ehemaligen "Netzeitung", bei der anno 2000 das Altpapier entstand (und ich selbst 2002 rund ein Vierteljahr lang als Redakteur arbeitete ...)

Springer, Milliardär, "Verteilungskampf"

Und wird der ebenfalls in Berlin ansässige, aber global aktive bzw. auf die englischsprachige Welt zielende Springer-Konzern seine deutschen Zeitungen noch lange drucken, z.B. die "Welt"?

Zumindest dürfte Bewegung bevorstehen. Die "Financial Times", die wesentlich älter als ihr eben erwähnter kurzlebiger deutscher Ableger ist und weiter gedeiht, vermeldete Neues vom "German billionaire Mathias Döpfner" – wobei "billionaire" im britischen Englisch, in dem die "FT" zweifellos zu schreiben pflegt, bloß "Milliardär" bedeutet. Am Donnerstag stehe eine Aufsichtsrats-Sitzung bevor, übersetzt der "Standard". Da werde die Aufspaltung des in den vergangenen Jahren wiederholt heftig umgemodelten Konzerns in eine Online-Kleinanzeigen-Firma, die also nix mehr mit Zeitungen und Journalismus am Hut hat und mehrheitlich den Finanzinvestoren um KKR gehören wird, und in einen Verlag rund um "Bild", "Welt" und ganz besonders die internationalen Marken "Politico" und "Business Insider", beschlossen. Letzterer wird dann Döpfner und der nicht unvermögenderen Friede Springer gehören. Diese Handel

"bewerte das gesamte Unternehmen mit 13,5 Mrd. Euro und das Kleinanzeigengeschäft allein mit mehr als 10 Milliarden."

Was also heißt, wie Marvin Schade von medieninsider.de dazu twitter-/x-te:

"Das Publizistikgeschäft von Axel Springer (ist) nach den Zahlen in diesem FT-Bericht weniger als 3,5 Mrd. Euro wert. Zur Erinnerung: Für die Übernahme von Politico im Jahr 2021 hat AS ca. 880 Mio. Euro hingelegt"

Dazu passt die Schlagzeile "Fachkräfte: Stepstone-CEO prognostiziert 'Verteilungskampf um Menschen'" in der abendaktuellen Ausgabe des Hauptstadt-Newsletters "Berlin.Table", wichtiger Konkurrent von Springers "Politico". Hier geht's zum dort empfohlenen Text. Natürlich will die Jobbörse Stepstone von diesem "Verteilungskampf" profitieren. Und davon möchte dann KKR profitieren, denn dieses Stepstone bildet den wichtigsten Posten im Springer-Konzern, wie er noch ist.

Sorgen, dass der deutsche Medien-Milliardär verdrossen ist, muss sich niemand machen. Mathias Döpfner "könnte nach der Aufspaltung zum nächsten Sprung ansetzen", kommentiert die "FAZ"-Wirtschaft zurückhaltend. Die "FT" wird deutlicher:

"Döpfner, who sits on the boards of Netflix and Warner Music Group and has forged a friendship with Elon Musk, seeks to expand his footprint in the English-language media market, particularly in the US."

Große Rücksichten darauf, was deutsche Zeitungsverkaufsstellen, deren Zahl sowieso sinkt, dann noch in ihre täglich wechselnden Zeitungsauslagen legen können, wird er eher nicht nehmen.

Bohei um die neue EU-Kommission

Vor zweieinhalb Monaten war Europawahl, und schwups, schon diese Woche könnte, irgendwie als eines ihrer Ergebnisse, die neue EU-Kommission vorgestellt werden, die dann im November loslegen könnte. Wer eine früh gedruckte "SZ" vor sich liegen hat, sieht auf der Titelseite, allerdings unterm Strich (denn auf dem oberen Foto prangt Wladimir Putin, siehe unten), sogar einen der relativ bekanntesten EU-Kommissare. Allerdings nur weil er nunmehr ein ehemaliger ist. (Und in später gedruckten Ausgaben zeigt die "SZ" lieber den bekannteren Hendrik Wüst). Thierry Breton hat wütend hingeschmissen, und zwar wieder in der Form eines auf Twitter/X als Foto veröffentlichten Briefes. Mit so einem, an den Twitter/X-Besitzer Elon Musk gerichtet, war er kürzlich schon mal hier vorgekommen.

Immerhin, Anlass für eine superlativische Medienschau. Breton war "eines der prominentesten Mitglieder der Kommission" (manager-magazin.de), ja, "einer der wichtigsten und mächtigsten EU-Kommissare" (Eric Bonse in der "taz"). Ja, gerade erst hatte das "Time Magazine" "ihn in die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten im Bereich der künstlichen Intelligenz aufgenommen, sein Sprecher feierte ihn dafür öffentlich" ("SZ"). Und dieses "Time Magazine" war in den großen Jahren der Zeitschriften eine echt große Nummer. Freilich, der "schärfste Kritiker" der weiter amtierenden EU-Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen war Breton auch ("Welt"). Geht er darum, nur scheinbar selbstbestimmt?

Ob die deutsche Präsidentin, die als ehemalige Ministerin der sehr ehemaligen Bundeskanzlerin Merkel sowieso eher vom französischen Präsidenten als von deutschen Bundesregierungen gestützt wurde und wird, eigene Macht ausspielte, wird nun spekuliert. Dass der ebenfalls weiterhin amtierende, durch jüngste Wahlen aber auch geschwächte Präsident Macron Breton nicht mehr stützte, habe letzteren "kalt erwischt", meint das "FAZ"-Politikressort (Abo). Eher den "Eindruck mangelnder Souveränität nach innen und außen" von der Leyens hat das Wirtschaftsressort ebd. Und, schreibt die "Welt" zurecht, "entsteht einmal mehr das Bild einer EU, die wichtige Entscheidungen im Verborgenen trifft. Die dealt und kungelt".

