Elstertalbruecke bei Jocketa, Vogtlaendische Schweiz, über dem Fluss
Die Elstertalbrücke bei Jocketa im Vogtland Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Sächsisches Know-how für weltweiten Denkmalschutz

Unternehmen aus Graupzig bei Nossen fertigt Ziegel für historische Bauten

12. Januar 2023, 05:00 Uhr

Die Elstertalbrücke - die zweitgrößte Ziegelsteinbrücke der Welt - wird derzeit saniert. Eine Herausforderung in Sachen Denkmalschutz: Der geschichtlich bedeutsame Bau muss mit historischem Material repariert werden. Die Experten dafür sitzen in Sachsen: Aus Graupzig bei Nossen kommen Ziegel nach alter Herstellung.

Ziegelsteine für die Elstertalbrücke

Knapp 70 Meter hoch, fast zwölf Millionen verbauter Steine - kühne Bögen, die auf fast 300 Meter Länge die Weiße Elster überspannen. Die Elstertal-Eisenbahnbrücke bei Jocketa im Vogtland beeindruckt seit ihrer Eröffnung 1851. Doch nun hat sie, wie es im Fachjargon heißt, "...das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer erreicht". Die Abdichtung ist kaputt, die Entwässerung funktioniert schlecht. Der Bau ist durchfeuchtet, es haben sich Risse und Hohlräume gebildet. Bis 2025 wird die Brücke nun planmäßig ausgebessert. Damit die Sanierung der Brücke denkmalgerecht verläuft, braucht es passende Baustoffe - historisch gefertigt, aber mit modernem Know-how. Konkret bedeutet das: Fast 40.000 Ziegel müssen her - rot und handgeformt, sodass sie sich von den übrigen verbauten Ziegeln nicht unterscheiden. Und dafür gibt es nur einen Weg: Die Ziegel müssen genauso hergestellt werden wie im 19. Jahrhundert. Und genau das können die Ziegelexperten aus Graupzig bei Nossen um Firmenchef Ralf Huber.

Gestrichen, getrocknet, gebrannt: Baustoff seit Jahrtausenden

Nicht nur heute sind Ziegelsteine, Klinkersteine und Backsteine gefragte Baustoffe. Das Ziegelhandwerk hat eine lange Tradition. An deren Beginn stehen sonnengetrockneten Lehm- oder Tonziegel. Die bislang ältesten Spuren von Ziegelbauwerken fand man in Jericho im Westjordanland. Sie sind 9.500 Jahre alt. Die ersten Ziegel waren einzig von Händen geformt, luftgetrocknet und sehr unregelmäßig. Später nutzte man Holzformen und erreichte so glattgestrichene Außenflächen. Bereits vor 5.000 Jahren begann man im Zweistromland, Ziegel zu brennen. Die ersten, perfekt geformten Einhandziegel in den Proportionen 1:2:4 wurden im 3. Jahrtausend vor Christus in der sogenannten Induskultur, im heutigen Indien entwickelt.

In der europäischen Antike spielten gebrannte Ziegel bei den Großbauten des Römischen Reiches eine entscheidende Rolle und verbreiteten sich durch die Römer europaweit. Mit dem Untergang des Imperiums geriet in vielen Teilen Europas auch die Ziegelbautechnik in Vergessenheit. In Nordeuropa errang das Bauen mit gebrannten Ziegeln erst im 11. und 12. Jahrhundert wieder an Bedeutung: In den romanischen und gotischen Kirchenbauten der sogenannten Backsteinbauweise.

Backstein-Bauten in Mitteldeutschland

Auch in Mitteldeutschland gibt es Zeugnisse dieser großartigen Architektur. Man denke nur an den Dom in Havelberg, die Altstadt von Tangermünde, das Kloster Altzella bei Nossen oder die "Roten Spitzen" in Altenburg.

