Sächsisches Know-how für weltweiten Denkmalschutz

Unternehmen aus Graupzig bei Nossen fertigt Ziegel für historische Bauten

Die Elstertalbrücke - die zweitgrößte Ziegelsteinbrücke der Welt - wird derzeit saniert. Eine Herausforderung in Sachen Denkmalschutz: Der geschichtlich bedeutsame Bau muss mit historischem Material repariert werden. Die Experten dafür sitzen in Sachsen: Aus Graupzig bei Nossen kommen Ziegel nach alter Herstellung.

Elstertalbruecke bei Jocketa, Vogtlaendische Schweiz, über dem Fluss
Die Elstertalbrücke bei Jocketa im Vogtland Bildrechte: IMAGO / blickwinkel

Ziegelsteine für die Elstertalbrücke

Knapp 70 Meter hoch, fast zwölf Millionen verbauter Steine - kühne Bögen, die auf fast 300 Meter Länge die Weiße Elster überspannen. Die Elstertal-Eisenbahnbrücke bei Jocketa im Vogtland beeindruckt seit ihrer Eröffnung 1851. Doch nun hat sie, wie es im Fachjargon heißt, "...das Ende ihrer technischen Nutzungsdauer erreicht". Die Abdichtung ist kaputt, die Entwässerung funktioniert schlecht. Der Bau ist durchfeuchtet, es haben sich Risse und Hohlräume gebildet. Bis 2025 wird die Brücke nun planmäßig ausgebessert. Damit die Sanierung der Brücke denkmalgerecht verläuft, braucht es passende Baustoffe - historisch gefertigt, aber mit modernem Know-how. Konkret bedeutet das: Fast 40.000 Ziegel müssen her - rot und handgeformt, sodass sie sich von den übrigen verbauten Ziegeln nicht unterscheiden. Und dafür gibt es nur einen Weg: Die Ziegel müssen genauso hergestellt werden wie im 19. Jahrhundert. Und genau das können die Ziegelexperten aus Graupzig bei Nossen um Firmenchef Ralf Huber.

Gestrichen, getrocknet, gebrannt: Baustoff seit Jahrtausenden

Nicht nur heute sind Ziegelsteine, Klinkersteine und Backsteine gefragte Baustoffe. Das Ziegelhandwerk hat eine lange Tradition. An deren Beginn stehen sonnengetrockneten Lehm- oder Tonziegel. Die bislang ältesten Spuren von Ziegelbauwerken fand man in Jericho im Westjordanland. Sie sind 9.500 Jahre alt. Die ersten Ziegel waren einzig von Händen geformt, luftgetrocknet und sehr unregelmäßig. Später nutzte man Holzformen und erreichte so glattgestrichene Außenflächen. Bereits vor 5.000 Jahren begann man im Zweistromland, Ziegel zu brennen. Die ersten, perfekt geformten Einhandziegel in den Proportionen 1:2:4 wurden im 3. Jahrtausend vor Christus in der sogenannten Induskultur, im heutigen Indien entwickelt.

In der europäischen Antike spielten gebrannte Ziegel bei den Großbauten des Römischen Reiches eine entscheidende Rolle und verbreiteten sich durch die Römer europaweit. Mit dem Untergang des Imperiums geriet in vielen Teilen Europas auch die Ziegelbautechnik in Vergessenheit. In Nordeuropa errang das Bauen mit gebrannten Ziegeln erst im 11. und 12. Jahrhundert wieder an Bedeutung: In den romanischen und gotischen Kirchenbauten der sogenannten Backsteinbauweise.

Backstein-Bauten in Mitteldeutschland

Auch in Mitteldeutschland gibt es Zeugnisse dieser großartigen Architektur. Man denke nur an den Dom in Havelberg, die Altstadt von Tangermünde, das Kloster Altzella bei Nossen oder die "Roten Spitzen" in Altenburg.