Die relativ beste, äh, Presse im deutschsprachigen Raum bekommt Breton ausgerechnet beim kritischen Fach-Portal netzpolitik.org:

"Bretons Bilanz als EU-Kommissar ist durchwachsen. Tatsächlich wurde er nicht der Kommissar aller Konzerne, sondern lediglich ein Kommissar der europäischen Konzerne. Wie kein anderes Mitglied der Kommission stand Breton für einen protektionistischen Kurs in der Digitalpolitik, der sich explizit gegen die Übermacht von Tech-Konzernen aus den USA und China richtet, während er auf eine Förderung der europäischen Digitalindustrie und den Aufbau europäischer Champions zielt. Die von Breton mitverantworten Mega-Verordnungen über Digitale Dienste und Digitale Märkte gelten durchaus als erfolgversprechend ..."

Ja, an diesen wenigen Stellen, bei DSA und DMA, hat die EU – die unter von der Leyen ja vom zeitweise größten Binnenmarkt zum nur noch drittgrößten hinter den USA und China herabstieg – immerhin ein paar Eisen im Feuer und ein bisschen erreicht. Auch wenn es strukturgemäß ewig dauert (Gerade hatte ja der EuGH Milliardenstrafen gegen den Google-Konzern und gegen Apple, die 2017 erstmals verhängt wurden und im Google-Falle auf anno 2009 eingereichte Missbrauchsbeschwerden zurückgehen, bestätigt). Ob irgendwelche Nachfolger hier wenigstens Bretons Fußstapfen ausfüllen können, oder aber das kaum transparente Macht-Geschacher das wenige Erreichte aufs Spiel setzt, wird spannend.


Altpapierkorb ("Social Design" aus Russland, getötete kurdische Journalistinnen, große Plattform-Pläne der ARD)

+++ Die "Süddeutsche" (hübsch aufbereitet, mit Bezahlschranke), tagesschau.de und weitere internationale Medien haben von Hackern erbeutete Daten der staatsnahen russischen "Social Design Agency" ausgewertet und bringen nun ausführliche Berichte über Propaganda des Putin-Regimes in Deutschland und anderswo in Europa. Auch dabei ist die "taz". Sie schreibt: "Das Durchsetzen von 'Narrativen' im öffentlichen Diskurs, es scheint die Leitlinie der SDA zu sein. Immer wieder taucht diese Maßgabe in den geleakten Dokumenten auf. ... In einem Dokument werden auf fünf Seiten 17 Narrative entwickelt, die ausschließlich in Deutschland gestreut werden sollen. 'Linke' Beamte in der Regierung zeigten 'eklatante Unprofessionalität und Verantwortungslosigkeit', sie schadeten dem Ansehen Berlins im Ausland, lautet eines". +++ Hm, vielleicht wäre es ein cleverer Schritt gegen solche Strategien, wenn Vertreter des von der aktuellen Bundesregierung (wie von allen Vorgängerregierungen) aufge ... größerten Spitzenbeamten-Apparats einfach mal ein bisschen Professionalität bewiesen. An der mangelt es vielen nicht so linken Beamten wie denen aus dem Finanzministerium, die gerade die Commerzbank aus Versehen nach Italien verkauften, ja auch. +++

+++ "Erst einer später im Internet kursierenden Pressemitteilung kann man entnehmen, dass es wohl um den Tod zweier kurdischer Journalistinnen durch türkische Drohnenangriffe ging", heißt's in der faz.net-Kritik zur Miosga-Talkshow vom Sonntag und zu einer kurzen Unterbrechung durch "zwei Aktivistinnen aus dem Publikum" im Saal, von der das Fernsehpublikum wohl wenig mitbekan. Mehr drauf ein geht Nele Pollatschek in der sueddeutsche.de-Besprechung (Abo): "Die Protestierenden haben ein wichtiges Anliegen, aber nutzen die Bühne nicht". +++

+++ Und eine Absage an den aktuellen ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke, und zwar durch RTL Deutschland-Chef Stephan Schmitter, hat dwdl.de einem Deutschlandfunk-Interview Schmitters (diesem) entnommen. +++ Huch, wo hat denn Gniffke von einer "Streamingplattform ..., die ARD, ZDF und Deutschlandradio zusammen mit privaten Anbietern auf die Beine stellen könnten", gesprochen? Neulich im großen "Wirtschaftswoche"-Interview (Abo) war das. Und auch wenn manches daraus so klingt, als hätte Gniffke Sätze, die ProSiebenSat.1-Chef Habets auch immer gerne sagt, weil sie gut klingen und die geringen Chancen auf Verwirklichung den meisten Gesprächspartnern gerade nicht so präsent sind, in sein Repertoire übernommen, ein bisschen Diskutables hatte Gniffke da hinzugefügt. Z.B.: "Die ARD stellt sehr viel Content bei YouTube ein. Das tun wir im Moment kostenlos, weil wir sagen, die Menschen haben ihren Rundfunkbeitrag gezahlt und darum kriegen sie die Angebote, wo immer sie das wollen. Aber es kann sein, dass die ihre Spielregeln irgendwann mal ändern. Wenn etwa TikTok sagt: keine chinakritischen Inhalte mehr, dann sind wir da raus. Auf solche Momente müssen wir vorbereitet sein." +++

Das nächste Altpapier schreibt am Mittwoch René Martens.

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