Dabei entwickelte jedes Land und jede Region eigene Ziegelmaße. Einen Quantensprung erlebte die Ziegelherstellung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Erste Maschinen zur automatisierten Formung von Lehmsträngen, die dann in Ziegelgröße zerschnitten wurden, ermöglichten die Massenproduktion. Und mit der Entwicklung von Ring- und Tunnelöfen, mit denen ein kontinuierlicher Brennprozess möglich wurde, konnten Millionen- und Abermillionen von Ziegelsteinen für die Bauten im neuen Deutschen Kaiserreich auch hergestellt werden.

Wer aber ist heute noch in der Lage, all diese Ziegelformen herzustellen und Denkmalschützern und Bauherren bereitzustellen?

Anfänge der Ziegelei im sächsischen Graupzig

Im kleinen Dorf Graupzig bei Nossen in Sachsen gab es bereits seit 1830 eine erst einfache, dann mechanisierte Produktion von Ziegelsteinen. Die Ziegelei gehörte zum Rittergut und erlebte im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Besitzer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte Xaver Huber die vor Jahren stillgelegte Ziegelei und startete einen Neuanfang. 1948 feierte man den ersten Ziegelbrand aus den neu aufgesetzten Öfen.

Belegschaft 1948 der Ziegelei Graupzig
Belegschaft 1948 der Ziegelei Graupzig Bildrechte: Ziegelei Huber

Xaver und sein Sohn Klaus führten die Ziegelei Huber durch die Zeit des Sozialismus. Erst mit staatlicher Beteiligung, dann verstaatlicht als VEB. 1990 dann die Reprivatisierung.

Klaus Huber erkannte bald, dass er auf dem gesamtdeutschen Markt, in Konkurrenz zu den großen, automatisierten Ziegeleien, nur durch eine Nischenproduktion überleben konnte. "Klasse statt Masse" wurde das Motto. In Graupzig besann man sich auf seine handwerklichen Fähigkeiten und wurde dank handgefertigter Ziegel zum Partner der Denkmalpflege. Die Ziegelei Huber in Graupzig ist heute eine der Ziegelmanufakturen, die all die alten Techniken beherrscht und bewahrt.

Klinkersteine für den Denkmalschutz in Europa

Heute ist man in Graupzig in der Lage, fast jeden beliebigen Ziegel, egal welcher Farbe, Größe und Stabilität herzustellen. Egal ob handgestrichene Klosterziegel für die mittelalterliche Kirche, handgeformte Ziegel zur Sanierung der großen Ziegelbrücken des Vogtlands oder doppeltgebrannte Klinker für die expressionistischen Bauten der 1920er-Jahre, wie zum Beispiel die Magdeburger Stadthalle. 

Ralf Huber, der heutige Chef der Ziegelei, kann sich gar nicht mehr an alle der vielen Hundert Sanierungsobjekte oder sehr speziellen Neubauten erinnern, in denen Ziegel aus seinem Betrieb zum Einsatz kamen. Meist zählt er nur die gegenwertigen Aufträge auf und erinnert sich an ein paar Höhepunkte der letzten Jahre. Ziegel aus Graupzig gehen nicht nur auf Baustellen in ganz Deutschland. Mittlerweile auch in die Schweiz, nach Dänemark, Norwegen, Frankreich und in die Niederlande.

Neben der maschinellen Serienproduktion von Ziegelgrößen des 19. und 20. Jahrhunderts läuft in Graupzig auch noch immer die Produktion von handgefertigten Ziegeln, Formsteinen und glasierten Dachziegeln in Kleinserie. Ein Fundus von Hunderten Holzrahmen in den verschiedensten Größen gehört zu den Schätzen des Betriebes.

Außerdem hat man eine eigene Abteilung für Baukeramik und Terrakotta entwickelt. Hier sind echte Künstler damit beschäftigt, filigrane Bauelemente aus gebranntem Lehm und Ton zu schaffen.

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