Die "Roten Spitzen" in Altenburg
Die "Roten Spitzen" in Altenburg Bildrechte: dpa /ZB | Martin Schutt

Dabei entwickelte jedes Land und jede Region eigene Ziegelmaße. Einen Quantensprung erlebte die Ziegelherstellung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Erste Maschinen zur automatisierten Formung von Lehmsträngen, die dann in Ziegelgröße zerschnitten wurden, ermöglichten die Massenproduktion. Und mit der Entwicklung von Ring- und Tunnelöfen, mit denen ein kontinuierlicher Brennprozess möglich wurde, konnten Millionen- und Abermillionen von Ziegelsteinen für die Bauten im neuen Deutschen Kaiserreich auch hergestellt werden.

Wer aber ist heute noch in der Lage, all diese Ziegelformen herzustellen und Denkmalschützern und Bauherren bereitzustellen?

Anfänge der Ziegelei im sächsischen Graupzig

Im kleinen Dorf Graupzig bei Nossen in Sachsen gab es bereits seit 1830 eine erst einfache, dann mechanisierte Produktion von Ziegelsteinen. Die Ziegelei gehörte zum Rittergut und erlebte im Laufe der Jahrzehnte verschiedene Besitzer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kaufte Xaver Huber die vor Jahren stillgelegte Ziegelei und startete einen Neuanfang. 1948 feierte man den ersten Ziegelbrand aus den neu aufgesetzten Öfen.

Belegschaft 1948 der Ziegelei Graupzig
Belegschaft 1948 der Ziegelei Graupzig Bildrechte: Ziegelei Huber

Xaver und sein Sohn Klaus führten die Ziegelei Huber durch die Zeit des Sozialismus. Erst mit staatlicher Beteiligung, dann verstaatlicht als VEB. 1990 dann die Reprivatisierung.

Klaus Huber erkannte bald, dass er auf dem gesamtdeutschen Markt, in Konkurrenz zu den großen, automatisierten Ziegeleien, nur durch eine Nischenproduktion überleben konnte. "Klasse statt Masse" wurde das Motto. In Graupzig besann man sich auf seine handwerklichen Fähigkeiten und wurde dank handgefertigter Ziegel zum Partner der Denkmalpflege. Die Ziegelei Huber in Graupzig ist heute eine der Ziegelmanufakturen, die all die alten Techniken beherrscht und bewahrt.

Klinkersteine für den Denkmalschutz in Europa

Heute ist man in Graupzig in der Lage, fast jeden beliebigen Ziegel, egal welcher Farbe, Größe und Stabilität herzustellen. Egal ob handgestrichene Klosterziegel für die mittelalterliche Kirche, handgeformte Ziegel zur Sanierung der großen Ziegelbrücken des Vogtlands oder doppeltgebrannte Klinker für die expressionistischen Bauten der 1920er-Jahre, wie zum Beispiel die Magdeburger Stadthalle. 

Die Ziegelei Huber im sächsischen Graupzig fertigt Ziegel in unterschiedlichen Farben und Größen. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie.

