1945, Hiroshima nach der explosion der ersten Atom-Bombe
1945, Hiroshima nach der Explosion der ersten Atom-Bombe Bildrechte: imago/United Archives

Geheimpapiere des US-Militärs US-Atombomben auf die DDR

14. Dezember 2020, 17:48 Uhr

Ein geheimes Planungspapier des US-Militärs von 1956 enthüllt Hunderte Atombombenziele in der DDR: in Ostberlin 68, Leipzig 37, Jena 11. Von der DDR wäre nichts weiter übriggeblieben als eine atomar verseuchte Wüste.

Eisleben, Hettstedt, Bad Salzungen, Magdeburg, Bautzen, Cottbus, Borna, Berlin, Rostock, Dresden... In der Logik von US-Militärstrategen waren das alles lohnende Atombomben-Ziele. Laut eines geheimen Planungs-Papiers des Strategischen Luftkommandos der USA aus dem Jahr 1956 gab es Hunderte "Ground Zeros" in der DDR. Industrie- und Wohngebiete sollten systematisch mit Atombomben zerstört werden, nachdem in einer ersten Phase wichtige Flugplätze mit Wasserstoffbomben ausgelöscht wurden.

Apokalyptisches Szenario

Allein in Leipzig sollten drei Atombomben einschlagen und insgesamt 37 Ziele vernichten. Eine weitere Atombombe war für Borna geplant, südlich der Messestadt. Hätte es nach diesem atomaren Schlag noch Überlebende gegeben, hätte sich denen ein apokalyptisches Szenario geboten: Im Umkreis von 100 Kilometern sollten weitere Atombomben in Leuna, Böhlen, Altenburg, Gera oder Karl-Marx-Stadt einschlagen.

Die DDR wäre zuerst zerstört worden

Im Ernstfall wären zahlreiche amerikanische Bomber auf einmal gestartet, um die festgelegten Zielorte zu "neutralisieren" – ein massiver Nuklearschlag auf die gesamten sozialistischen Staaten, einschließlich China. Auf der atomaren Liste des US-Militärs standen mehr als 1.200 Städte. Die DDR wäre gleich zu Beginn betroffen gewesen, zuerst die Militärflugplätze, die Industrieanlagen und Ballungsräume, erklärt der Historiker Matthias Uhl.

Dr. Matthias Uhl, 1970 in Nordhausen geboren, studierte Politikwissenschaften und Osteuropäische Geschichte in Halle und Moskau. Seit 2005 arbeitet er am Deutschen Historischen Institut in Moskau.

Restlos vernichtet

Einige Industriestädte in der DDR wären besonders schwer bombardiert worden. Für Jena waren drei Atombomben für 11 Ziele vorgesehen: darunter das Stadtzentrum, der Norden Jenas - samt russischer Kasernen - und der Industriekomplex mit Zeiss, Schott und Jenapharm. Die Stadt sollte ganz offensichtlich restlos vernichtet werden. Besonders erschreckend: Selbst die Bevölkerung Jenas - Kategorie 275 - gehörte zu den Zielen des nuklearen Angriffs.

Die Militär-Planer guckten einfach ganz schematisch: Was gibt es für Industrieanlagen, wo befindet sich das Elektrizitätswerk, wo befindet sich das Wasserwerk, wo befindet sich der Flughafen und wo Militäreinrichtungen? Und schon habe ich viele Ziele beisammen.

Dr. Matthias Uhl

Atompilze über dem Himmel von Berlin

Für die Hauptstadt der DDR planten die US-Militärstrategen vier Atombomben für 68 Ziele: darunter die DDR-Administration, Industriestandorte, Militäreinrichtungen und Wohngebiete. In den Vororten der Stadt hätte es etliche weitere atomare Explosionen gegeben. Die Zielliste für die Berliner Region summiert sich auf insgesamt 91 Orte.

Es wäre nichts mehr übriggeblieben

Der Atompilz einer Atombombe ist 13 Kilometer hoch und umfasst 30 Kilometer im Radius. Was wäre mit Berlin passiert? "Die Städte brennen, die umliegenden Wälder brennen, also im Prinzip wäre die DDR ein einziges Flammenmeer, weil die nuklearen Sprengmassen extreme Hitzewellen verursachen. Und wer nicht sofort bei der Explosion der Bomben gestorben wäre, wäre in apokalyptischen Bränden ums Leben gekommen", sagt Historiker Uhl. "Es wäre innerhalb kürzester Zeit nur noch glühende, verstrahlte Asche von der DDR übriggeblieben."

Über dieses Thema berichtete die MDR ZEITREISE im TV: 06.09.2020 | 22.00 Uhr