Die betriebseigene Tongrube befindet sich direkt hinter der Ziegelei. Ton und Lehm reichen hier noch für mindestens drei Generationen.
Ton und Lehm reichen hier noch für mindestens drei Generationen. Bildrechte: Volker Insel
Die betriebseigene Tongrube befindet sich direkt hinter der Ziegelei. Ton und Lehm reichen hier noch für mindestens drei Generationen.
Ton und Lehm reichen hier noch für mindestens drei Generationen. Bildrechte: Volker Insel
Im tonnenschweren Mahlwerk werden kleine Steine im Ton zermalen. Die Maschine ist über 50 Jahre alt.
Im tonnenschweren Mahlwerk werden kleine Steine im Ton zermalen. Die Maschine ist über 50 Jahre alt. Bildrechte: Volker Insel
Im riesigen, grünen Stahlbottich wird der Ton 24 Stunden gewässert
Im riesigen, grünen Stahlbottich wird der Ton 24 Stunden gewässert Bildrechte: Volker Insel
Die alten Transportbänder bewegen die unterschiedlichen Tonmischungen vom Mischplatz, zum Bewässern, zur Kalkbeigabe, zum Malwerk und schließlich zum Strangformer.
Die alten Transportbänder bewegen die unterschiedlichen Tonmischungen vom Mischplatz, zum Bewässern, zur Kalkbeigabe, zum Mahlwerk und schließlich zum Strangformer. Bildrechte: Volker Insel
In der automatiserten Ziegelproduktion zerteilt die sogenannte Harfe den Tonstrang in einzelne Ziegel.
In der automatiserten Ziegelproduktion zerteilt die sogenannte Harfe den Tonstrang in einzelne Ziegel. Bildrechte: Volker Insel
Jens Vierig verteilt die Tonmasse im Holzrahmen der Handziegel
Jens Vierig verteilt die Tonmasse im Holzrahmen der Handziegel Bildrechte: Volker Insel
Holzform ins Wasserbad und der fertige geformte Ziegel kommt nun in die Trocknung. Etwa 160 Ziegel entstehen so pro Tag.
Holzform ins Wasserbad und der fertige geformte Ziegel kommt nun in die Trocknung. Etwa 160 Ziegel entstehen so pro Tag. Bildrechte: Volker Insel
Schatz im Dachboden der Ziegelei: Hunderte unterschiedlicher Holzformen für hunderte unterschiedlich großer Handformziegel.
Schatz im Dachboden der Ziegelei: Hunderte unterschiedlicher Holzformen für hunderte unterschiedlich großer Handformziegel. Bildrechte: Ziegelei Franz Huber
Die getrockneten Ziegel werden von Hand auf die Wagen für den Brennprozess gestapelt
Die getrockneten Ziegel werden von Hand auf die Wagen für den Brennprozess gestapelt. Bildrechte: Volker Insel
Ein Wagen mit gebrannten Ziegeln verlässt den Brennofen.
Ein Wagen mit gebrannten Ziegeln verlässt den Brennofen. 7 Tage braucht so ein Wagen um sich durch den Tunnelofen zu bewegen. In der Mitte herrschen Temperaturen von über tausend Grad. Bildrechte: Volker Insel
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Ralf Huber, der heutige Chef der Ziegelei, kann sich gar nicht mehr an alle der vielen Hundert Sanierungsobjekte oder sehr speziellen Neubauten erinnern, in denen Ziegel aus seinem Betrieb zum Einsatz kamen. Meist zählt er nur die gegenwertigen Aufträge auf und erinnert sich an ein paar Höhepunkte der letzten Jahre. Ziegel aus Graupzig gehen nicht nur auf Baustellen in ganz Deutschland. Mittlerweile auch in die Schweiz, nach Dänemark, Norwegen, Frankreich und in die Niederlande.

Die Ziegelei Huber brennt Ziegel für eine vielzahl moderner und historischer Bauwerke. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie.

Paletten auf dem Hof der Ziegelei Huber. Alles sortiert und abholbereit.
Paletten auf dem Hof der Ziegelei Huber. Alles sortiert und abholbereit. Bildrechte: Volker Insel
Paletten auf dem Hof der Ziegelei Huber. Alles sortiert und abholbereit.
Paletten auf dem Hof der Ziegelei Huber. Alles sortiert und abholbereit. Bildrechte: Volker Insel
Ein Zettel
Klinker für die Stadthalle Magdeburg. Bildrechte: Volker Insel
Handgeformte Klosterziegel für die Kirche Blankenhagen.
Handgeformte Klosterziegel für die Kirche Blankenhagen. Bildrechte: Volker Insel
Handgeformte Ziegel für die Elstertalbrücke
Handgeformte Ziegel für die Elstertalbrücke. Bildrechte: Volker Insel
Zum Sortiment gehören auch unterschiedlichste Maßsteine.
Zum Sortiment gehören auch unterschiedlichste Maßsteine. Bildrechte: Volker Insel
Ziervolle Lüftungssteine in Terrakotta und Rosenkacheln
"Zier-Lüftungssteine" in Terrakotta und Rosenkacheln. Bildrechte: Volker Insel
Ziegelei Graupzig
Ziegel in unterschiedlichen Farben und Formen. Bildrechte: Volker Insel
Kirche Boxholm in Schweden
Klinker aus Graupzig für die Kirche Boxholm in Schweden. Bildrechte: Ziegelei Huber
Leichtziegel aus Graupzig für die Ziegeldecke der Dresdner Schlosskapelle.
Leichtziegel aus Graupzig für die Ziegeldecke der Dresdner Schlosskapelle. Bildrechte: Ziegelei Huber
Ziegel aus Graupzig für die Alte Klosterkirche Bautzen.
Ziegel aus Graupzig für die Alte Klosterkirche Bautzen. Bildrechte: Ziegelei Huber
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Neben der maschinellen Serienproduktion von Ziegelgrößen des 19. und 20. Jahrhunderts läuft in Graupzig auch noch immer die Produktion von handgefertigten Ziegeln, Formsteinen und glasierten Dachziegeln in Kleinserie. Ein Fundus von Hunderten Holzrahmen in den verschiedensten Größen gehört zu den Schätzen des Betriebes.

Außerdem hat man eine eigene Abteilung für Baukeramik und Terrakotta entwickelt. Hier sind echte Künstler damit beschäftigt, filigrane Bauelemente aus gebranntem Lehm und Ton zu schaffen.

Das Ziegel nicht nur praktisch, sondern auch ästhetisch sind, zeigen die Arbeiten der Ziegelei Huber. Klicken Sie sich durch unsere Bildergalerie.

Geschäftsführer Ralf Huber und Modellbauer Alexander Hennig in der Modellwerkstatt
Geschäftsführer Ralf Huber und Modellbauer Alexander Hennig in der Modellwerkstatt. Bildrechte: Volker Insel
Geschäftsführer Ralf Huber und Modellbauer Alexander Hennig in der Modellwerkstatt
Geschäftsführer Ralf Huber und Modellbauer Alexander Hennig in der Modellwerkstatt. Bildrechte: Volker Insel
Alexander Hennig  arbeitet an der Form für einen zusammengesetzten Schmuckstein. Die Baukeramik ist bestimmt für eine Ziermauer am Jagdschloss Glinicke in Berlin.
Alexander Hennig arbeitet an der Form für einen zusammengesetzten Schmuckstein. Die Baukeramik ist bestimmt für eine Ziermauer am Jagdschloss Glinicke in Berlin. Bildrechte: Volker Insel
Die Vorlage: das zerstörte Original aus dem 18. Jahrhundert.
Die Vorlage: das zerstörte Original aus dem 18. Jahrhundert. Bildrechte: Volker Insel
Ziermauer am Glinicker Jagdschloss der Hohenzoller.
Ziermauer am Glinicker Jagdschloss der Hohenzollern. Bildrechte: Ziegelei Huber
Auch diese Ziersteine kommen aus der Werkstatt für Baukeramik in Graupzig
Auch diese Ziersteine kommen aus der Werkstatt für Baukeramik in Graupzig. Bildrechte: Ziegelei Huber
Hans-Jürgen Förster bei der Produktion von Steinen.
Hans-Jürgen Förster war lange Zeit Porzellanmaler in der Porzellanmanufaktur Meißen. Jetzt ist er Spezialist für Terrakotten und spezielle Formsteine in der Ziegelei Huber. Bildrechte: Volker Insel
Ein Mann füllt gerade eine Form für Blendsteine.
Hier füllt er gerade eine Form für Blendsteine. Diese Klinkersteine sind für die Stadthalle Magdeburg bestimmt. Bildrechte: Volker Insel
Nach dem Trocknen werden die Platten glasiert und zweimal gebrannt.
Nach dem Trocknen werden die Platten glasiert und zweimal gebrannt. Bildrechte: Volker Insel
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Hans-Jürgen Förster bei der Produktion von Steinen.
Hans-Jürgen Förster war lange Zeit Porzellanmaler in der Porzellanmanufaktur Meißen. Jetzt ist er Spezialist für Terrakotten und spezielle Formsteine in der Ziegelei Huber. Bildrechte: Volker Insel